Weltwirtschaft „Die USA werden alle Macht einsetzen, um amerikanischen Firmen Vorteile zu verschaffen“

Huawei, Nordstream 2, Eurofighter: An immer mehr Fronten treten Konflikte zwischen der Trump-Regierung und anderen Nationen zutage. Es wird mit ganz harten Bandagen gespielt, sagt USA-Experte Josef Braml.

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WirtschaftsWoche: Herr Braml, die US-Behörden gehen gegen den chinesischen Konzern Huawei vor, weil dieser Geschäfte mit Iran gemacht und Betriebsgeheimnisse von US-Unternehmen gestohlen haben soll. Geht es hier um handfeste Vorwürfe oder auch um eine Strategie der Förderung eigener Unternehmen, vor der sich auch Firmen hier zu Lande in Acht nehmen müssen?
Josef Braml: Ich denke, dass europäische Firmen, ja die gesamte europäische Wirtschaft damit rechnen kann, dass die USA künftig alle Macht einsetzen werden, um amerikanischen Firmen Vorteile zu verschaffen

Woran denken Sie, wenn Sie von „aller Macht“ sprechen?
Alle Macht kann teils das Militär sein. Man sagt, dass der Schutz der Militärmacht USA, die Pax americana ihren Preis hat. Dann haben die Partner gefälligst  amerikanische Rüstungsgüter zu kaufen, und auch das „Freedom Gas“ aus den USA. Nicht das russische Gas. Oder man nutzt die Geheimdienste, die das eine oder andere zu Tage fördern können, was deutsche und europäische Firmen in aller Welt machen. Auch das Justizministerium ist ein Mittel zur Demonstration der Macht. Man verfolgt die Sünden und Vergehen, die eben Firmen weltweit machen und misst dabei mit zweierlei Maß. Die amerikanischen Firmen werden nicht so hart heran genommen wie ausländische. Ich glaube, das dürfte auch jedem schon klar geworden sein. 

Ist das ein Paradigmenwechsel unter Trump, oder geht er nur weniger verblümt vor als seine Vorgänger?
Wir haben uns ja damals schon auch die Augen gerieben, als wir von den USA und dem damaligen Präsidenten Barack Obama ausspioniert wurden. Die NSA-Affäre dürfte ja noch dem ein oder anderen in Erinnerung geblieben sein. Ich glaube nicht, dass man sich damals Sorgen machte, dass die Kanzlerin einen terroristischen Anschlag begehen würde. Oder Vertreter der EU. Da besteht dann schon der Verdacht, dass es um Wirtschafts- und vielleicht sogar Industriespionage geht. 

Zur Person

Man sucht also seit jeher selbst bei Partnern gezielt nach Schwächen, um die eigene Position zu stärken?
Da darf man sich nichts vormachen. Es wird mit ganz harten Bandagen gespielt. Auch unter Obama wurde Militärmacht eingesetzt, um die Wirtschaft zu fördern. Man könnte sagen, die unsichtbare Hand des Marktes funktionierte besser mit der leicht sichtbaren Faust in der Tasche. Nur dass jetzt Trump die Faust nicht in der Tasche lässt wie Obama. Die leicht sichtbare Faust in der Tasche ist bei Trump jetzt richtig aus der Tasche raus. Er droht offen damit und erpresst. 

Ist die Auseinandersetzung um den Ersatz veralteter Tornado-Kampfflugzeuge bei der Bundeswehr dafür ein Beispiel? Die USA drohen damit, den Eurofighter nicht als Träger ihrer Atomwaffen zu zertifizieren und drängen auf den Kauf der F-35-Bomber aus dem Hause Lockheed Martin. 
Ich habe seit Längerem die These gewagt, dass Amerika oder Trump jetzt beides verbindet, Wirtschaft und Militärpolitik: Wenn wir des Schutzes der USA würdig bleiben wollen, haben wir nach dieser Denke nicht nur mehr für Militär auszugeben. Das wäre ja in Ordnung, da sind wir bei der Lastenteilung. Aber ob wir unbedingt amerikanische Militärgüter kaufen müssen, die F-35, damit wir auch wirklich abhängig bleiben, und wir dann nicht auch eigene Kampfjets entwickeln können, das ist dann doch die Frage. Da geht es dann auch um unsere Souveränität. Wie souverän sind wir noch?

