Noch keine 100 Tage im Amt hat sich Joe Biden in Europa eine stattliche Fangemeinde aufgebaut. Endlich wieder ein US-Präsident, der den Alten Kontinent versteht. Einer, der global denkt und lange blockierte Projekte wie die weltweite Mindeststeuer anschiebt.
Europäische Politiker irren aber, wenn sie glauben, dass Biden das Erbe seines Vorgängers Donald Trump breit tilgen wird. Die Zeichen mehren sich, dass in Washington vieles beim Alten bleibt, etwa die hohen Zölle auf Stahl. Auch beim Streitthema Boeing/Airbus ist die Auseinandersetzung nur vorübergehend ausgesetzt. Und die US-Handelsbeauftragte hat ihrem EU-Kollegen bereits zu verstehen gegeben, dass ein generelles Zurück zum Status vor Trump nicht zu erwarten sei. Erst im Juni findet sie Zeit für einen Termin mit dem Europäischen Parlament – noch ein Signal, dass die transatlantischen Beziehungen nicht ganz so weit oben auf ihrer Prioritätenliste stehen, wie sich das die Europäer erhoffen.
Europa darf in Sachen Handel nicht naiv sein. Hinter einem konzilianteren Ton verbergen sich auch unter Joe Biden knallharte Interessen. Europa muss seine eigenen Ziele deshalb ebenso klar definieren – und dann entsprechend entschlossen verfolgen.
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