
Man sollte nicht der Versuchung erliegen, Davos für die Welt zu halten. Das tun an diesen vier bemerkenswerten Tagen in Davos ohnehin schon zu viele, die sich in aller Regel dann auch als den Mittelpunkt selbiger wähnen. Und doch lassen diese vier Tage einen Schluss darüber zu, wie es um die Wirtschaftswelt steht. Wo hat man schließlich sonst so ziemlich alle, die in dieser etwas zu melden und gestalten haben, so lange auf so engem Raum?
Nimmt man also dieses Davos, um der Wirtschaftswelt gewissermaßen den Puls zu fühlen, dann ergibt sich eine aufreibende, aber immerhin nicht hoffnungslose Diagnose. „Selten“, stöhnt eine Teilnehmerin aus dem Führungskreis einer großen Beratungsgesellschaft, „war Davos inhaltlich so unfokussiert. Aber selten waren die Leute hier so wissbegierig.“ Was vermutlich irgendwie miteinander zu tun hat.
Erschlagen von einer gefühlten Unendlichkeit komplexer Krisen, gestanden selbst überzeugte Alpha-Tierchen mitunter ihre Ratlosigkeit ein. Was angesichts der Knackpunkte, die Unternehmens- und Polit-Manager in den nächsten Monaten in Atem halten werden, nicht verwundert:
1. Flüchtlinge
Es ist kein originär wirtschaftliches Thema und hing doch über Davos wie sonst allenfalls das China-Chaos: Während die allermeisten Manager und Ökonomen letzteres aber für beherrschbar und vorübergehend halten, ist die Flüchtlingsfrage der größte Unsicherheitsfaktor der Wirtschaftswelt. So benannte es nicht nur eine Umfrage des Weltwirtschaftsforums unter den 2500 teilnehmenden Führungskräften. So zog es sich auch durch nahezu alle Podien und Abendveranstaltungen.
Thomas Friedman, Kolumnist der New York Times, bringt die ganze Grundsätzlichkeit des Problems auf den Punkt: „Die Welt teilt sich heute in zwei Teile: Ein Welt der Ordnung und eine Welt des Chaos. Und was wir sehen, ist, dass immer mehr Menschen in die Welt der Ordnung wollen.“
Und William Swing, Generalsekretär der Internationalen Migrations-Organisation, sagt folgerichtig: „Wir müssen uns davon verabschieden, dass Flüchtlingszahlen statisch sind. In einer nicht-linearen Welt wird das ein Dauerthema bleiben. Das hört nicht bei einer oder zwei Millionen auf.“
Was wir leider auch sehen: Dass das ungeahnte Folgewirkungen hat und niemand eine Lösung.
Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Während Deutschland im Vorjahr noch auf Rang sechs lag, schafft es die Bundesrepublik in diesem Jahr nur noch auf den zehnten Platz. Der mitteleuropäische Staat steht 2015 vor vielen Herausforderungen. Dazu gehört der Druck, die Energiewende zu meistern, die digitale Transformation der Industrie voranzutreiben und private und öffentliche Investitionen zu fördern.
Bauen kann Deutschland auf seine hoch qualifizierten Arbeitskräfte und eine Politik der Stabilität und Vorhersehbarkeit.
Schweden fällt im Vergleich zu 2014 um vier Ränge von Platz fünf auf Platz neun. Das nordeuropäische Königreich kann besonders mit qualifizierten Arbeitskräften, den stabilen politischen Verhältnissen, einem wirksamen Rechtssystem und einem starken Fokus auf Forschung und Entwicklung glänzen. Auch das Bildungsniveau ist sehr hoch und die Infrastruktur sehr verlässlich.
Auch Dänemark konnte sich im Vergleich zum Vorjahr verbessern, von Platz neun geht es hoch auf Platz acht. Gut schneidet das nordeuropäische Königreich bei Managementpraktiken, Gesundheit und Umwelt sowie Arbeitsstandards ab. Auf dem ersten Rang landet Dänemark in der Kategorie der Regierungseffizienz gleich fünf Mal, denn es zeichnet sich nicht nur durch eine besonders große Rechtstaatlichkeit aus, sondern auch dadurch, dass Bestechung und Korruption kaum eine Chance haben.
Norwegen kann im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von drei Plätzen verzeichnen und landet damit auf dem siebten Platz. Die skandinavische Halbinsel kann vor allem mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aufwarten, mit denen sie im internationalen Vergleich auf Platz eins landet. Weitere Faktoren, mit denen Norwegen punkten kann, sind im Bereich der Regierungseffizienz zu finden. Chancengleichheit, Transparenz sowie Rechtstaatlichkeit sind nur einige der besonders effektiven Maßnahmen der öffentlichen Hand.
