Donald Trump hat nicht die meisten Stimmen erhalten. Doch das ist in den USA auch nicht notwendig. Aufgrund des Wahlsystems hat derjenige die Wahl gewonnen, der die Mehrheit der Wahlmänner auf sich vereint. Und hier liegt Trump haushoch vorn. Sollten die noch immer nicht finalen Ergebnisse von Michigan und New Hampshire bestätigt werden, hat Trump 306 Wahlmänner gewonnen und Hillary Clinton nur 232.
Ein Sieg, der nicht alle Amerikaner begeistert. Seit der Wahl gibt es in den USA jede Nacht Demonstrationen gegen den künftigen Präsidenten, ein bislang einmaliger Vorgang. In seinem Kernteam, das seine Präsidentschaft vorbereiten soll, hat er drei seiner Kinder aufgenommen. Sie sollen aber auch seine Unternehmen während seiner Präsidentschaft leiten, was auf einen ausgeprägten Interessenkonflikt hindeutet.
Ein großer Teil der Zukunftssorgen fußt auf dem Gedanken, dass Trump ein irrationaler Populist ist. Das glaube ich jedoch nicht. Trump mag sehr ungewöhnliche Ansichten haben und sich nicht an übliche Vorgehensweisen halten, jedoch scheint er durchaus rational vorzugehen. Damit dürfte er den zwei wichtigen Zielen von demokratisch gewählten Politikern folgen.
Zum einen, das es den Menschen in seinem Land besser geht, hier spielen die politischen Überzeugungen auch eine wichtige Rolle. Zum anderen: Machterhalt. Da die Präsidentschaft in den USA auf acht Jahre beschränkt ist, geht Letzteres auch damit einher, sich einen angemessenen Platz in den Geschichtsbüchern zu erarbeiten.
Bei diesen zwei Zielen ist noch eine wichtige Nebenbedingung zu beachten. Trump hat mit der Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses die größtmöglichen Gestaltungsmöglichkeiten, dies ist seit 1968 bisher nur in zwölf Jahren der Fall gewesen. Jedoch dürfte diese sehr komfortable Situation nicht lange halten. In der Regel verliert ein amtierender US-Präsident bereits nach zwei Jahren, in den Halbzeitwahlen, seine Mehrheit im Senat. Das Regieren wird dann schwieriger.
Generell gilt die einfache Regel: Für innenpolitische Themen und Budgets braucht der US-Präsident den Kongress, die Außenpolitik kann er größtenteils alleine bestimmen. Somit sollte der Trump die volle Gestaltungsmöglichkeit nutzen und schnell einige Wahlversprechen umsetzen. Insbesondere ein schuldenfinanziertes Wirtschaftsprogramm sollte zeitnah verabschiedet werden. Dieses sollte ab Mitte 2017 bis 2018 einige Wachstumsimpulse geben. Die gesamtwirtschaftlichen Effekte werden jedoch überschaubar bleiben, da sich private Investoren etwas zurückziehen dürften. Die Aussagen zur Einwanderungspolitik werden vermutlich nur teilweise umgesetzt, da ansonsten die notwendigen Arbeitskräfte fehlen.
Trumps wirtschaftspolitische Pläne
Trump will für mehr Wachstum in der US-Wirtschaft sorgen. „Bessere Jobs und höhere Löhne“, lautet eines seiner Kernziele. Der Immobilien-Unternehmer will die Staatsschuldenlast der USA von fast 19 Billionen Dollar abbauen. Er bezeichnet die Schuldenlast als unfair gegenüber der jungen Generation und verspricht: „Wir werden Euch nicht damit alleine lassen“. Defiziten im Staatshaushalt will er ein Ende bereiten.
Trump hat umfangreiche Steuersenkungen sowohl für die Konzerne als auch für Familien und Normalverdiener angekündigt. Er spricht von der größten „Steuer-Revolution“ seit der Reform von Präsident Ronald Reagan in den 1980er Jahren. Wer weniger als 25.000 Dollar im Jahr verdient, soll dank eines Freibetrages künftig gar keine Einkommensteuer mehr zahlen. Den Höchstsatz in der Einkommensteuer will er von momentan 39,6 Prozent auf 33 Prozent kappen. Ursprünglich hatte er eine Absenkung auf 25 Prozent in Aussicht gestellt. Die steuerliche Belastung für Unternehmen will Trump auf 15 Prozent von bislang 35 Prozent vermindern. Das soll US-Firmen im internationalen Wettbewerb stärken. Firmen, die profitable Aktivitäten aus dem Ausland nach Amerika zurückholen, sollen darauf eine Steuerermäßigung erhalten. Die Erbschaftsteuer will der Republikaner ganz abschaffen. Eltern sollen in größerem Umfang Kinderbetreuungs-Ausgaben steuerlich absetzen können.
