Zehn Tage im 'Islamischen Staat' "Wenn der IS Islam ist, ist der Ku-Klux-Klan das Christentum"

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„Die absurde pseudo-religiöse Ideologie des IS widerlegen“

Wie steht es um die Strategie des Westens in der Auseinandersetzung mit dem IS?

Fast alles daran ist falsch. Unsere Politiker haben nach mehr als 14 Jahren gescheiterter Anti-Terror-Kriegs-Politik nichts dazu gelernt. Terrorismus ist eine Ideologie, die man nicht erschießen oder wegbomben kann. Man muss sie widerlegen und ihr den Nährboden entziehen. Ihr Nährboden, das sind unsere Kriege und unsere Ungerechtigkeiten. Unsere Bomben-Kriege der letzten 14 Jahre waren am Ende Terror-Zuchtprogramme.

Al Qaida saß vor 14 Jahren noch versteckt in den Höhlen Afghanistans. Heute beherrscht der IS einen Terrorstaat so groß wie Großbritannien. Vor dem Afghanistankrieg gab es weniger als 1000 internationale Terroristen. Heute sind es über 100.000.

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Und was wäre Ihre Strategie gegen den IS?

Der IS muss an mehreren Fronten bekämpft werden. Die erste ist die politisch-militärische Front vor Ort. In Syrien und im Irak. Der IS muss dort vor allem von der sunnitischen Bevölkerung besiegt und vertrieben werden. Es würde letztlich wahrscheinlich ausreichen, dass ihm die Bevölkerung ihre Unterstützung entzieht. Wie schon einmal 2007 im Irak. Für hunderte Millionen amerikanischer Dollar übrigens.

Wir müssen daher politischen Druck auf die dortigen überwiegend schiitisch geprägten Regierungen ausüben, damit sie die Sunniten angemessen an der Macht beteiligen und nicht mehr diskriminieren oder vernachlässigen.

In Syrien wird das leichter sein als im Irak, da in Syrien rund 70 Prozent der IS-Kämpfer Ausländer sind, die von der Bevölkerung meist nicht akzeptiert werden. Im Irak sind nur 30 Prozent der IS-Kämpfer Ausländer.

Die zweite Front ist die ideologische Front. Wir müssen die teilweise absurde pseudo-religiöse Ideologie des IS widerlegen und dem IS den argumentativen Nährboden entziehen. Dieser Nährboden sind unsere Kriege und die Ungerechtigkeit gegenüber den Muslimen im Mittleren Osten und bei uns im Westen.

Die kurdischen Kämpfer im Überblick

Wir müssen dafür sorgen, dass dem IS dadurch der menschliche Nachschub ausgeht. Muslime, die bei uns gut behandelt werden und sehen, dass wir auch die muslimische Welt fair - als Partner nämlich und nicht nur als Tankstelle für unser Öl et cetera - behandeln, wandern nicht in den Islamischen Staat aus. Vor allem wenn sie realisieren, wie der IS den Koran verdreht und vergewaltigt.

Erst wenn wir aufhören, den Mittleren Osten zu bombardieren und aufhören, dort korrupte, von uns abhängige Satellitenstaaten zu schaffen, die ihr Volk ausbeuten, erst dann wird der IS seine Basis verlieren. Terrorismus braucht Ungerechtigkeit als raison d’être. Für jedes in Tikrit, Mosul oder Ramadi von uns totgebombte irakische Kind stehen daher 100 neue IS-Terroristen auf.

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