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Wider das staatliche Geldmonopol Das Ende der unabhängigen Notenbanken

Weltweit geraten die Notenbanken immer stärker in den Würgegriff der Regierungen. Die Ära unabhängiger Zentralbanken ist passé. Wer gesundes Geld will, muss auf den freien Markt setzen – und den Notenbanken das Geldmonopol entreißen.

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Wie in Zentralbanken hineinregiert wird
Europäische Zentralbank (EZB)"Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", heißt es in Artikel 105 des Maastricht-Vertrags. Zwar soll die EZB auch für Stabilität an den Märkten sorgen und die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Das allerdings nur, wenn dadurch das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Diese klare Abgrenzung hat anfangs funktioniert. Seit der Euro-Krise jedoch ist die Geldpolitik Teil der EU-Wirtschaftspolitik. Die EZB begründet ihre Eingriffe mit ihrem Mandat der Marktstabilität und behauptet, dass hierdurch die Geldwertstabilität nicht gefährdet sei. Quelle: dapd
Europäische Zentralbank (EZB)Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi früher bei Goldman Sachs arbeitete, besitzen private Banken bei der Zentralbank keine direkte Mitsprache. Das EZB-Kapital von 5,76 Milliarden Euro liegt bei den 27 Notenbanken der EU, die sich – bis auf ein paar Anteile der österreichischen Nationalbank – in öffentlichem Besitz befinden. Die Euro-Finanzminister wählen die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums per Mehrheitsentscheid, die Regierungschefs bestätigen die Wahl. Auch das EU-Parlament darf mitreden. Vergangene Woche lehnten die Abgeordneten die Nominierung des angesehenen Luxemburger Nationalbankpräsidenten Yves Mersch für einen Sitz im EZB-Direktorium ab. Einziger Grund: sein Geschlecht. Sharon Bowles, Vorsitzende des Währungsausschusses: "Wir sind dagegen, dass die mächtigste Institution der EU ausschließlich von Männern geleitet wird." Quelle: dapd
Bank of England (BoE)Die "Old Lady" von der Londoner Threadneedle Street ist die älteste Notenbank der Welt. Doch erst 1997 wurde sie nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in eine – relative – politische Unabhängigkeit entlassen. Der Einfluss der Politik ist geblieben: Der britische Schatzkanzler gibt der Notenbank ein konkretes Inflationsziel von 2,0 Prozent vor. Wird dieses Ziel verfehlt, muss der Notenbankchef dies gegenüber der Regierung rechtfertigen. Quelle: REUTERS
Bank of England (BoE)Am meisten leidet die Unabhängigkeit der BoE aber dadurch, dass sie mit Aufgaben zugeschüttet wird. Die BoE muss sich nicht nur um eine stabile Währung, sondern auch um die Konjunktur und Stabilität des Finanzsektors kümmern, im nächsten Jahr kommt die Bankenaufsicht hinzu. Zudem ist die persönliche Unabhängigkeit mancher Mitglieder im Zentralbankrat fraglich: Ben Broadbent etwa arbeitete vor seiner Zeit bei der BoE jahrelang für Goldman Sachs. Zuvor war schon sein Kollege David Robert Walton, Chefökonom von Goldman Sachs in Europa, Mitglied im Zentralbankrat geworden. Bis Ende August 2012 saß dort zudem mit Adam Posen ein Geldpolitiker, der enge Verbindungen zu Starinvestor George Soros pflegt. Quelle: dpa
Federal Reserve System (Fed)Die amerikanische Fed – ein Hort politischer Unabhängigkeit? Mitnichten. Die unter einem Dach zusammengeschlossenen zwölf regionalen US-Zentralbanken gehören 3000 privaten Instituten, darunter Großbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Die Geldhäuser können direkt bei der Geldpolitik mitmischen, denn sie bestimmen die Direktoren der regionalen Fed-Ableger. Die Direktoren sind an der Wahl der regionalen Fed-Präsidenten beteiligt – und von diesen wiederum sitzen einige im Offenmarktausschuss, dem wichtigsten Gremium der Notenbank, das über die Geldpolitik der USA entscheidet. Der amerikanische Kongress hat der Zentralbank drei Ziele gesetzt, die nicht unbedingt miteinander harmonieren: Die Fed soll die Preise stabil halten, so viele Arbeitsplätze wie möglich garantieren und die Zinsen möglichst niedrig halten. Quelle: REUTERS
Federal Reserve System (Fed)Die Regierung darf den Währungshütern zwar nicht ins Tagesgeschäft hineinreden, aber Zentralbankpräsident Ben Bernanke muss dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort stehen. Sollte es anhaltende Konflikte zwischen Fed und Politik geben, kann der Kongress die Unabhängigkeit der Fed beschneiden. Jüngste Debatten ließen darauf schließen, "dass es breite Unterstützung für Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Fed-Politik nicht zufrieden ist", warnt der renommierte US-Ökonom Martin Feldstein. Die Notenbank stehe vor einem Dilemma: "Strafft sie die Geldpolitik, um die Inflation einzudämmen, riskiert sie Gegenmaßnahmen des Kongresses, die ihr die künftige Inflationsbekämpfung erschweren." Quelle: dapd
Bank of Japan (BoJ)Auf dem Papier ist die BoJ unabhängig, aber der politische Druck steigt. Mittlerweile ist es zur Regel geworden, dass ranghohe japanische Politiker offen drohen, das Notenbankgesetz zu ändern, falls die BoJ ihre Geldpolitik nicht noch stärker lockert. Was die Ankäufe von Fremdwährungen betrifft, um den Auftrieb des Yen abzumildern, handelt die Notenbank bereits im Auftrag der Regierung. Quelle: REUTERS

