Weltwirtschaftsforum Angst vor neuer Eskalation im Ukraine-Konflikt

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International isoliert

Fakt ist: Aufgrund des niedrigen Ölpreises und der Sanktionen des Westens als Antwort auf die Annexion der Krim befindet sich die russische Wirtschaft im freien Fall. Die in London ansässige Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) korrigierte ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum Russlands zu Beginn der Woche drastisch nach unten und rechnet nun für 2015 mit einem Minus von 4,8 Prozent. Im September war sie noch davon ausgegangen, dass die russische Konjunktur in diesem Jahr um lediglich 0,2 Prozent nachgibt.

Welchen Staaten der niedrige Ölpreis besonders schadet
Erdölförderung Quelle: dpa
Ölförderung in Saudi-Arabien Quelle: REUTERS
Ölförderung in Russland Quelle: REUTERS
Oman Ölpreis Quelle: Richard Bartz - eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Öl-Leitung im Niger-Delta Quelle: dpa
Ölförderpumpe in Bahrain Quelle: AP
Venezuela Ölförderung Quelle: REUTERS

„Wenn der Ölpreis in diesem Jahr bei 50 US-Dollar pro Barrel bleibt, werden große Einsparungen im öffentlichen Haushalt in Russland nötig“, sagt Russland-Kenner Sergei Guriev. Egal wie stark die Einschnitte werden: Der Ökonom geht davon aus, dass die Rücklagen dann auch bis zum Ende des Jahres aufgezehrt sein werden. „Das russische BIP dürfte um mindestens 5,0 Prozent sinken bei dem oben genannten Ölpreis“, glaubt auch Guriev. „Möglicherweise auch stärker, wenn die Regierung Löhne kürzen muss und so die Binnennachfrage weiter einbricht.“

Die russische Führung versucht anderweitig zu punkten; mit einer expansiven Außenpolitik etwa. „Russland wird die USA herausfordern und ihre geopolitische Stellung angreifen wollen“, erklärt der New Yorker Politologe und Präsident des renommierten Thinktanks Eurasia Group Ian Bremmer in Davos. Putin habe seinen Expansionsdrang längst noch nicht abgeschlossen. „Vor allem Moldawien halte ich neben der Ukraine für gefährdet“, sagt der US-Amerikaner.

Die spektakulärsten WEF-Gäste 2015

In der abtrünnigen Region Transnistrien stehen schon lange russische Truppen. Zudem beäugt Moskau die Annäherung Moldawiens an den Westen, das ähnlich wie die Ukraine mehr Geschäfte mit der EU machen will, skeptisch. Nicht nur Moldawien sorgt sich. Von der Ostsee bis zum Pazifik reich die Kette der Länder, denen die Krim-Krise Angst macht. Verständnis für Moskaus Kurs hat kaum einer.

Russland sucht nach neuen Partnern

Dass Russland zunehmend international isoliert ist, sorgt auch in Moskau für Bauchschmerzen. Die Folge: Das Land sucht nach neuen Partnern, flirtet vor allem mit China. Doch das Riesenreich zeigt sich unbeeindruckt. Kreml-Kritiker Sergei Guriev wundert das nicht. „China ist unglücklich, dass Moskau immer nur auf das Land zukommt, wenn es in Not ist und Probleme mit dem Westen hat“, weiß der Ökonom. „Der zweite Grund ist: China will es sich nicht mit dem Westen verscherzen. Die Beziehungen zu den USA sind den Chinesen viel wichtiger als etwaige Geschäfte mit Putin.“

Folgerichtig spricht die chinesische Führung beim WEF auch lieber über sich (und mit Geschäftspartnern aus dem Westen) als über Russland. Auch die Türkei oder Ungarn zeigen sich zum Gespräch mit Russland bereit; mehr als vage Sympathiebekundungen sind bei den Treffen der Regierungsspitzen aber bisher nicht herausgekommen.

Wie also geht es nun weiter mit Moskau? Sergei Guriev hofft, dass sich die kritischen Stimmen in Russland – die es durchaus gibt – am derzeitigen Kurs durchsetzen und die Kreml-Führung doch noch reagiert bzw. reagieren muss. „Klar ist: Man darf Putin in der Öffentlichkeit nicht kritisieren. In kleiner Runde aber gibt es Leute, die auf ihn einwirken können und von dieser Option auch Gebrauch machen“, weiß Guriev.

Beratungsresistent sei Putin nicht, sagt Guriev. Nur: Auf Stimmen aus den Westen hört er derzeit nicht. Die Abwesenheit der russischen Führung in Davos zeigt dies deutlich.

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