Wirtschaftskrise China in der Krise: Tausende verlieren ihren Job

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Vorgänge wie diese bringen die Regierung in Peking in höchste Not. Denn bislang gründete sie ihre Legitimität darauf, die 1,3 Milliarden Chinesen mit kontinuierlich wachsendem Wohlstand zu versorgen. Die Menschen bekamen Kleidung, Kühlschränke und Autos. Im Gegenzug  ließen sie die Herrscher in Ruhe. Funktioniert dieser Deal nicht mehr, könnte die Partei schnell in Bedrängnis geraten.

„Faktoren, welche der sozialen Stabilität schaden, werden zunehmen“, warnte Premierminister Wen Jiabao darum kürzlich bereits im Parteiblatt „Qiushi“. Zhou Tian-yong, Wissenschaftler an der Zentralen Parteischule in Peking, fürchtet eine dramatische Zunahme von Diebstählen und Überfällen und sieht bereits die soziale Stabilität des Landes bedroht. Die Arbeitslosigkeit in den Städten, so Zhou, könnte im kommenden Jahr 14 Prozent erreichen und zu breitflächigen sozialen Unruhen führen. Damit steht China vor der wohl größten Herausforderung seit Deng Xiaoping vor 30 Jahren das von der Kulturrevolution verwüstete Riesenreich zur Außenwelt öffnete und mit seinen weitreichenden Wirtschaftsreformen dem späteren Wachstumswunder den Weg ebnete.

Aus Angst, die Wirtschaftskrise könnte das ganze System zum Einsturz bringen, greift in Peking die Panik um sich. Kaum eine Woche vergeht, in der die Regierung nicht neue Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur ankündigt. Für mehr als 450 Milliarden Euro will die Regierung in den kommenden Jahren neue Flughäfen, Eisenbahnlinien und Straßen bauen lassen.

Auch ausländische Unternehmen werden in China immer nervöser

Viermal hat die Zentralbank in den vergangenen zwei Monaten die Zinsen gesenkt, zuletzt um mehr als einen Prozentpunkt. Darüber hinaus haben die Behörden die Quoten für die Kreditvergabe gelockert. Käufer von Immobilien müssen außerdem seit Kurzem nicht mehr 30, sondern nur noch 20 Prozent der Kaufsumme bar anzahlen. Außerdem soll mit staatlichem Geld günstiger Wohnraum geschaffen werden und die Gesundheitsversorgung auf dem Land verbessert werden.

Doch ob die Maßnahmen den gewünschten Effekt bringen, ist fraglich. Nur etwa ein Viertel des Konjunkturprogramms will die Regierung aus dem Staatshaushalt finanzieren. Den Rest sollen Staatsbetriebe, Lokalregierungen und Banken über eine erhöhte Kreditvergabe beisteuern. Dazu kommt: Ein Teil der Infrastrukturvorhaben war ohnehin geplant und wird nun lediglich vorgezogen. Außerdem brauchen viele Projekte Zeit, um ihre Wirkung zu entfalten. Auch haben Experten Zweifel, ob die lockere Geldpolitik der Zentralbank geeignet ist, die erschlaffende Konjunktur wieder in Schwung zu bringen. „Die Lockerung der Kreditbedingungen verpufft in Zeiten schwacher Aktienmärkte und fallender Immobilienpreise weitgehend wirkungslos“, urteilt Jan Amrit Poser, Chefökonom bei Sarasin in Zürich.

Fast alle Maßnahmen der Behörden zielen darauf ab, Chinas einseitige Abhängigkeit von der Exportwirtschaft zu verringern und den Binnenkonsum zu stärken. Doch eine wesentliche Stütze der Konjunktur dürfte der private Konsum auf mittlere Sicht nicht werden – auch weil trotz jahrelanger Planungen noch immer eine funktionierende Sozialversicherung fehlt. Unter anderem aus Angst, beispielsweise die Arztrechnung nicht zahlen zu können, wenn ihre Kinder etwa an Melamin-verseuchter Milch erkranken, sparen die Chinesen immer noch jeden zweiten Yuan. Chinas Wirtschaft bleibt extrem anfällig für externe Schocks.

Angesichts der zunehmenden Krisenzeichen werden auch die ausländischen Unternehmen im Reich der Mitte mit jedem Tag nervöser. „Bis auf die Firmen, die ihr Geld mit Infrastrukturprojekten verdienen, merken alle einen rapiden Einbruch des Geschäfts“, sagt EUCCC-Präsident Wuttke. Der Volkswagen-Konzern etwa, der sich bislang über jährliche Absatzzuwächse nahe 20 Prozent freuen konnte, rechnet für 2009 mit einer Stagnation des Pkw-Verkaufs. Auch bei der Konzerntochter Audi sind die Erwartungen gedämpft. So sollte in dem neuen 120 Millionen Euro teuren Werk in Changchun ursprünglich in erster Linie der neue Geländewagen Q5 gebaut werden. Doch jetzt wollen die Deutschen im kommenden Jahr erst mal den kleineren A4 produzieren. Die Zeiten für große Autos sind auch im erfolgsverwöhnten China erst mal vorbei.

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