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Weltwirtschaft Der Wirtschaftsschock aus Fernost

Stürzt die Krise in der drittgrößten Ökonomie der Welt die globale Wirtschaft in den Abgrund?

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Japan Quelle: dpa

Eigentlich sollte 2011 das Jahr des globalen Aufschwungs werden. Nach Asien, so hofften die meisten Konjunkturexperten, würde endlich auch die US-Wirtschaft wieder Tritt fassen. Sogar den Krisenländern der Euro-Zone prophezeiten sie eine konjunkturelle Renaissance.

Doch dann kam es knüppeldick. Erst trieben Unruhen im Nahen Osten den Ölpreis in die Höhe, dann loderte die Schuldenkrise in der Euro-Zone wieder auf. Als sei das nicht genug, erschreckte Anfang des Monats die Europäische Zentralbank (EZB) die Märkte mit der Ankündigung, bald die Zinsen zu erhöhen. Und jetzt droht das schwerste Erdbeben der japanischen Nachkriegsgeschichte in einer nuklearen Katastrophe zu münden.

Noch halten die Auguren in Banken und Forschungsinstituten an ihren Wachstumsprognosen fest, klammern sich an die Hoffnung, Japans Wirtschaft werde nach einem scharfen Einbruch schnell wieder auf die Beine kommen -und der Weltwirtschaft ernste Schäden ersparen.

Doch je näher ein GAU in Fukushima rückt, der dann auch das Wirtschafts- und Finanzzentrum um die Hauptstadt Tokio zu verstrahlen droht, desto naiver erscheint das Alles-wird-schon-wieder-gut-Szenario der Experten.

Was, wenn weite Teile des Landes kontaminiert werden, Millionen von Menschen bleibende Gesundheitsschäden davontragen, die Stromversorgung auf Monate hinaus unterbrochen wäre, ganze Ballungszentren umgesiedelt werden müssten? Kaum vorstellbar, dass die vernetzte Weltwirtschaft das ohne Blessuren überstehen würde.

Vergleich hinkt

Wie sehr sich Experten irren, wenn es darum geht, die wirtschaftlichen Folgen exogener Schocks zu beurteilen, hat die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 gezeigt. Zu spät erkannten die Ökonomen damals die Infarktgefahr, die ein Unsicherheitsschock für das fein verästelte Adergeflecht der globalisierten Wirtschaft bedeutet.

Jetzt drohen sie den Fehler erneut zu machen. In flink angefertigten Studien vergleichen sie das aktuelle Beben mit dem von Kobe aus dem Jahr 1995. Damals waren Tausende Tote zu beklagen, Maschinen, Anlagen, Gebäude und die Infrastruktur wurden zerstört. In der Folge brach die Industrieproduktion im Januar 1995 um 2,6 Prozent gegenüber Vormonat ein.

Kaum waren die letzten Nachbeben abgeebbt, begannen die Japaner mit dem Wiederaufbau. Bereits im Februar und März 1995 legte die Industrieproduktion um 2,2 beziehungsweise 1,0 Prozent zu. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte in keinem Quartal.

Allerdings: Der Vergleich mit dem konjunkturellen Runter-Rauf-Muster von 1995 hinkt. Denn anders als damals hat das Erdbeben diesmal die Stromproduktion in mehreren Kraftwerken gestoppt. Radioaktive Strahlen drohen die Wirtschaft im ganzen Land zu paralysieren. Die Folgen könnte auch die Weltwirtschaft zu spüren bekommen.

Die Schockwellen aus Fernost können sich über mehrere Kanäle ausbreiten.

Außenhandel leidet

Als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt trägt Japan knapp neun Prozent zur globalen Wertschöpfung bei. Anders als China ist Japan keine Lokomotive für die Welt, das Land lässt sich eher als Waggon von anderen Ländern ziehen. Seine Importe belaufen sich lediglich auf 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Zum Vergleich: In China liegt die Quote bei 26 Prozent. Wegen seiner schwachen Binnennachfrage absorbiert Japan zudem nur 4,2 Prozent der weltweit gehandelten Güter (siehe Grafik). Nach China fließen 9,1 Prozent der globalen Einfuhren.

Gleichwohl wird die Katastrophe in Japan negative Folgen für die globalen Handelsströme haben. Experten fürchten, dass rund zehn Prozent der Stromproduktionskapazität Japans monatelang ausfallen. Stromrationierungen und Produktionsstopps in den Fabriken sind dann die Folgen. Wegen der weltumspannenden Liefer- und Produktionsketten werden das auch die Unternehmen in anderen Ländern zu spüren bekommen.

Beispiel Chipindustrie. Japans High-Tech-Unternehmen zählen zu den wichtigsten Herstellern und Lieferanten von Steuer- und Speicherchips. Sie stehen für 20 Prozent des weltweiten Branchenumsatzes von 300 Milliarden Dollar. Allein der Tokioter Elektroriese Toshiba produziert mehr als ein Drittel aller Flash-Speicher-Chips, die für Digitalkameras, Mobiltelefone und alle Formen von Computern unerlässlich sind. Da viele High-Tech-Betriebe nach dem Erdbeben ihre Fertigung eingestellt haben, fürchten Experten nun weltweite Lieferengpässe und steigende Preise.

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