Um die einstige Machtfülle von Staatsgründer Mao Zedong zu verstehen, muss man seine Kampagne gegen Spatzen kennen. Im Sommer 1957 befahl Mao seinen Bürgern, alle Spatzen des Landes zu töten, damit diese nicht mehr die ausgeworfene Saat fressen konnten. Keine Spatzen müssten zu einer besseren Ernte führen, dachte der Diktator. Die Menschen hetzten die Tiere darauf so lange am Himmel umher, bis diese vor Erschöpfung tot zu Boden fielen. In den folgenden Jahren erlebte die Volksrepublik eine grausame Hungersnot, da die Spatzen fehlten, um die Getreideschädlinge zu fressen.
Die neuen starken Männer in China
Nach fünf Jahren im Amt der einflussreichste Parteichef seit Staatsgründer Mao Tsetung. Pragmatismus und Wirtschaftsreformen spielen unter dem 64-Jährigen nicht mehr so eine große Rolle, dafür die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei.
Kümmert sich als Premierminister vor allem um die Wirtschaft, musste aber viel Macht an den Präsidenten abgeben. Der 62-Jährige galt im Frühjahr noch als Wackelkandidat, weil er einer anderen politischen Strömung als Xi Jinping angehört.
Einer der engsten Verbündeten und langjähriger Weggefährte von Xi Jinping. Der 67-Jährige ist derzeit Stabschef des Präsidenten und wurde schon oft mit diplomatischen Missionen im Ausland betraut. Er soll möglicherweise Parlamentspräsident werden
Der 62 Jahre alte Vizepremier ist versiert in Wirtschafts- und Handelsfragen. Er ist das einzige neue Mitglied im Ständigen Ausschuss, das kein enger Vertrauter von Präsident Xi Jinping ist. Er wird dem Lager von Premierminister Li Keqiang zugeordnet.
Der Denker. Der 62-jährige diente drei Präsidenten als Berater und hat ein enges Verhältnis zu Xi Jinping entwickelt. Vermutlich steckt er hinter dessen Idee vom „chinesischen Traum“. Er wird Propaganda, Ideologie und Parteiorganisation verantworten.
Organisationschef der Partei. Als ehemaliger Parteichef von Shaanxi?, der Heimatprovinz von Xi Jinping, werden dem 60-Jährigen enge Verbindungen zum Präsidenten nachgesagt. Er wird das Amt des obersten Korruptionsbekämpfers übernehmen.
Arbeitete als Bürgermeister von Shanghai eng mit Xi Jinping zusammen, als der vor zehn Jahren Parteivorsitzender in der Metropole war. Ist heute selbst Parteichef Shanghais. Der 63-Jährige könnte neuer Vorsitzender der beratenden Konsultativkonferenz werden.
60 Jahre später hilft die Anekdote nicht nur, Mao Zedongs Herrschaftszeit zu verstehen. Sie wird mit Xi Jinpings zweiter Amtszeit aktueller denn je. Denn diese Woche hat die Kommunistische Partei Generalsekretär Xi mit der gleichen Machtfülle ausgestattet wie einst Chinas Staatsgründer. Die Anekdote zeigt, wohin sich China in den kommenden Jahren entwickeln könnte. Xis Wille ist nun Gesetz. Für die Wirtschaft ist das keine gute Nachricht.
Als Xi vor fünf Jahren zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei Chinas ernannt wurde, galt er als Hoffnungsträger. Viele Beobachter erwarteten von dem heute 64-Jährigen wirtschaftliche Reformen, die Verschlankung der aufgeblähten Staatsbetriebe und die Privatisierung wichtiger Industrien, die immer noch von Firmen in Staatshand dominiert werden.
Doch während Xi noch als Chef auf Provinzebene für marktwirtschaftliche Reformen gekämpft und Privatunternehmen gefördert hatte, blieben die Erwartungen an ihn unerfüllt. Staatsunternehmen wurden nicht gesundgeschrumpft, sondern zu Giganten verschmolzen, Überkapazitäten weiter erhöht und die Situation für ausländische Unternehmen erschwert. Mehr Marktzugang: Fehlanzeige.
Dabei wären Reformen gerade jetzt wichtig. Um das Wachstum weiter bei rund 6,5 Prozent zu halten, hat China in den vergangenen Jahren gewaltige Schulden angehäuft. Diese sind inzwischen laut des Merics Instituts auf 328 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geklettert. „Bis jetzt ist das Risiko einer plötzlichen Marktpanik dadurch begrenzt, dass die Kommunistische Partei nahezu alle Bereiche des Finanzsystems kontrolliert“, schreibt Victor Shih, Professor für politische Ökonomie an der Universität San Diego in einer aktuellen Risikoanalyse für das Merics Institut.
Doch die Kombination aus Kapitalflucht und plötzlichen Kreditrückforderungen internationaler Geldgeber könnte Chinas Finanzsystem ins Wanken bringen. „Chinas größte Verwundbarkeit liegt in den schrumpfenden Devisenreserven und steigender Auslandsverschuldung.“ Diese Faktoren könnten eine massive Abwertung des Yuan, Zahlungsausfälle und einen dramatischen Preisverfall chinesischer Vermögenswerte zur Folge haben, so der Experte.