von Jürgen Berke, Karin Finkenzeller, Angela Hennersdorf, Rüdiger Kiani-Kreß, Christian Schlesiger

Also soll Berlin hart bleiben und sich für den Eurofighter entscheiden? 
Wir werden wohl einen Kompromiss schließen müssen. Wir werden F-35 kaufen und Tribut zahlen müssen, damit wir weiterhin militärischen Schutz von den USA erwarten können und auch die nukleare Teilhabe bei der Debatte nicht auf den Tisch kommt. Wie wollen wir das anders lösen? Ein paar reden jetzt von eigenen Atomwaffen. Auch über den Anschluss an die Force de Frappe der Franzosen. Ich glaube, in der deutschen Politik hat keiner Appetit darauf, diese Dose Würmer aufzumachen. Aber wir täten gut daran, uns als Europäer eigene Gedanken zu machen, wie wir uns aus der totalen Abhängigkeit lösen können.

„Weder wirtschaftlich noch geopolitisch sind die Argumente der USA haltbar“

Welchen Weg schlagen Sie vor?
Den Kampfjet mit den Franzosen zu entwickeln. 

Aber das dauert. Mindestens bis 2040...
Ein Land, das sich kein Militär geleistet hat und die Bundeswehr in den letzten Jahrzehnten kaputt gespart hat, muss vermutlich die gleiche Zeit investieren, um wieder einsatzfähiges Material zu haben. Wenn wir heute anfingen, uns darauf einzustellen, könnten wir uns in zwei, drei Jahrzehnten selbst verteidigen. 

Ein weiteres Thema, bei dem die USA Druck ausüben, ist die Pipeline Nordstream 2. Die USA drohen den beteiligten Firmen mit Sanktionen und wollen uns ihr eigenes Gas verkaufen. 
Wir werden dazu genötigt. Weder wirtschaftlich noch geopolitisch sind die Argumente der USA haltbar. Wirtschaftlich deswegen nicht, weil Pipeline-Gas billiger ist als LNG. Und das geo-ökonomische Argument - wir leben nicht mehr im Kalten Krieg. Amerika wird Russland künftig brauchen, um China einzudämmen. Aber erst wenn Washington Russland gegen China in Stellung bringt, dürfen wir als gute Transatlantiker auch russisches Pipeline-Gas ohne schlechtes Gewissen kaufen. Nochmal: Wer sich kein eigenes Militär leistet, ist erpressbar. 

Geht es bei all dem vorwiegend um die Förderung der US-Wirtschaft? Oder sind Trumps Ziele viel weitreichender?
Da geht es um etwas Größeres. Trump hat nicht weniger vor, und wir sollten ihn bitte nicht weiter unterschätzen, als  die regelbasierte Ordnung zu zerstören. Diese rule of law ermöglicht militärischen Liliputanern wie uns das gleiche Sagen wie den mächtigen USA. Amerika hat diese Ordnung zwar geschaffen. Sie hilft aus Sicht Trumps aber nur Amerikas Rivalen, ja Feinden. Das sind China und Europa. Also will er sie zerstören: die WTO, die Nato, die Uno. Anschließend gilt das Recht des Stärkeren. Und das ist in Trumps Sicht das Recht des militärisch Stärkeren. 

Meint Trump, auf Partner völlig verzichten zu können?
In seiner Welt haben Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen. Bei Trump kommt verschärfend hinzu, dass er keine gemeinsamen Interessen kennt. Er denkt in Nullsummen: Ich gewinne nur, wenn alle anderen verlieren. In dieser Welt lebt Trump, in dieser Welt handeln er und seine Sicherheits- und Wirtschaftsberater. Darauf müssen wir uns einstellen, alles andere wäre naiv. 

Was raten Sie Unternehmen? Wie können sie sich schützen? 
Da muss man Kontakte herstellen, mit den richtigen Leuten reden. Sie sollten sich an Leute halten, die das schon ein wenig länger beobachten und auch wissen, wer wo was zu sagen hat in den USA. Das ist zur Zeit nicht so leicht. Die bisherigen Kanäle, die bisherigen transatlantischen Beziehungen sind in vielerlei Hinsicht obsolet geworden. Es ist eine neue Führungselite am Werk, die viele lange Jahre ignoriert haben. Mit der gilt es jetzt, sich ins Benehmen zu setzen, auch um Schlimmeres zu verhindern. Für unser Land, für die Unternehmen, für Europa und die Weltordnung.

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