Wie im Kalten Krieg Nordkorea-Rundfunk sendet kryptische Zahlenreihen

Der nordkoreanische Rundfunk sendet mysteriöse Zahlenreihen. In Südkorea fühlt man sich an die Zeiten erinnert, in denen auf diese Weise verschlüsselte Botschaften an Spione im Nachbarland übermittelt wurden.

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Am Dienstag feuerte Nordkorea drei Raketen in Richtung Japanisches Meer ab. Quelle: dpa

Seoul Es erinnert ein wenig an den Kalten Krieg: Der nordkoreanische Rundfunk hat vergangene Woche minutenlang kryptische Zahlenreihen über den Äther geschickt – gerade so, als wolle Nordkorea seinen Spionen im Nachbarland chiffrierte Botschaften zukommen lassen. Das teilte die südkoreanische Regierung mit.

„Nummer 35 auf Seite 459“ oder „Nummer 55 auf Seite 913“ – ganze 14 Minuten lang verlas eine nordkoreanische Radiosprecherin am Freitag vergangener Woche solche Phrasen. Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium veröffentlichte eine Mitschrift der Sendung. Schon am 24. Juni gab es demnach eine ähnliche Verlautbarung, damals allerdings nur zwei Minuten lang.

Während des Kalten Krieges sendete die Regierung in Pjöngjang Zahlenfolgen über Kurzwelle, um ihren Spionen in Südkorea Aufträge zu erteilen. Das sagten inhaftierte nordkoreanische Agenten aus. Ob Südkorea auch jetzt wieder von solchen verschlüsselten Botschaften ausgeht, war weder von der Regierung noch vom Geheimdienst zu erfahren.

Die Radiosprecherin hatte eine wenig plausible Erklärung für die ungewöhnliche Mitteilung parat: Es handle sich um „Physik-Prüfungsaufgaben der Fernuniversität für die Mitglieder geologischer Exkursionen im ganzen Land“ beziehungsweise um „Mathematik-Übungsaufgaben der Fernuniversität für Mitglieder des Exkursionsteams Nummer 27“.

Einige Experten sehen darin einen Akt der psychologischen Kriegsführung. Der Norden versuche, den südkoreanischen Geheimdienst zu täuschen, sagt Yoo Dongryul vom Korea-Institut für Liberale Demokratie in Seoul. Pjöngjang wolle den Eindruck erwecken, dass es seine Spionageaktivitäten verstärke.

Nach dem Ende des Korea-Kriegs 1953 schickten die beiden Staaten gegenseitig Spione über die schwer bewachte Grenze ins andere Land. Beobachter gehen davon aus, dass die Geheimdienste inzwischen auf weniger riskante Spionagemethoden zurückgreifen, etwa auf Satellitenfotos oder auf das Internet. Allerdings wirft die Regierung in Seoul dem Norden vor, nach wie vor Agenten nach Südkorea zu schleusen – getarnt als Flüchtlinge.

Die Spannungen zwischen den beiden koreanischen Staaten haben sich in jüngster Zeit verschärft. Anfang Juli kündigten die USA und Südkorea an, ein modernes Raketenabwehrsystem in Südkorea zu stationieren. Nordkorea drohte daraufhin mit Vergeltung. Am Dienstag feuerte Nordkorea drei Raketen in Richtung Japanisches Meer ab.

Welchen Zweck Pjöngjang mit den rätselhaften Radiosendungen verfolgt, ist unklar. Politik-Experte Yoo hält es für unwahrscheinlich, dass Nordkorea sich auf eine solch altmodische Kommunikationsmethode verlässt – zumal der südkoreanische Geheimdienst das Code-Muster vermutlich bereits kenne. Seiner Ansicht nach bedient sich Nordkorea inzwischen vielmehr einer modernen Form der sogenannten Steganographie: Dabei werden Botschaften zum Beispiel in Audio- oder Videofiles verborgen, um geheime Informationen zu übermitteln.

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