Welthandelsorganisation WTO-Vizechef: Für US-Zölle gibt es „keine Grundlage nach WTO-Recht“

Dem stellvertretenden WTO-Generaldirektor Karl Brauner zufolge sind die US-Zölle auf Stahl und Aluminium rechtswidrig.

Die US-Zölle auf Stahl und Aluminium sind dem stellvertretenden WTO-Generaldirektor Karl Brauner zufolge rechtswidrig. Ein Urteil der Organisation erwartet er erst in zwei Jahren - und diagnostiziert ein Führungsvakuum.

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„Ich sehe für die von den USA verhängten Zölle keine Grundlage nach WTO-Recht“, sagte Brauner im Interview mit der WirtschaftsWoche. Dies gelte auch für höhere Einfuhrzölle auf Autos, wie sie US-Präsident Trump derzeit prüfen lässt. 

Auf das offizielle Urteil der WTO werden die Europäer laut Brauner allerdings rund zwei Jahre warten müssen.  „Ein erstinstanzliches Urteil gibt es im Schnitt nach 15 Monaten. Das Problem ist die zweite Instanz. Da die USA die Besetzung von Richterstellen bei der WTO blockieren, dauern Berufungsverfahren derzeit nicht wie vorgesehen 90 Tage, sondern deutlich länger“, kritisierte der deutsche WTO-Vize.

Brauner mahnte die EU, bei ihren Gegenreaktionen nicht zu überziehen. „Ein Handelskrieg ist kein Automatismus. Er entsteht nur, wenn auf eine Aktion eine Reaktion erfolgt – und möglicherweise eine Kettenreaktion auslöst“, so der Jurist. „Ich verstehe das innen- und außenpolitische Bedürfnis, gegenüber einem Störenfried Flagge zu zeigen. Deshalb muss man Kompensationszölle aber nicht ökonomisch richtig finden. Bezahlen werden dafür am Ende die europäischen Verbraucher und Betriebe“.   Die EU sollte „äußerst vorsichtig vorgehen und noch mal ein Feintuning der geplanten Zölle vornehmen, das Kollateralschäden für hiesige Betriebe minimiert“, sagte Brauner der WirtschaftsWoche.

Reformbedarf sieht Brauner auch bei der WTO selbst. „Die WTO leidet unter einem Führungsvakuum“, sagte er. Früher habe es eine Gruppe von Staaten gegeben, die eine Agenda gesetzt und Dinge vorangetrieben hätten, etwa die USA mit Europa,  Japan oder Australien. Jetzt „haben sich die USA von der internationalen Gestaltungsbühne verabschiedet.“

Brauner will daher mehr Durchgriffsrechte der WTO-Spitze durchsetzen, die derzeit eher als neutrale Servicestelle für die Mitglieder agiert.  „Das Sekretariat der WTO braucht eigene Initiativrechte. Wir müssen raus aus der Defensive. Das Sekretariat muss deutlicher Kritik an den Mitgliedern üben ­- und sie nachdrücklicher an ihre Pflichten erinnern dürfen.“

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