Irgendwie aber haben seine Zuhörer von damals, als sie Davos verließen, die Botschaft offenbar vergessen. Und so blieben die Krisenpunkte des Kapitalismus unbearbeitet:
- Die Globalisierung war keine Öffnung der Grenzen für fairen Handel, sondern ein Konjunkturprogramm für die Oberschicht.
- Die Digitalisierung ist keine Bewegung für eine bessere Welt, sondern für eine Abkopplung der Elite.
- Die Wachstumsgewinne der jüngeren Vergangenheit haben vor allem noch mehr Wohlstand für Vermögende geschaffen und sind nicht in die unteren Vermögensschichten durchgesickert.
- Die Aufnahme von Migranten ist nicht gelebte Nächstenliebe, sondern auch verschärfter Wettbewerb um Ressourcen am unteren Ende der Wohlstandsskala.
Schon Ralf Dahrendorf mahnte in seinem Essay „Acht Anmerkungen zum Populismus“ davor, die Bezichtigung für den Beweis zu halten: „Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein“, schrieb er. Nämlich dann, wenn er Gründe mit Rhetorik zu überdecken versucht. Das ist der Auftrag an die Menschen von Davos in diesen Tagen: Gründe akzeptieren und dann Lösungen zu diskutieren. Die Szene mit Biden aus dem vergangenen Jahre zeigt: Nirgends ist so viel Platz für kluge Gedanken wie in Davos. Wenn alle zuhören.
3. Zwischenstaatliche Gremien sind delegitimiert
Wen all das nicht überzeugt, der muss sich fragen lassen: Was wäre die Alternative zu diesem informell-formellen-Zusammenkommen? Wer einmal vermeintlich demokratisch legitimierten offiziellen Gipfeln beigewohnt hat – den Klimakonferenzen, Euro-Ratssitzungen oder UN-Runden – weiß erst richtig zu schätzen, mit welch geschäftsmäßiger Effizienz Davos über die Bühne geht. Das soll gar nicht undemokratischen Heimlichtu-Zirkeln das Wort reden. Nur: Davos-Besucher verhandeln oder taktieren nicht nur miteinander, sie sprechen miteinander.
Diese 36 Deutschen besitzen zusammen so viel wie die Hälfte der Deutschen
Der aktuelle Bericht der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam-Bericht zeigt: Im Jahr 2016 besaßen die acht reichsten Männer der Welt zusammengenommen 426 Milliarden Dollar und damit mehr als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung (3,6 Milliarden Menschen mit insgesamt 409 Milliarden Dollar). Es gibt jedoch auch eine Liste reicher Deutscher, deren Vermögen dem der ärmeren Hälfte der deutschen Bevölkerung entspricht.
Platz 36 der reichsten Deutschen belegt Traudl Engelhorn mit einem Vermögen von insgesamt 3,8 Milliarden Dollar. Demgegenüber steht die Summe von 299,2 Milliarden Dollar: So viel besitzt die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung zusammen an Immobilien, Bargeld, Kunst, Autos, Aktien und sonstigen Wertgegenständen.
Ebenfalls je 3,8 Milliarden Dollar beträgt das Vermögen der Brüder Herz, deren Familie mit Tchibo verbunden ist. Michael Herz und Wolfgang Herz sind Anteilseigner an Maxingvest.
Auch das Vermögen des im Mai 2016 verstorbenen Heinz-Georg Baus beläuft sich auf insgesamt 3,8 Milliarden Dollar. Der gelernte Schreiner und Glaser gründete 1960 das Unternehmen Bauhaus.
Ralph Dommermuth, Gründer, Vorstandsvorsitzender und größter Aktionär der United Internet AG, kommt auf ein Vermögen von 4,2 Milliarden Dollar.
Bernard Broermann , Gründer der Asklepios Kliniken, besitzt ein Gesamtvermögen von 4,3 Milliarden Dollar.
Die Unternehmerfamilie Reimann ist eine der wohlhabendsten Familien Deutschlands. Den Kern der Gesellschafterfamilie bilden Renate Reimann-Haas, Holdingsprecher Wolfgang Reimann sowie die Cousins Matthias Reimann-Andersen und Stefan Reimann-Andersen. Jeder der vier besitzt ein Vermögen von 4,4 Milliarden Dollar.
Die Gesellschafterin der Schaeffler AG, Maria-Elisabeth Schaeffler, kommt auf ein Vermögen von 4,5 Milliarden Dollar.
Milchmagnat Theo Müller besitzt ebenfalls 4,5 Milliarden Dollar.
Der in Heidelberg geborene Unternehmer Hans Peter Wild, zu dessen Unternehmen die Marke Capri-Sonne gehört, besitzt ein Vermögen von 4,7 Milliarden Dollar. Mittlerweile lebt Wild in der Schweiz.
Auf exakt fünf Milliarden Dollar beläuft sich das Vermögen des ehemaligen Eigentümers der Massa-Märkte, Karl-Heinz Kipp.
