Angela Merkel sollte sich warm anziehen. Die Bundeskanzlerin nimmt wie in den Vorjahren am Weltwirtschaftsforum in Davos (Schweiz) teil, das am Dienstagabend eröffnet wird und bis Samstag dauert. Beim wichtigsten Wirtschaftstreffen der Welt, das 43. seiner Art, wird Merkel nicht nur mit Temperaturen von bis zu Minus elf Grad bei heftigem Schneefall konfrontiert. Die CDU-Politikerin wird sich aller Voraussicht nach auch heftige Kritik für ihren Umgang mit der Schuldenkrise erwehren müssen.
Am Donnerstag steht der Gipfeltag ganz im Zeichen der Euro-Krise. Die Regierungschefs von Italien und den Niederlanden, Mario Monti und Mark Rutte, EZB-Präsident Mario Draghi und IWF-Chefin Christine Lagarde – aber auch Deutschland-Kritiker wie Ökonom Joseph Stiglitz und Börsen-Guru George Soros (am Samstag) werden neben der Bundeskanzlerin über Ursachen und Lösungsoptionen der Schuldenkrise streiten.
Kritik am Sparkurs der Deutschen ist dabei programmiert. Bereits im Vorjahr moserte Soros, die Bundesregierung diktiere eine Politik, "die in eine Schuldenspirale mit deflationären Folgen" führe. Deutschland setze Euro-Krisenstaaten unerreichbare Sparziele, verweigere ihnen gleichzeitig Schutz vor den Finanzmärkten und bringe sie damit gegen sich auf.
Den Schutz vor den Finanzmärkten, von deren Würgegriff Investor Soros im Übrigen sehr gut profitiert, liefert inzwischen die Europäische Zentralbank, die im Zweifelsfall im großen Stil Staatsanleihen der Pleitekandidaten aufkaufen will. Es wird spannend zu beobachten sein, ob die gefährliche Geldpolitik der Frankfurter Währungshüter in Davos einhellig gelobt wird – oder ob die Gefahren, Stichworte: Gefährdung der Unabhängigkeit der EZB, Inflation, diskutiert werden.
Neben der europäischen Schuldenkrise möchte Weltwirtschaftsforum-Gründer Klaus Schwab mit den 2.600 Vertretern aus Politik und Wirtschaft vor allem über Russland, die Globalisierung und Protektionismus sprechen. Das offizielle Motto des 43. Weltwirtschaftsforums heißt sehr offen formuliert "Resilient Dynamism" (Widerstandsfähige Dynamik).
Henry Kissinger, Bill Gates und eine Hollywood-Schönheit
Dem Gedanken der Globalisierung soll neuer Auftrieb verliehen werden, hofft Schwab. Denn: In den vergangenen Jahren hätten die einzelnen Staaten dazu tendiert, Probleme primär im eigenen Interesse zu lösen und den globalen Blick zu vernachlässigen. So seien die multilateralen Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) nicht vorangekommen, auch die Bemühungen, den Klimaschutz neu auszurichten, seien gescheitert.
Die Spitzen der US-amerikanischen und chinesischen Regierungen aber, die hier besonders gefordert wären, bleiben dem Gipfeltreffen in diesem Jahr aber fern. Präsident Barack Obama feiert seine Vereidigung in Washington und baut sein Kabinett um, die Chinesen schicken Politiker der zweiten Reihe.
An großen Namen fehlt es – zusätzlich zu den Euro-Krisenchefs – in Davos trotzdem nicht: US-Diplomat Henry Kissinger wird erwartet, dazu UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, Friedensnobelpreisträger Kofi Annan, Weltbankchef Jim Yong Kim, Microsoft-Gründer Bill Gates sowie Oscar-Preisträgerin Charlize Theron, die für ihren sozialen Einsatz in Afrika ausgezeichnet wird. Alcoa-Chef und Ex-Siemens-CEO Klaus Kleinfeld wird zudem in die Schweiz reisen, Coca-Cola-Chef Muhtar Kent als Partner der Veranstaltung sowieso – und auch viele Dax-Konzerne (u.a. Deutsche Bank, DHL, Lufthansa) werden durch ihre Vorstandsvorsitzenden vertreten sein.
Neben spannenden Vorträgen und Gesprächen mit Geschäftspartnern locken auch die abendlichen Partys in dem Nobel-Ort – sowie das obligatorische Skifahren zum Abschluss des Gipfels am Sonntag.
Für die WirtschaftsWoche vor Ort sind Chefredakteur Roland Tichy, Technik-Ressortleiter Sebastian Matthes und Online-Politikredakteur Tim Rahmann. Über ihre Twitter-Accounts sowie auf WirtschaftsWoche Online berichten Sie in den kommenden Tagen von Ihren Eindrücken.