Wieder Wahl in Österreich Ringen um das Erfolgs-Image

Erneut heißt es Blau gegen Grün: Im wohl letzten Akt der Bundespräsidentenwahl in Österreich müssen beide Kandidaten ein Kunststück vollbringen: ihre Wähler zum dritten Mal motivieren.

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Die politische Debatte in Österreich spielt dem FPÖ-Kandidaten Hofer (r.) in die Hände. Der 72-jährige Van der Bellen (l.) dagegen muss Bedenken wegen seines Gesundheitszustandes zerstreuen. Quelle: AFP

Wien Fußballfan, bei der Krönung einer Weinkönigin und auf einer Kirchweih: Alexander Van der Bellen, Wirtschaftsprofessor und Ex-Grünen-Chef, hat einen Monat vor der erneuten Stichwahl um das Amt des Bundespräsidenten in Österreich viele Fototermine mit leutseligem Charakter. Mit solchen Auftritten will Van der Bellen sein größtes Manko wettmachen. Denn der 72-Jährige gilt manchen als arg kopflastiger Polit-Profi ohne wirklichen Draht zum Bürger.

Bei der ersten Stichwahl am 22. Mai fuhr er zwar Triumphe in Städten wie Graz und Wien ein, auf dem Land zeigten ihm viele Wähler aber die kalte Schulter. Auch Kontrahent Norbert Hofer (45) von der rechtspopulistischen FPÖ rüstet zum dritten Anlauf um das höchste Amt im Staat. Am 2. Oktober fällt die Entscheidung.

„Das sind fast amerikanische Verhältnisse“, befand FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl angesichts des langen Wahlkampfs. Seit neun Monaten ringen FPÖ (Parteifarbe Blau) und Van der Bellen (offiziell unabhängig, aber von den Grünen massiv unterstützt) um den Einzug in die Hofburg.

Am 24. April hatte sich Hofer mit 35 Prozent vor Van der Bellen (21,3 Prozent) für die Stichwahl am 22. Mai qualifiziert. Die hatte Van der Bellen zwar hauchdünn gewonnen, aber wegen Unregelmäßigkeiten bei der Briefwahl muss sie nun wiederholt werden – ein europaweites Novum. Das könnte dazu führen, dass erstmals in der EU ein Rechtspopulist oberster Staats-Repräsentant wird.

Hofer inszeniert sich derweil staatstragend. Als einer der Nationalratspräsidenten besuchte er Slowenien und Kroatien und bekam die Bilder, die er sich wünschte: Mit ihm müsste sich Österreich nicht schämen, war die Botschaft. Ein „Öxit“, ein Ausstieg Österreichs aus der EU, ist kein prominentes Wahlkampfthema der Blauen. Sie wollen das Polterer-Image loswerden, das FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache immer noch anhängt.

Hofer dagegen präsentiert sich nach eigenen Worten als „besonnener Mensch“. Seinen einstigen kecken Spruch „Sie werden sich noch wundern“ – über die mögliche wahre Macht des Staatsoberhaupts – würde er heute so nicht wiederholen. Nichtsdestotrotz plakatiert die FPÖ „Macht braucht Kontrolle“, und setzt auf einen eigenen starken Mann in der Hofburg.


„Er hat wirklich eine herrliche Lunge“

Der 45-jährige gelernte Flugzeugtechniker hat gute Chancen, es diesmal zu schaffen. „Eine neue Chance ist eine bessere Ausgangslage, als einen Sieg noch einmal zu wiederholen“, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Auch die politische Großwetterlage mit den Dauerthemen Asyl, Zuwanderung, Sicherheit spiele der rechten FPÖ in die Hände.

Die größte Gefahr für Hofer seien ausländerfeindliche und menschenverachtende Töne auch aus der zweiten oder dritten Reihe der FPÖ, meint die Expertin. „Das würde die bürgerlichen Wähler verschrecken und sie um das Image Österreichs in der Welt fürchten lassen.“ Die Wähler der konservativen ÖVP, am 22. Mai je zur Hälfte in eines der beiden Lager gewandert, spielten eine wichtige Rolle.

Der 72-jährige Van der Bellen will bewusst alle etwaigen Bedenken wegen seines Alters und seiner Gesundheit zerstreuen. Der sehr intensive Raucher ging mit Journalisten auf eine Bergwanderung und veröffentlichte sogar ein Fitness-Zeugnis. Sein Arzt erklärte, sein Patient sei in einem verblüffend guten Gesundheitszustand. „Er hat wirklich eine herrliche Lunge.“ Ein Vorstoß, der alle im Internet schwirrenden Krebs-Gerüchte aushebeln soll.

Als positives Signal für Van der Bellen gilt die breite finanzielle Unterstützung aus dem Volk. Rund eine Million Euro hat er bisher von Spendern eingesammelt. „Geld hergeben ist in Österreich eher ungewöhnlich“, sagt Stainer-Hämmerle.

Dennoch sehen die Umfragen Hofer knapp vor Van der Bellen. Einfluss auf den Ausgang hat neben den Kampagnen die Arbeit der rot-schwarzen Regierungskoalition. Je unzufriedener die Menschen, desto eher wählen sie Hofer, lautet die allgemein akzeptierte Formel. Um den 6,4 Millionen Wählern die eigene Handlungsfähigkeit zu beweisen, sucht die Regierung noch vor der Wahl die große Bühne: Kanzler Christian Kern (SPÖ) plant einen Asyl-Gipfel mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

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