Wirtschaftskrise China in der Krise: Tausende verlieren ihren Job

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Chinas Premierminister Wen Quelle: REUTERS

Zum Teil hat China die Entwicklung sogar forciert. Es wollte die Billigproduzenten ins noch unentwickelte Landesinnere verlagern. Im Osten und Südosten sollten sich stattdessen Unternehmen der High-Tech-Branche ansiedeln – Chinas Unternehmen sollten die Wertschöpfungskette hochklettern, wie es Peking formulierte. Darum strich sie den Billigherstellern Steuervorteile, erließ ein neues Arbeitsgesetz und verschärfte den Umweltschutz.

Doch jetzt geht der Regierung die Entwicklung viel zu schnell. Fast im Wochentakt reisen höchste Parteikader in den Süden, um sich ein Bild von der dramatischen Lage zu machen. Hunderttausende Arbeiter haben bereits ihre Jobs verloren.

Doch nicht nur die Entwicklungen in Chinas Exportindustrie alarmiert die Politik. Beunruhigende Signale kommen auch vom Immobilienmarkt. Wer etwa im Osten Pekings stadtauswärts fährt, kommt vorbei an den zahllosen Neubausiedlungen, die Chinas Immobilienentwickler in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft haben. Kilometer für Kilometer prägen luxuriöse Apartmentblocks die Landschaft. Doch viele der Wohnungen stehen leer.

Eine dieser gesichtslosen Hochhaussiedlungen ist Guomei Nummer eins. 18 graue Blocks, keiner mit weniger als 20 Etagen, hat die Firma Guomei Property vor zwei Jahren fertiggestellt. Damals kostete der Quadratmeter zwischen 500 und 600 Euro. Viele Pekinger griffen auch noch zu, als der Quadratmeterpreis im vergangenen Jahr auf mehr als 1400 Euro stieg. Die meisten Käufer ließen ihre Wohnungen leer stehen, in der Absicht, sie ein paar Jahre später mit ordentlichem Profit zu verkaufen.

Zwischen 10 und 20 Prozent sind Immobilienpreise in China gefallen

Doch mit ihrem Engagement in Guomei Nummer eins wurden viele Käufer bitter enttäuscht. Seit Anfang des Jahres fallen die Preise. „Derzeit“, sagt der örtliche Immobilienmakler Chong Heng von der Agentur Wanya, „verlangen die Eigentümer etwa 1000 Euro für einen Quadratmeter.“ „Aber es finden sich keine Käufer“, so Chong, „die Preise dürften weiter fallen. Viele Eigentümer sind nervös.“

Zwischen 10 und 20 Prozent sind die Immobilienpreise in den großen Ballungszentren im Osten Chinas in den vergangenen Monaten gefallen. Deutsche-Bank-Ökonom Ma etwa rechnet für das kommende Jahr mit einem weiteren Absturz der Immobilienpreise um 20 bis 30 Prozent. Eine Ursache des rasanten Abschwungs: „Dass wir neben den Auswirkungen der Finanzkrise in China auch noch eine hausgemachte Immobilienkrise haben, sorgt für die starke Verlangsamung des Wachstums“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer (EUCCC) in China.

Der Einbruch des Immobilienmarktes hat auch weitreichende Folgen für andere Branchen der chinesischen Wirtschaft. So verzeichnen etwa Zement-, Glas- und Stahlhersteller landesweit stark rückläufige Aufträge. Allein die Hälfte der chinesischen Stahlproduktion ging bislang in den Bau von Wohnungen, Häusern und Büros. Zu spüren bekommen die Krise Schwerindustrie-Regionen wie der Kreis Wenxi im Süden der Kohleprovinz Shanxi im Norden. Gut 370.000 Einwohner hat der Kreis. Die meisten leben von der Stahlhütte der Shanxi Haixin Iron Steel Group, einem der größten Stahlhersteller Chinas, und von den vielen Glas- und Magnesiumfabriken in der Region. Doch seit September hat Haixin die Stahlproduktion kontinuierlich heruntergefahren.

Ein Angestellter berichtet, jeder zehnte der rund 13.000 Arbeiter der Stahlhütte sei bereits vor die Tür gesetzt worden. Ein Teil der Beschäftigten, denen das Management noch nicht gekündigt hat, berichtet der Arbeiter, komme zwar noch jeden Tag in die Stahlhütte. Doch die meiste Zeit säßen sie herum, Arbeit gebe es nicht mehr. In Internetforen lassen die Arbeiter ihrer Wut freien Lauf: Haixin ist seit zwei Monaten mit den Löhnen im Rückstand. Ähnlich trostlos ist das Bild in der Glasindustrie des Kreises Wenxi. Arbeiter erzählen, von den rund 100 Fabriken produzierten nur noch zwei. „Die Zahl der Arbeitslosen steigt schnell, Überfälle und Diebstähle nehmen zu“, sagt ein Arbeiter.

Zunehmend unruhig wird es auch im Südosten Chinas, dort wo die Billigproduzenten des Landes sitzen. Als beispielsweise der von Hongkonger Investoren betriebene Spielzeughersteller Kaida Toys kürzlich mehrere Hundert Arbeiter entließ, verlangten diese eine Entschädigung. Als das Unternehmen zunächst nicht zahlen wollte, zertrümmerten die aufgebrachten Arbeiter in den Büros der Firma Computer und Fenster, dann kam es zu Zusammenstößen mit rund 1000 Polizisten. Am Ende knickte das Management ein und zahlte.

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