Trump verspricht, der „größte Job-produzierende Präsident“ der USA zu werden, „den Gott jemals geschaffen hat“. Bereits als Unternehmer habe er Zehntausende neue Stellen geschaffen.
Um amerikanische Arbeitsplätze zu sichern, will Trump die Zölle auf im Ausland hergestellte Produkte anheben und die US-Wirtschaft insgesamt stärker gegen Konkurrenz aus dem Ausland schützen. China, aber auch Mexiko, Japan, Vietnam und Indien wirft Trump beispielsweise vor, die Amerikaner „auszubeuten“, indem sie ihre Währungen zum Schaden von US-Exporten abwerten und manipulieren.
Das angestrebte transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU (TTIP) lehnt Trump ab. Für ihn schadet ein freierer Zugang der Europäer zum US-Markt – vor allem zum staatlichen Beschaffungsmarkt – den amerikanischen Firmen. Das geltende Nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta will er neu verhandeln, die TPP-Handelsvereinbarung mit asiatischen Staaten aufkündigen. Trump setzt generell anstatt auf multilaterale Handelsabkommen, etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation, auf bilaterale Vereinbarungen mit einzelnen Staaten und Wirtschaftsräumen.
Die Handelsbeziehungen zu China, der nach den USA zweitgrößten Wirtschaftsmacht weltweit, will Trump grundlegend überarbeiten. Er wirft der Volksrepublik vor, ihre Währung künstlich zu drücken, um im Handel Vorteile zu erlangen. Er will das Land daher in Verhandlungen zwingen, damit Schluss zu machen. Auch „illegale“ Exportsubventionen soll die Volksrepublik nicht mehr zahlen dürfen. Verstöße gegen internationale Standards in China sollen der Vergangenheit angehören. Mit all diesen Maßnahmen hofft er, Millionen von Arbeitsplätzen in der US-Industrie zurückzugewinnen.
In der Energie- und Klimapolitik hat Trump eine Kehrtwende angekündigt. Er will die USA von den ehrgeizigen Klimaschutzvereinbarungen von Paris abkoppeln, die Umwelt- und Emissionsvorschriften lockern und eine Rückbesinnung auf fossile Energieträger einläuten: „Wir werden die Kohle retten.“ Die umstrittene Fracking-Energiegewinnung sieht Trump positiv.
Trump verspricht der Wirtschaft eine umfassende Vereinfachung bei den staatlichen Vorschriften. Er werde ein Moratorium für jede weitere Regulierung durch die Behörden verhängen, kündigte er an. Trump will Milliarden in die Hand nehmen, um Straßen, Brücken, Flughäfen und Häfen zu bauen und zu modernisieren. Finanzieren will er das unter anderem dadurch, dass die US-Verbündeten einen größeren Teil an den Kosten für Sicherheit und Verteidigung in der Welt übernehmen sollen.
Auch der mittelfristige Wirtschaftsausblick ist mit und ohne Trump nicht vielversprechend. Es zeichnet sich seit Längerem ab, dass die US-Wirtschaft ihren Zenit im aktuellen Konjunkturzyklus überschritten hat. Nun kommt es darauf an, wie stark Trump seine protektionistischen Ansichten umsetzt. Protektionismus ist in einigen Ländern politischer Mainstream geworden. Daher muss man damit rechnen, dass sich eine größere Allianz für einen geringeren Freihandel einsetzten wird.
Es sind weniger ideologische Überzeugungen, die dies vorantreiben. Vielmehr spiegeln sich hier die Ängste der Menschen wider, von der immer schnelllebigen Entwicklung im wirtschaftlichen und sozialen Bereich abgehängt zu werden. Somit dürfte die weltweite Wachstumsdynamik ab 2019 langsam sinken und sich auf ein Niveau von gut 2 Prozent einpendeln - aktuell liegt dies bei rund 2,75 Prozent. Die Inflation dürfte sich sehr moderat weiterentwickeln. Einzig eine zu restriktive Einwanderungspolitik in den USA sollte zu einem kräftigen Anstieg der Löhne führen. Das wiederum würde die Inflation beschleunigen.
Politische Unsicherheiten
Weltpolitisch könnte das ungewöhnliche Verhaltensmuster von Trump eingespielte Strukturen aufbrechen. Damit wird der neue US-Präsident sicherlich nicht den Weltfrieden in Gefahr bringen. Aber viele europäische Überzeugungen, die auf Konsens und dem Ziel des individuellen Machterhalts beruhen, aufbrechen beziehungsweise in Frage stellen.