Ludwig Merckle, Sohn von Ruth und Adolf Merckle, ist Geschäftsführer der Merckle Unternehmensgruppe und sitzt bei diversen Unternehmen im Aufsichtsrat. Merckles Vermögen beläuft sich auf 5,1 Milliarden Dollar.
Günther Fielmann, Mehrheitsaktionär der Fielmann AG, besitzt 5,3 Milliarden Dollar. Damit belegt er Platz 20 unter den reichsten Deutschen.
Bernhard Aloys Wobben gilt als Pionier im Bereich Windenergie. Der Gründer des Windenergieanlagenherstellers Enercon kommt auf ein Gesamtvermögen von 5,4 Milliarden Dollar.
Heinrich Otto Deichmann, Leiter des Schuheinzelhändlers Deichmann, besitzt ein Vermögen von 5,6 Milliarden Dollar.
Wolfgang Marguerre ist Gründer, Eigentümer und CEO der Octapharma AG. Er besitzt ein Vermögen von 6,1 Milliarden Dollar.
Der im Oktober 2016 verstorbene Curt Engelhorn war bis 1997 Mitgesellschafter des Pharma-Unternehmens Boehringer Mannheim, das seine Familie an Hoffmann-La Roche verkaufte. Engelhorns Vermögen beläuft sich auf 6,2 Milliarden Dollar.
Walter Droege kommt auf ein Vermögen von 6,4 Milliarden Dollar. Er ist Gründer und Leiter des Beratungs- und Investmentunternehmens Droege International Group AG mit Sitz in Düsseldorf.
Der Investor und Bankier, August von Finck, kommt auf ein Gesamtvermögen von 7,6 Milliarden Dollar.
Der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp besitzt ein Vermögen von 7,9 Milliarden Dollar.
Schraubenkönig Reinhold Würth besitzt 8,1 Milliarden Dollar.
Udo und Harald Tschira sind die Söhne von Klaus Tschira, einem der Mitgründer des Softwareunternehmens SAP. Ihr Vermögen beläuft sich auf 9,3 Milliarden Dollar.
Ebenfalls ein SAP-Mitgründer ist Hasso Plattner. Sein Vermögen beläuft sich auf 9,5 Milliarden Euro. Damit ist er der zehntreichste Deutsche.
Klaus-Michael Kühne ist Verwaltungsratsmitglied und größter Einzelaktionär des Logistikdienstleisters Kühne + Nagel. Außerdem ist er Anteilseigner des HSV. Kühne besitzt ein Vermögen von zehn Milliarden Dollar.
Heinz Hermann Thiele ist Eigentümer der Knorr-Bremse AG und steht bei Vossloh dem Aufsichtsrat vor. Er besitzt ein Vermögen in Höhe von 11,7 Milliarden Dollar.
Michael Otto, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Otto Gruppe, besitzt ein Vermögen von 15,4 Milliarden Dollar.
Stefan Quandt, BMW-Großaktionär, besitzt 15,6 Milliarden Dollar.
Dieter Schwarz, Gründer und Eigentümer der Schwarz-Gruppe, besitzt ein Vermögen von 16,4 Milliarden Dollar. Damit ist der Lidl- und Kaufland-Chef der fünftreichste Deutsche.
Auf Platz vier folgt der bereits verstorbene Unternehmer Georg Schaeffler. Sein Vermögen beläuft sich auf 18,1 Milliarde Dollar.
Susanne Klatten, Tochter von Herbert und Johanna Quandt, ist mit einem Vermögen von 18,5 Milliarden Dollar die reichste Frau Deutschlands
Theo Albrecht, Gründer von Aldi Nord, ist posthum der zweitreichste Deutsche. Sein Vermögen beläuft sich auf 20,3 Milliarden Dollar.
Der verstorbene Aldi-Gründer Karl Albrecht Jr. und seine Tochter Beate Heister, geborene Albrecht, sind die reichsten Deutschen. Zusammen besitzen sie ein Vermögen in Höhe von 25,9 Milliarden Dollar.
Und welche alternativen Foren bieten diese Gelegenheit sonst noch? Die Vereinten Nationen? Von Trump verachtet, von Europa, ignoriert, von den Schwellenländern als nicht repräsentativ empfunden. Die Europäische Union? Ein Schatten ihrer selbst. Die G20? Ein Wanderzirkus für Staatenlenker, bei dem Rituale Inhalte ersetzen.
Ob Populismus, Protektionismus oder das Scheitern des real existierenden Kapitalismus: Die Weltwirtschaft steht vor einem derartigen Cocktail an Problemen, dass nicht drüber zu reden auch keine Lösung wäre.
Allerdings muss auch klar sein: Nach der Klassenfahrt nach Davos heißt es: rausgehen, die eigene Blase verlassen. Sonst kann man sich den Aufwand im nächsten Jahr wirklich sparen. Filterblasen, in denen Gleichdenkende sich Gleiches sagen, ohne etwas zu lernen, können andere schließlich besser organisieren.