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Idee von der Unabhängigkeit staatlicher Zentralbanken ein Fall fürs wirtschaftshistorische Seminar ist, dann haben ihn die Regierungen in den vergangenen Tagen erbracht. In Tokio nominierte Regierungschef Shinzo Abe jüngst Kuroda Haruhiko als neuen Chef der japanischen Zentralbank. Kuroda, derzeit noch Präsident der Asiatischen Entwicklungsbank, soll dem bisherigen Chef der Bank von Japan (BoJ), Masaaki Shirakawa, folgen, wenn dieser am 19. März vorzeitig zurücktritt.

Kuroda hat sich als ein vehementer Befürworter einer extrem expansiven Geldpolitik hervor getan, so wie sie Ministerpräsident Abe propagiert. Anlässlich der Anhörung im Tokioter Unterhaus machte Kuroda am Montag deutlich, dass die Notenpresse der BoJ unter seiner Ägide noch schneller rotieren wird. So plant Kuroda, die von Shirakawa für nächstes Jahr angekündigten zusätzlichen Anleihenkäufe aufzustocken und zeitlich vorziehen.

Art und Umfang der derzeitigen Anleihenkäufe, so Kuroda, reichten nicht aus, um das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. Daher werde die BoJ unter seiner Führung auch in den Kauf von Staatspapieren mit sehr langen Laufzeiten einsteigen. Um den Druck auf Kuroda zu erhöhen, machte Abe am Montag deutlich, dass er bereit ist, die Gesetze zu ändern, um die Notenbank de jure unter die Direktive der Regierung zu stellen, falls Kuroda die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt.

Ähnlich schlimm steht es um die Unabhängigkeit der Notenbank in Ungarn. Der rechtskonservative Regierungschef Viktor Orban hat in der vergangenen Woche den Chefposten der Notenbank mit seinem Wirtschaftsminister György Matolcsy besetzt. Der bisherige Notenbankchef Andras Simor, dessen Amtszeit am Wochenende ablief, war der Regierung ein Dorn im Auge, weil er sich unter Berufung auf die Unabhängigkeit der Notenbank gegen Interventionen der Regierung gewehrt hatte. Regierungschef Orban änderte daraufhin kurzerhand die Gesetze. Nun kann er selbst die Führungskräfte der Notenbank ernennen und die Geldpolitik entscheidend beeinflussen. Matolcsy wird die Notenpresse noch schneller rotieren lassen, um die ungarische Konjunktur rechtzeitig vor den Parlamentswahlen 2014 auf Trab zu bringen.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Unabhängigkeit de facto längst verloren. Die Südländer der Euro-Zone haben die Krise genutzt, um die EZB personell zu kapern. Unter der Leitung des Italieners Mario Draghi und seines Stellvertreters, des Portugiesen Vitor Constancio, ist die EZB zu einer Unterabteilung der Finanzministerien der Krisenländer mutiert.

Der Vertreter Deutschlands, Bundesbankchef Jens Weidmann, darf zwar viel erzählen und kritisieren – Einfluss aber hat er in der EZB kaum noch. Durch den Kauf von Staatsanleihen, überdimensionierte Geldspritzen für Geschäftsbanken und die Genehmigung unzureichend besicherter Notkredite für Krisenbanken ist die EZB unter Draghi zum Hauptfinanzier und Büttel der Finanzminister aus den Krisenländern geworden.

Historisch gesehen markiert die Finanzkrise damit das Ende des Zeitalters unabhängiger Zentralbanken. Unterfüttert von der Lehre des Monetarismus glaubten Ökonomen lange, unabhängige staatliche Notenbanken, die auf die Sicherung stabiler Preise verpflichtet sind, seien das beste Arrangement für eine prosperierende Wirtschaft. Mit einer technokratisch ausgerichteten, regelgebundenen Geldpolitik sollten sie zyklischen Schwankungen entgegen wirken und für niedrige Inflation sorgen.

Doch das Modell hat sich als Schönwetter-Veranstaltung entpuppt. Angesichts einer drohenden Depression nach dem Platzen der Immobilienblase und der anschwellenden Staatsschulden haben Politiker und Zentralbanker die Unabhängigkeit und Stabilitätsverpflichtung der Notenbanken auf dem Altar der Krisenbekämpfung geopfert. Auf dem Papier mögen die großen Notenbanken noch unabhängig sein. Auch verweisen sie gern darauf, dass die Preissteigerungsraten, gemessen an den Verbraucherpreisen, im historischen Vergleich noch niedrig sind.

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