
Die ersten Gerüchte über den Entschluss François Hollandes, erstmalig zum Weltwirtschaftsforum (WEF) nach Davos zu reisen, kursierten im Oktober 2014. Es hieß, der französische Präsident, der in den beiden Vorjahren das Treffen der Weltelite ignorierte, wolle seine Reformpolitik vorstellen und um die Gunst der Unternehmer werben.
Dann kam der 7. Januar 2015. Islamistische Terroristen stürmten das Redaktionsbüro des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo". Zwölf Menschen wurden erschossen, darunter vier prominente Karikaturisten aus dem Redaktionsteam der Zeitschrift, einschließlich des Herausgebers.
Frankreich war tief getroffen. Und es gab Wichtigeres für den Präsidenten, als über das Gipfeltreffen in den Schweizer Bergen nachzudenken.
Die wichtigsten Davos-Themen
Hollandes Teilnahme war unsicher. Doch dann kam am vergangenen Mittwoch die endgültige Bestätigung: Der französische Präsident reist nach Davos. So wie mehr als 2500 Topmanagern und Spitzenpolitikern aus gut 140 Ländern.
Über 40 Staats- und Regierungschefs werden in Davos erwartet. Die Terrorgefahr, der Verfall der Ölpreise, der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine und ein mögliches Wiederaufflammen der Euro-Schuldenkrise werden die drängendsten Themen sein. Und natürlich: Frankreich.
Die spektakulärsten WEF-Gäste 2015
Anders als Angela Merkel hat der französische Präsident bisher das Gipfeltreffen in den Schweizer Bergen gemieden. Er schickte im Vorjahr seinen Finanzminister vor. Schon im Herbst reifte der Wunsch Hollandes, 2015 beim WEF auf die Wirtschaft zuzugehen, um der französischen Volkswirtschaft neues Leben einzuhauchen.
Seit August 2005 ist Abdullah der absolutistische König und Premierminister von Saudi-Arabien, dem Land – nach Venezuela – mit den zweitgrößten Erdölreserven der Welt. Der fallende Ölpreis ist eines der großen Themen in Davos. Die internationalen Spitzenmanager reißen sich hinter den Kulissen um ein Treffen mit Abdullah. Aber nicht, weil sie über den Ölpreis sprechen wollen, sondern weil das große Geschäft winkt.
Die Bundeskanzlerin, bereits 1993 vom Weltwirtschaftsforum zum „Young Global Leader“ gekürt, ist Dauer-Gast in Davos. Während sie sich in den Vorjahren kritische Fragen zu ihrer Euro-Rettungspolitik gefallen lassen musste, spricht sie in diesem Jahr über die „Globale Verantwortung im digitalen Zeitalter“.
Ein weiteres großes Thema beim WEF ist die Ukraine-Krise. Der Präsident des Krisenlandes reist persönlich nach Davos, um seine Zukunftsvisionen für sein Land darzulegen. Anders als die Ukraine ist Russland dieses Mal nicht mit der ersten Reihe seiner politischen Führung vertreten.
China kommt mit einer fünfköpfigen Delegation in die Schweiz, darunter Regierungschef Li Keqiang. Das ist die ranghöchste Delegation seit 2009. Die Unternehmer interessiert besonders, wie China auf die nachlassenden Wachstumsraten reagieren will.
Die Chefin des Internationalen Währungsfonds ist ebenfalls Dauergast in Davos. Während sie in den Vorjahren die Politik der Troika gegenüber den Kreditnehmerländern wie Griechenland verteidigte, wird sie dieses Mal über Wirtschaftswachstum und die zunehmende soziale Ungleichheit sprechen.
Der ehemalige US-Vizepräsident und Friedensnobelpreisträger schwört die Unternehmen auf den Klimaschutz ein. Diese Frage dürfte vor allem im zweiten Halbjahr 2015 an Gewicht gewinnen: Ende des Jahres stehen in Paris Klimaverhandlungen an. Al Gore erklärt vorab, was bei den Verhandlungen auf dem Spiel steht.
Der Rapper und Hip-Hop-Produzent hat sich in den vergangenen beiden US-Wahlkämpfen für Präsident Barack Obama stark gemacht. Neben der Musik und der Politik engagiert sich das Mitglied der „Black Eyed Peas“ in der Wirtschaft. Er gilt als Vordenker, ist Chief Creative Officer (CCO) des 3D-Druck-Unternehmens „3D Systems“ und hat eine eigene Automarke mit dem Namen IAMAUTO gegründet.
Der Volkswagen-Chef wird ebenfalls in Davos erwartet. Er führt eine ganze Reihe von Dax-Vorständen an, die in die Schweiz reisen. So sind unter anderem auch Siemens-Boss Joe Kaeser, der Deutsche-Bank-Chef Anshu Jain oder der CEO der Deutschen Post AG, Frank Appel, vor Ort.
Am Freitag wird Hollande im Kongresszentrum eine halbstündige Rede halten. Aus Paris heißt es, der Präsident werde den Terroranschlag von Paris nur am Rande erwähne. Er wolle sich vor allem den Themen Ökologie, Jugend und Wirtschaft widmen.
Der Auftritt ist nicht nur ein Zeichen, dass das Leben weitergehen muss. Sondern auch ein Signal, dass Hollande die wirtschaftlichen Probleme des Landes anpacken wird - und muss.
Ohne Zögern und Zaudern
Laut OECD-Prognose wird Frankreichs Neuverschuldung nur geringfügig von 4,4 auf 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sinken. Das ist weit oberhalb des Limits der Euro-Länder von drei Prozent.
Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr zwar doppelt so hoch ausfallen wie 2014, es soll 0,9 Prozent betragen. Allerdings wird auch das zu wenig sein, um eine Wende auf dem Arbeitsmarkt herbeizuführen. Rund zehn Prozent der Franzosen (3,46 Millionen Bürger) sind arbeitslos, bei den Jung-Erwachsenen ist fast jeder Vierte ohne Job.
Nach Jahren des Zögern und Zauderns will der französische Präsident nun das Ruder rumreißen. „François Hollande und seine Regierung sind an einem entscheidenden Punkt ihrer Amtszeit angekommen. Wenn Sie jetzt nicht liefern, hat Hollande keine Chance, in zwei Jahren wiedergewählt zu werden – und Frankreich wird sich auf Sicht wirtschaftlich nicht erholen“, sagt Bruno Cavalier, Makro-Ökonom und seit 2007 Chefvolkswirt von „Oddo &Cie“, einer unabhängigen und familiengeführten Finanzdienstleistungsgruppe gegenüber WirtschaftsWoche Online.
155 Reformen will die Regierung bis 2017 umsetzen: Steuergutschriften für Unternehmen sollen die Profitabilität erhöhen und perspektivisch Jobs schaffen; auch sonntags sollen Geschäften künftig öffnen dürfen, und zahlreiche Branchen dereguliert werden. Doch die Zweifel an Hollande sind groß. Vor allem in Davos.