Wettbewerbsfähigkeit Frankreich eifert Deutschland nach

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In Frankreich haben die Gebietskörperschaften häufig nicht die Befugnisse und oft nicht genügend Mittel für Wirtschaftsförderung, da sie seit der Reform der Gewerbesteuer kaum noch über eigene Steuerquellen verfügen. Oder es fehlt ihnen schlicht der Mut, eigenständig Entscheidungen zu treffen.

Es darf bezweifelt werden, dass Sarkozy mit seinen Beschwörungen, dem Beispiel Deutschlands zu folgen, den Kern der Problematik trifft. DFI-Experte Uterwedde meint: „Das ist alles nur ein Wahlkampf-Bluff. Es gibt keine schnellen Lösungen. Es dauert Jahrzehnte, um eine Veränderung herbeizuführen.“ Ein unternehmensfreundlicheres Klima ist nötig. „Wir sehen ja in Ostdeutschland, wie lange sich so etwas hinzieht“, erklärt Uterwedde. Zig Pläne hat er schon zur Ankurbelung des französischen Mittelstandes gesehen. Die meisten verpufften ohne Wirkung.

Auch jetzt wieder setzt die Regierung auf staatliche Großprojekte wie die hoch subventionierte Entwicklung von Elektroautos, neue Flugzeugprojekte oder die „Nuklearindustrie von morgen“. Die Reaktor-Havarie in Japan und in der Folge ein weltweites Abrücken von der Atomindustrie zeigt, wie anfällig die Strategie ist. Selbst der gute Ansatz, Forschungsausgaben steuerlich zu fördern, dürfte vor allem den Großen zugute kommen, glaubt Lasserre. Dass das deutsche Modell nicht einfach kopiert werden kann, schwant inzwischen sogar Wirtschaftsministerin Christine Lagarde.

Mangel an Fachkräften

Selbst die Großkonzerne sind nicht zufrieden. Noch-Renault-Vize Patrick Pélata oder PSA-Chef Philippe Varin klagen über die hohen Kosten des Produktionsstandorts Frankreich. Die Folge: Arbeitsplätze am Heimatstandort werden ins Ausland verlagert – so wie bei Renault und Peugeot-Citroën. Auch L’Oréal baut immer mehr Jobs ab und in Asien wieder auf.

Gleichzeitig verschärft sich im Land der Fachkräftemangel. Ein Grund ist die mangelnde Eignung vieler Schulabgänger für die Industrie. Jährlich brechen 150 000 Jugendliche ihre Schulausbildung vorzeitig ab. Hinzu kommen 300 000 Auszubildende, die ihre Lehre nicht beenden. Die Lehre als Ausbildungsweg hat in Frankreich in der öffentlichen Meinung einen schlechten Ruf. Außerhalb des Handwerks gilt sie als Sackgasse für Berufsversager. Mit Ausnahme der Absolventen der Eliteschulen finden selbst viele Universitätsabgänger nur schwer einen Arbeitsplatz: Sie sind gebildet, doch wegen des völlig praxisfernen Studiums in Hochschulen ungeeignet für den Arbeitsmarkt.

Das Interesse an Jobs in der Industrie ist allerdings auch nicht groß. Facharbeiter mit guter Ausbildung verdienen nur unwesentlich mehr als kaum qualifizierte Arbeiter, die den Mindestlohn von 1365 Euro kassieren. Auch die Bereitschaft, sich auf eigene Kosten weiterzubilden, ist entsprechend gering. Wen wundert da, dass die Jugendarbeitslosigkeit mit 23 Prozent fast dreimal so hoch ist wie in Deutschland.

Wenig Investition in Weiterbildung

Auch den Unternehmen fehlt das Geld, um Mitarbeiter weiterzubilden. Sie geben für Weiterbildung nur ein Sechstel der Aufwendungen deutscher Firmen aus. „Es könnte helfen, Anreize zur Aufnahme eines Jobs zu schaffen, statt die großzügige Arbeitslosen- oder Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen“, meint Cirac-Chef Lasserre.

Doch auch wenn es darum geht, Initiativen schnell umzusetzen, ist Frankreich nicht unbedingt beispielhaft. Das hat die nur mit Mühe durchgebrachte bescheidene Rentenreform gezeigt: Die Pläne reichen nicht aus, um das schon bestehende Defizit in den Rentenkassen zu stopfen. Etwa 15 Milliarden Euro des bis zum Jahr 2018 erwarteten Fehlbetrages müssen durch das Staatsbudget finanziert werden.

In einer Angelegenheit sind die Franzosen allerdings äußerst produktiv. Mit einer Geburtenrate von statistisch gesehen 2,02 Kindern pro Frau ist Frankreich in Europa Primus. Noch vor 2050 wird die Republik mehr Einwohner haben als Deutschland.

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