Die negative Seite hiervon dürfte eine Welle des Populismus sein. Insbesondere in den kommenden Wahlen in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Der Wahlkampf in den USA hat gezeigt, dass man mit einfachen Antworten auf komplexe Fragen die Menschen erreicht. Selbst, wenn die Antworten falsch sind oder die Probleme nicht lösen. Dieses Vorgehen dürfte in den kommenden Wahlkämpfen von einigen Parteien kopiert werden.
Das Problem ist, dass der technische und wirtschaftliche Fortschritt weitergehen wird. Die Unternehmen haben viel Kapital und sind eigentlich einzelnen Regierungen nicht völlig ausgeliefert. Wenn die Politik mittelfristig zu unternehmerfeindlich wird, dürften sich die Strukturen hier verändern. Die Wachstumsdynamik entsteht in Ländern die sich entsprechend aufstellen und nicht in Ländern, die dies verhindern.
Die Zentralbanken werden vermutlich ihren unterschiedlichen Kurs beibehalten. Die US-Notenbank dürfte dem moderaten Zinsanhebungspfad weiter folgen, während die EZB die aktuelle sehr expansive Politik fortführt. Auch britische und die japanische Notenbanken sollten mit ihrer jeweiligen sehr lockeren Geldpolitik ebenfalls fortfahren. Somit sollten die Rentenmärkte bereits einiges der möglichen geldpolitischen Straffung verarbeitet haben und sind auf dem aktuellen Niveau eigentlich nicht mehr teuer. Die Aktienmärkte werden sich voraussichtlich weiterhin moderat freundlich entwickeln. Wobei die merklichen Kursverluste bei Schwellenländern wohl übertrieben sind. Jedoch dürfte in den kommenden Monaten mit wachsender politischer Unsicherheit auch die Volatilität an den Finanzmärkten steigen.
Darum hat Trump gewonnen
Clinton schnitt trotz Trumps frauenfeindlicher Äußerungen in der Wählergruppe deutlich schwächer ab als im Vorfeld erwartet. Zwar erhielt sie von Frauen zwischen 18 und 34 Jahren deutlich mehr Unterstützung als Trump, insgesamt aber betrug ihr Vorsprung bei Frauen mit 49 Prozent nur zwei Prozentpunkte. Zum Vergleich: Der scheidende Präsident Barack Obama schnitt 2012 bei Frauen sieben Prozentpunkte besser ab als sein damaliger Herausforderer.
Clinton kam Umfragen zufolge deutlich besser bei Amerikanern mit spanischen Wurzeln, Afroamerikanern, und Amerikanern mit asiatischen Wurzeln an. Allerdings erhielt sie nicht so viel Rückhalt wie Obama vor vier Jahren, der seine Wiederwahl besonders den Stimmen der Minderheiten verdankte.
Trump punktete besonders bei Wählern ohne College-Ausbildung. Insgesamt betrug sein Vorsprung auf Clinton in dieser Gruppe zwölf Prozentpunkte. Bei weißen Männern ohne höheren Bildungsabschluss schnitt er sogar um 31 Prozentpunkte besser ab, bei weißen Frauen ohne Abschluss waren es 27 Prozentpunkte.
Streng gläubige weiße Amerikaner haben Trump die Treue gehalten - trotz der sexuellen Missbrauchsvorwürfe, die gegen den Milliardär im Wahlkampf erhoben wurden. Etwa 76 Prozent der Evangelikalen gaben an, für Trump gestimmt zu haben.
Clinton tat sich in Ballungsräumen schwer, obwohl dort in der Regel viele Anhänger der Demokraten leben. Ihr Vorsprung auf Trump betrug dort gerade einmal sechs Prozentpunkte. In ländlichen Regionen schnitt Trump dagegen um 27 Prozentpunkte besser ab.
Müssen wir uns Sorgen machen? Ja, aber nur ein wenig.
Trump bringt Unsicherheit in ein gut eingespieltes politisches System, das aber großteils auf Machterhalt zielt. Jedoch kommt dies zu einer Zeit, die von einer großen wirtschaftlichen Fragilität gekennzeichnet ist. Damit besteht die Gefahr, dass rückwärtsgewandte Ansichten mehrheitsfähig werden und die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung behindern. Unternehmen werden sich hierauf mittelfristig einstellen und Investitionsstandorte entsprechend verändern.
Es liegt an uns, welche Gesellschaft wir wollen. Den Fortschritt kann man nicht verhindern, aber lenken. Kurzfristig muss man sich wirtschaftlich dagegen kaum Sorgen machen. Insgesamt wäre es wichtig, dass sich die Regierungen von Trump nicht provozieren lassen und somit auch einer Eskalation vorbeugen. Dies bedingt jedoch eine abgestimmte Position in Europa, was man sich zurzeit nur schwer vorstellen kann.