
Vermutlich ahnte Präsidentin Dilma Rousseff, dass ihr kein leichtes Jahr bevorstehen würde, als sie am 1. Januar ihre zweite Amtszeit antrat. Kurz zuvor hatte sie mit Joaquim Levy ausgerechnet einen Banker zum Finanzminister ernannt – also jemanden, der angeblich den armen Brasilianern das Essen vom Tisch raubt, wie sie noch im Wahlkampf behauptet hatte. Doch jetzt braucht sie den Chicago-Ökonomen nicht nur, um die maroden Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Sondern auch, um ihr eigenes politisches Überleben zu sichern.

Brasiliens Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren kaum gewachsen. Als Rousseff bei der ersten Sitzung des neuen Kabinetts befand, allenfalls „kleine Korrekturen“ der Wirtschaftspolitik seien notwendig, um Brasilien wieder auf Erfolgskurs zu bringen, erntete sie bei Experten nur Kopfschütteln. Denn seit Anfang Januar erschüttert eine schlechte Nachricht nach der anderen die Wirtschaft. „In Brasilien braut sich ein Sturm zusammen“, sagt Ilan Goldfajn, Chefökonom von Itau Unibanco. Analysten befürchten, dass die Wirtschaftsleistung der siebtgrößten Wirtschaft der Welt dieses Jahr um mindestens ein Prozent sinken könnte. Die Unternehmer geizen mit Investitionen, die Konsumenten halten ihr Geld zusammen.





Ab Mai drohen Wasserrationierungen
Obendrein droht nun auch noch ein Wasser- und Strommangel. Die Staudämme im Südosten sind leer, es fehlt Wasser vor allem in den Großstädten, und es kommt zu stundenlangen Blackouts. Die Regenzeit ist fast vorbei, ab Mai wird es ernst. Dann drohen tagelange Wasserrationierungen in São Paulo, Rio de Janeiro und Belo Horizonte, den größten industriellen Ballungszentren des Landes. Im Wahlkampf hatte Rousseff noch erklärt, dass weder Wasser noch Strom fehlen würden – und verzichtete auf Notfallpläne.
Brasilien
2013: 2,5 Prozent
2014: 3,1 Prozent
2013: 6,2 Prozent
2014: 5,6 Prozent
2013: 5,5 Prozent
2014: 5,6 Prozent
IHS Global Insight
Ähnlich fatal wirkt sich nun aus, dass Rousseff die Tarife für Strom, Benzin und Bustickets seit Jahren künstlich niedrig gehalten hat, um die Inflation zu bremsen. Jetzt musste Kassenwart Levy angesichts der Haushaltskrise alle Subventionen streichen – und die künstlich unterdrückte Inflation schießt nach oben. Während die größten Volkswirtschaften weltweit unter Deflationsangst leiden, haben Regierung und Zentralbank in Brasilien größte Mühe, die Geldentwertung unter sieben Prozent zu halten.
Auch das Defizit im Staatsbudget ist größer als gedacht. Der von Levy angekündigte Primärüberschuss dürfte sich nach einem Kassensturz in ein Loch von 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung verwandeln. Der Finanzminister versucht jetzt mit Steuererhöhungen und Ausgabenstreichungen, sein Budgetziel zu erreichen – was die Rezession weiter verschärft. Wegen des Inflationsdrucks wird auch die Zentralbank ihren hohen Leitzins von 12,5 Prozent kaum lockern können.