Seit der Amtsübernahme von Donald Trump zieht sich die USA aus immer mehr internationalen Verträgen zurück. Dabei folgt der US Präsident konsequent seinen Wahlversprechen. Dies ist für einen Politiker eigentlich eine gute Eigenschaft, aber in diesem Fall waren die Versprechen sehr speziell und die Umsetzung sorgt für eine komplette Neuausrichtung der US Außenpolitik, mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die globale Machtbalance.
So geschehen auch in der letzten Woche. US-Präsident Trump erklärte den einseitigen Rückzug der USA aus dem von den Vereinten Nationen abgesegneten gemeinsamen Aktionsplan, den die „P5+1“-Staaten (USA, China, Russland, Frankreich, Großbritannien und Deutschland) nach rund zweijährigen Verhandlungen im Juli 2015 mit dem Iran vereinbart hatten. Mit der Entscheidung hat US Präsident Trump seine aus dem vergangenen Oktober stammende Ankündigung wahrgemacht, den Aktionsplan aufzukündigen, wenn es nicht bis Anfang Mai zu einer substanziellen Härtung des multilateralen Vertragswerks kommen würde.
Der US-Präsident hatte den Atom-Deal bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2016 als „schlechtesten, jemals ausgehandelten Vertrag“ gebrandmarkt, weil er dem Iran ab 2025 die schrittweise Rückkehr zur Produktion hoch angereicherten (und damit waffenfähigen) Urans gestattet, das ballistische Raketenprogramm des Iran unberücksichtigt lässt und er der mit der Überprüfung der iranischen Vertragstreue beauftragten Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) unzureichende Kontrollrechte (insbesondere für Militäranlagen) gewährt.
Diese Punkte sind sicherlich berechtigt und das Abkommen mit dem Iran gilt insgesamt nicht als ideal. Aber es war sicherlich besser, als wenn man kein Kontrollabkommen hätte. Mit dem US-Rückzug geht auch die Wiedereinführung der bis dato ausgesetzten Wirtschaftssanktionen gegen den Iran einher, die im Laufe von 90-180 Tagen wieder ihren vollen Umfang erreichen sollen. Wenig überraschend kam von Seiten Israels und Saudi-Arabiens Applaus für die Entscheidung des US-Präsidenten, während die brüskierten Mitunterzeichnerstaaten des Abkommens das Ausscheren der USA bedauerten (Europa) beziehungsweise mit harschen Worten kritisierten (China, Russland).
Zwar erklärten die Europäer, China, Russland und auch der Iran vorerst im Atom-Deal bleiben zu wollen. Es ist aber keineswegs sicher, dass das Abkommen noch lange Bestand haben wird, insbesondere dann, wenn die USA auf dem Wege von Sekundär-Sanktionen den Druck auf die verbliebenen Vertragspartner intensivieren.
Warum das Iran-Abkommen so wichtig für Deutschland ist
13 Jahre wurde über das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt. Mit am Tisch saßen nicht nur die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats - USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - sondern auch Deutschland. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Kompromiss 2015 als Außenminister mit aushandelte, sprach damals von einem „historischen Erfolg der Diplomatie“. Es war nicht nur für ihn persönlich der größte Erfolg seiner Amtszeit, sondern auch einer der größten diplomatischen Erfolge, an dem Deutschland seit der Wiedervereinigung 1990 mitgewirkt hat.
Deswegen legt sich die Bundesregierung jetzt auch so ins Zeug, um das Abkommen zu retten. Bisher aber ohne zählbaren Erfolg. In Berlin wartet man einigermaßen machtlos darauf, was Trump verkündet.
Die deutsche Wirtschaft hatte große Hoffnungen in das Atomabkommen und die daraus folgende Aussetzung der Sanktionen im Januar 2016 gesetzt. Innerhalb von zwei Jahren erwartete der deutsche Industrie- und Handelskammertag eine Verdoppelung des Handelsvolumens von 2,4 Milliarden Euro (2015) auf fünf Milliarden. Innerhalb von fünf Jahren seien sogar zehn Milliarden Euro möglich, so die Ursprungsprognose.
Die tatsächliche Entwicklung ist zwar weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Tendenz nach oben ist dennoch deutlich erkennbar: Seit Anfang 2016 hat der deutsch-iranische Handel um 42 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro zugelegt.
Die Drohungen Trumps mit einem Ende des Atomabkommens haben aber bereits jetzt negative Auswirkungen. „Diese Risiken gefährden die wieder verbesserten Wirtschaftsbeziehungen deutscher Unternehmen mit dem Iran erheblich“, sagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. „Sollte das Atomabkommen scheitern, würde dies nicht nur die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen treffen, sondern auch das Vertrauen in internationale Vereinbarungen.“
Sollte das Atomabkommen mit dem Iran scheitern, könnte das eine Kettenreaktion der atomaren Aufrüstung auslösen, die auch Europa bedrohen würde. Der Iran könnte dann sein Atomprogramm wieder in Gang setzen und damit auch Saudi-Arabien - neben Israel der mächtigste Gegner des Iran im Nahen Osten - dazu animieren, nach der Bombe zu greifen. Israel hat sie mutmaßlich schon, auch wenn die Regierung das nicht offiziell zugeben würde.
Die nukleare Abschreckung erlebt ohnehin schon seit einigen Jahren eine Renaissance. Alle Atommächte investieren in die Modernisierung ihrer Waffen. Alleine die Ausgaben der USA dafür werden für die nächsten zehn Jahre auf 400 Milliarden US-Dollar (336 Milliarden Euro) geschätzt. Auch in Deutschland sind nach Expertenschätzungen noch etwa 20 Atombomben stationiert, die auf dem Fliegerhorst Büchel in der Vulkaneifel lagern sollen.
Die Iran-Vereinbarung ist übrigens nicht das einzige Atomabkommen, das wackelt. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, gegen das Verbot landgestützter Mittelstreckenraketen zu verstoßen, das im Dezember 30 Jahre alt wurde. Es galt als Startsignal für die nukleare Abrüstung. Platzt es, wäre es ein maasiver Rückschlag für die Bemühungen um eine Reduzierung der Atomwaffen in Europa.
China und Russland erscheinen in dieser Hinsicht deutlich druckresistenter als Europa, das sich – auch angesichts des von den USA angezettelten und weiter einer Lösung harrenden Handelskonfliktes – nun allmählich entscheiden muss, ob es sich wie schon so oft in der Vergangenheit dem Willen der USA beugt oder ob es endlich in geschlossener Formation die Kraft findet, als eigenständiger „Parlamentär“ zum Nukleus eines „New Deals“ zu werden. Die Tür für solche Verhandlungen steht noch für mindestens 90-180 Tage offen und es erscheint dringend geboten, dass Europa in dieser Frage zügig die Versammlungsglocke läutet.
Eine gemeinsame Position der europäischen Länder in der Iran Frage könnte hier insgesamt die Position der USA schwächen. Die politische Unsicherheit wird aber dennoch hoch bleiben. Dies sollte sich weiterhin eher ungünstig auf die Investitionsneigung der Unternehmen auswirken. Zudem ist zu befürchten, dass die politische Unkalkulierbarkeit der USA die internationalen Handelsbeziehungen weiter schwächt, was mittelfristig auch Wachstumsdynamik kosten dürfte. Umso wichtiger wäre es, wenn die Europäer jetzt den Mut zu neuen Verhandlungsinitiativen und zu klaren Positionen finden.