Wirtschaft wächst wieder Athen pocht auf Schuldenerleichterungen

Nach jahrelangem Siechtum scheint Griechenland wieder auf die Beine zu kommen. Umso nachdrücklicher fordert Alexis Tsipras Schuldenerleichterungen. Der Premier hofft auf Fürsprache von US-Präsident Barack Obama.

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Auch die Konsolidierung der Staatsfinanzen kommt schneller voran als erwartet, bei den Strukturreformen gibt es Fortschritte. Premier Tsipras pocht nun auf Schuldenerleichterungen. Quelle: dpa

Athen Es waren überraschend gute Daten, die Griechenlands staatliches Statistikamt Elstat am Montag veröffentlichte: Von Juli bis September ist die Wirtschaft des Landes gegenüber dem Vorquartal um 0,5 Prozent gewachsen. Das war deutlich mehr als die Analysten erwarteten – sie hatten im Durchschnitt mit 0,2 Prozent gerechnet. Gegenüber dem Sommer 2015 stieg die Wirtschaftsleistung sogar um 1,5 Prozent – das beste Quartalsergebnis seit Beginn der wirtschaftlichen Talfahrt vor acht Jahren. Für 2017 erwartet die EU-Kommission in Griechenland ein kräftiges Wachstum von 2,7 Prozent.

Auch Finanzminister Euklid Tsakalotos überraschte am Montagabend mit guten Zahlen: Er hat seine Sparvorgaben übererfüllt. In den ersten zehn Monaten 2016 erwirtschaftete der Finanzminister im Haushalt einen Primärüberschuss (ohne Schuldendienst) von 6,5 Milliarden Euro – deutlich mehr als die Zielmarke von 1,8 Milliarden. Die Einnahmen lagen Ende Oktober um 1,5 Milliarden über dem Haushaltsplan, die Ausgaben um 3,2 Milliarden darunter.

„Erste positive Signale“ meldete am Dienstag die gewöhnlich nicht zur Euphorie neigende, sondern eher regierungskritische Wirtschaftszeitung „Imerisia“. Das Finanzblatt „Naftemporiki“ titelte, „Mit zwei Trümpfen“ gehe die Regierung in die am Dienstagmorgen im Athener Hilton Hotel wieder aufgenommenen Verhandlungen mit den Vertretern der Gläubiger.

Auch Premier Tsipras glaubt, jetzt gute Karten zu haben. Er will die laufende zweite Prüfung des Anpassungsprogramms bis zum Treffen der Eurogruppe am 5. Dezember abschließen, um dann mit den Geldgebern über Schuldenerleichterungen zu verhandeln. „Die Daten übertreffen alle unsere Erwartungen“, kommentiert ein ranghohes Athener Regierungsmitglied gegenüber dem Handelsblatt. Jetzt komme es darauf an, die Dynamik des Aufschwungs zu stützen – mit Schuldenerleichterungen. „Sie sind die Voraussetzung, das Vertrauen ausländischer Investoren zu gewinnen und das Wirtschaftswachstum nachhaltig anzukurbeln“, erklärt der Regierungspolitiker. Es gebe jetzt „absolut keine Rechtfertigung mehr, das Schuldenthema weiter zu verschleppen“.

Dass Griechenlands Staatsschulden, die nach Berechnungen der EU-Kommission in diesem Jahr auf 181,6 Prozent des BIP ansteigen werden, nicht tragfähig sind, gilt seit langem als ausgemacht – auch wenn die Brüsseler Kommission für 2017 einen Rückgang der Schuldenquote auf 179,1 Prozent prognostiziert. Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert seit Monaten Schuldenerleichterungen für Griechenland und macht seine künftige Teilnahme an dem Hellas-Hilfsprogramm davon abhängig.


Berlin bleibt skeptisch – und bremst lieber

Tsipras hat seine ursprüngliche Forderung, die Gläubiger müssten Griechenland „den Großteil“ der Staatsschulden „erlassen“, längst fallengelassen. Er weiß: Das ist politisch in den Euro-Staaten nicht durchsetzbar. Zur Diskussion stehen jetzt längere Laufzeiten für die bereits gewährten Hilfskredite, zusätzliche tilgungsfreie Jahre, Stundung von Zinsen und ein dauerhaft festgeschriebener niedriger Zinssatz. Finanziell spürbar entlasten würden diese Maßnahmen die Griechen zwar erst ab 2023, wenn die Rückzahlung der Kredite beginnen soll; Schuldenerleichterungen gelten aber als Voraussetzung für eine Aufnahme Griechenlands ins Anleihekaufprogramm (QE) der Europäischen Zentralbank. Eine Schuldenregelung könnte den Weg zu einer Rückkehr des Landes an die Finanzmärkte ebnen und wäre damit auch ein positives Signal an potenzielle Investoren.

Aber vor allem Berlin bremst bisher. In der Bundesregierung weiß man: Schuldenerleichterungen für Griechenland wären im Bundestag derzeit nur schwer durchsetzbar und Wasser auf die Mühlen der AfD. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will die Diskussion deshalb zumindest bis nach der Bundestagswahl vertagen und das Thema möglichst erst nach Abschluss des laufenden Anpassungsprogramms Mitte 2018 auf die Tagesordnung bringen – auch um den Reform- und Spardruck aufrecht zu erhalten.

Aber so lange will Tsipras nicht warten. Der mit schlechten Umfragewerten konfrontierte Premier braucht Erfolge – und als einen solchen könnte er eine Schuldenregelung innenpolitisch verkaufen.

Tsipras habe für Schäubles Bremserrolle „überhaupt kein Verständnis“, heißt es in der Umgebung des Ministerpräsidenten. Den Hinweis auf die Widerstände im Bundestag lässt man in der Villa Maximos, dem Athener Regierungssitz, nicht gelten. „Auch wir haben ein Parlament, das wir von den schwierigen Reformgesetzen überzeugen mussten“, sagt ein Tsipras-Vertrauter. Griechenland habe alle Vorgaben des Anpassungsprogramms verabschiedet und bisher umgesetzt, wie die im Oktober erfolgreich abgeschlossene erste Prüfung zeige. „Jetzt müssen die Gläubiger ihre eigegangenen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ebenfalls erfüllen“, mahnt der Politiker.

Unterstützung erhofft sich Tsipras von Barack Obama. Der US-Präsident traf am Dienstagvormittag zu einem zweitägigen Abschiedsbesuch in Athen ein. In einem Interview mit der Zeitung „Kathimerini“ hatte Obama am vergangenen Wochenende die Gläubiger zu „substanziellen Schuldenerleichterungen“ für Griechenland gedrängt. Tsipras hofft, dass der Gast dies während seines Besuchs wiederholen wird – und, wichtiger noch, auch bei der nächsten Station seiner europäischen Abschiedstournee vorträgt: Am Mittwoch fliegt Obama von Athen nach Berlin. Die Frage ist nur, welches Gewicht das Wort eines scheidenden US-Präsidenten haben wird. Zumal, wenn der Nachfolger Donald Trump heißt.

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