




Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass die Idee von der Unabhängigkeit staatlicher Zentralbanken ein Fall fürs wirtschaftshistorische Seminar ist, dann haben ihn die Regierungen in den vergangenen Tagen erbracht. In Tokio nominierte Regierungschef Shinzo Abe jüngst Kuroda Haruhiko als neuen Chef der japanischen Zentralbank. Kuroda, derzeit noch Präsident der Asiatischen Entwicklungsbank, soll dem bisherigen Chef der Bank von Japan (BoJ), Masaaki Shirakawa, folgen, wenn dieser am 19. März vorzeitig zurücktritt.
Kuroda hat sich als ein vehementer Befürworter einer extrem expansiven Geldpolitik hervor getan, so wie sie Ministerpräsident Abe propagiert. Anlässlich der Anhörung im Tokioter Unterhaus machte Kuroda am Montag deutlich, dass die Notenpresse der BoJ unter seiner Ägide noch schneller rotieren wird. So plant Kuroda, die von Shirakawa für nächstes Jahr angekündigten zusätzlichen Anleihenkäufe aufzustocken und zeitlich vorziehen.
Art und Umfang der derzeitigen Anleihenkäufe, so Kuroda, reichten nicht aus, um das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. Daher werde die BoJ unter seiner Führung auch in den Kauf von Staatspapieren mit sehr langen Laufzeiten einsteigen. Um den Druck auf Kuroda zu erhöhen, machte Abe am Montag deutlich, dass er bereit ist, die Gesetze zu ändern, um die Notenbank de jure unter die Direktive der Regierung zu stellen, falls Kuroda die an ihn gestellten Erwartungen nicht erfüllt.
Ähnlich schlimm steht es um die Unabhängigkeit der Notenbank in Ungarn. Der rechtskonservative Regierungschef Viktor Orban hat in der vergangenen Woche den Chefposten der Notenbank mit seinem Wirtschaftsminister György Matolcsy besetzt. Der bisherige Notenbankchef Andras Simor, dessen Amtszeit am Wochenende ablief, war der Regierung ein Dorn im Auge, weil er sich unter Berufung auf die Unabhängigkeit der Notenbank gegen Interventionen der Regierung gewehrt hatte. Regierungschef Orban änderte daraufhin kurzerhand die Gesetze. Nun kann er selbst die Führungskräfte der Notenbank ernennen und die Geldpolitik entscheidend beeinflussen. Matolcsy wird die Notenpresse noch schneller rotieren lassen, um die ungarische Konjunktur rechtzeitig vor den Parlamentswahlen 2014 auf Trab zu bringen.
Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre Unabhängigkeit de facto längst verloren. Die Südländer der Euro-Zone haben die Krise genutzt, um die EZB personell zu kapern. Unter der Leitung des Italieners Mario Draghi und seines Stellvertreters, des Portugiesen Vitor Constancio, ist die EZB zu einer Unterabteilung der Finanzministerien der Krisenländer mutiert.
Der Vertreter Deutschlands, Bundesbankchef Jens Weidmann, darf zwar viel erzählen und kritisieren – Einfluss aber hat er in der EZB kaum noch. Durch den Kauf von Staatsanleihen, überdimensionierte Geldspritzen für Geschäftsbanken und die Genehmigung unzureichend besicherter Notkredite für Krisenbanken ist die EZB unter Draghi zum Hauptfinanzier und Büttel der Finanzminister aus den Krisenländern geworden.
Historisch gesehen markiert die Finanzkrise damit das Ende des Zeitalters unabhängiger Zentralbanken. Unterfüttert von der Lehre des Monetarismus glaubten Ökonomen lange, unabhängige staatliche Notenbanken, die auf die Sicherung stabiler Preise verpflichtet sind, seien das beste Arrangement für eine prosperierende Wirtschaft. Mit einer technokratisch ausgerichteten, regelgebundenen Geldpolitik sollten sie zyklischen Schwankungen entgegen wirken und für niedrige Inflation sorgen.
Doch das Modell hat sich als Schönwetter-Veranstaltung entpuppt. Angesichts einer drohenden Depression nach dem Platzen der Immobilienblase und der anschwellenden Staatsschulden haben Politiker und Zentralbanker die Unabhängigkeit und Stabilitätsverpflichtung der Notenbanken auf dem Altar der Krisenbekämpfung geopfert. Auf dem Papier mögen die großen Notenbanken noch unabhängig sein. Auch verweisen sie gern darauf, dass die Preissteigerungsraten, gemessen an den Verbraucherpreisen, im historischen Vergleich noch niedrig sind.