Für Luxemburg ging es von Platz elf im Jahr 2014 hoch auf Platz sechs. Sehr gut schneidet das Großherzogtum im Bereich der politischen Stabilität, der wettbewerbsfähigen Besteuerung, des unternehmerfreundlichen Umfeldes und der qualifizierten Arbeitskräfte ab.
Kanada hat es in diesem Jahr auf Platz fünf geschafft. Im Vorjahr landete der nordamerikanische Staat noch auf Platz sieben des IMD World Competitiveness Ranking. Die gute Platzierung hat Kanada vor allem der Stabilität und Vorhersehbarkeit in der Politik, dem hohen Bildungsniveau, qualifizierten Arbeitskräften und einem wirksamen Rechtssystem zu verdanken. Ganz gut schneidet Kanada auch aufgrund einer unternehmerfreundlichen Umgebung und einer offenen und positiven Haltung ab.
Der vierte Platz geht in diesem Jahr an die Schweiz. Unternehmen aus aller Welt wissen vor allem die sehr gute Infrastruktur des kleinen Alpenstaates zu schätzen. Die hohe Bildung und der Umweltschutz landen gar im Vergleich zu 2014 nicht mehr nur auf Platz drei, sondern gleich auf der Eins. Auch die robuste Wirtschaft, Arbeitsstandards, geringe Entlassungs- sowie Kapitalkosten sind im internationalen Vergleich so gut wie unschlagbar.
Unter die ersten drei schafft es in diesem - wie auch schon im vergangenen Jahr - der Insel- und Stadtstaat Singapur. Besonders punkten konnte das asiatische Land bei Unternehmen in diesem Jahr mit seinem institutionellen Rahmen, der im weltweiten Vergleich auf Rang eins landet. Außerdem liegt Singapur bei der technologischen Infrastruktur sowie der Bildung ganz weit vorne.
Platz zwei geht an die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong. Im Vergleich zum Vorjahr hat die chinesische Metropole zwei Plätze gut gemacht. Unternehmen aus aller Welt schätzen Hongkong insbesondere aufgrund der betriebswirtschaftlichen Gesetzgebung, der Managementpraktiken, der unternehmerischen Einstellungen und Werte und der technologischen Infrastruktur. Ganz gut steht Hongkong auch bei internationalen Investitionen, der Fiskalpolitik und bei den Betriebsfinanzen da.
Die wettbewerbsfähigste Volkswirtschaft der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Das hat das IMD World Competitiveness Center in seiner aktuellen Vergleichsstudie bekannt gegeben.
Besonders attraktiv finden Firmen in den USA - laut Ranking - die dynamische Wirtschaft (66,2 Prozent), den guten Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten (55,1 Prozent), den starken Fokus auf Forschung und Entwicklung (49,3 Prozent) sowie das unternehmensfreundliche Umfeld (43,4 Prozent).
Punkten können die USA zudem als attraktiver Forschungsstandort. Nachholbedarf gibt es im Bereich der Schulbildung.
Was Davos dazu einfiel? Den anwesenden Politikern eine neue Betonung ihrer alten Positionen. Den anwesenden Ökonomen die rational richtige Feststellung, dass Zuwanderung ökonomisch noch immer sinnvoll gewesen sei, bei gleichbleibender Ideenlosigkeit, wie auf irrationale Ängste zu reagieren sei. Und bei den anwesenden Managern? Auf den Fluren tuscheln, auf den Podien ausschweigend. Keiner, wirklich keiner, der das Thema beherzt zu seinem gemacht hätte.
Wohin das führt? Hoffentlich nicht dorthin, was der amerikanische Investor Anthony Scaramucci von SkyBridge Capital leicht schaudernd sagt: „Es ist schon auffällig, dass der Nationalismus in Europa wieder aufkommt, wo kaum noch Zeugen der letzten Weltkriege leben. Es gab das schon mal, dass nach einer langen Generation Frieden zwischen 1815 und 1914 der Krieg aufschnappte, nachdem mit den letzten Kriegsopfern auch die letzten Erinnerungen gestorben waren. Es ist unsere Aufgabe, durch Überzeugen und Probleme lösen, diese Parallele zu verhindern.“
Immerhin der ehemalige Bundesbankpräsident und heutige UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber glaubt, dass das noch gelingen könnte: „Verpassen Sie niemals eine große Krise“, sagt Weber. „Die Flüchtlingskrise ist ein guter Anlass für Europa, unerledigte Aufgaben der letzten zehn Jahre nachzuholen: mehr Integration für Euro Staaten, mehr Flexibilität für nicht-Euro-Staaten.“