Zivilschutzkonzept S.O.S. – auch andere Länder planen den Notfall

Thomas de Maizière erntet Spott für seinen Zivilschutzplan und die empfohlenen Hamsterkäufe für den Notfall – auch im Ausland. Dabei haben auch andere Länder ein Zivilschutzkonzept in der Schublade. Ein Streiflicht.

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Im Notfall haben viele Länder Anweisungen für die Bevölkerung.

Düsseldorf, London, Madrid, Moskau, Stockholm Thomas de Maizière kommt gerade nicht gut weg. Das liegt auch am Zivilschutzkonzept des Innenministers, jenem Plan für die Bevölkerung, falls Terror, Cyber-Attacken, Krieg oder anderer Notstand über Deutschland hereinbrechen sollte. Tatsächlich hatte de Maizière in den vergangenen Monaten immer wieder vor Anschlägen auch in Deutschland gewarnt. Am Mittwoch sprach er von möglichen Angriffen auf die Stromversorgung. Auch deshalb nun dieser Plan.

Er enthält einige Empfehlungen der Regierung, zum Beispiel die Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln oder Medizin. Außerdem geht es um eine „minimale Daseinsvorsorge“ etwa bei der Bargeldversorgung. Spott zog sich der Innenminister vor allem durch die empfohlenen Hamsterkäufe zu – auch im Ausland.

Großbritannien

In Großbritannien spielt das Thema Sicherheit eine große Rolle. Auf den Straßen hängt an fast jeder Hausecke eine Überwachungskamera, auf dem Asphalt stehen Hinweise, in welche Richtung man beim Überqueren der Straße schauen muss und selbst in Privathäusern sucht man im Badezimmer vergeblich nach Steckdosen für den Föhn – aus Sicherheitsgründen.

Auch was das Thema Terrorismus angeht, sind die Briten Experten, nicht zuletzt, seitdem vier Selbstmordattentäter bei einer Anschlagserie in U-Bahnen und Bussen in London vor elf Jahren 52 Menschen getötet hatten. Aktuell ist die Bedrohungslage „sowohl durch internationalen Terrorismus, als auch durch Terrorismus in Bezug auf Irland ernst“, warnt die Regierung. Nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes MI5 ist das Gefährdungsniveau auf Stufe 4 der bis 5 reichenden Skala. Das heißt, ein Angriff durch internationale Terroristen in Großbritannien „ist sehr wahrscheinlich“.

Für den Fall eines solchen Anschlags – oder anderer Notfallsituationen wie etwa Überschwemmungen – stehen den Briten auf Websiten der Regierung detaillierte Informationen zur Verfügung: Angaben zu notwendigen Versicherungen, die Empfehlung zur Erarbeitung eines individuellen Notfallplans, einer Kontaktliste und einer „Grabbeltasche“: Am besten ein Rollkoffer, den man beim Verlassen des Hauses schnell schnappen könne, so heißt es in den Anweisungen. Darin unter anderem: Erste-Hilfe-Ausrüstung, wichtige Dokumente, verschreibungspflichtige Medikamente, Kreditkarten, eine Taschenlampe, Starthilfekabel, einen Schlafsack, Decken sowie Getränke und Lebensmittel für drei Tage.

Eine konkrete Einkaufsliste ist nicht enthalten. Und im Gegensatz zu den deutschen Vorschlägen gibt es keine Hinweise darauf, dass man sich in seinem Zuhause verschanzen sollte. Der viel zitierte Spruch „My home is my castle“ gilt in Großbritannien offensichtlich nicht für den Notfall.

Kerstin Leitel, London


Schweden: Geht nicht so weit wie Deutschland

In Schweden hat der Zivilschutzplan von Bundesinnenminister Thomas de Maizière für einige Schlagzeilen gesorgt. Die Behörde für Gesellschaftsschutz und Bereitschaft (MSB) machte aber deutlich, dass man nicht so weit gehen will wie die Bundesregierung. „Das ist nicht aktuell für Schweden“, erklärte MSB-Sprecherin Christina Andersson. Und sie ließ auch eine gewisse Kritik an den Vorschlägen von de Maizère durchblicken. „Es ist nicht sonderlich pädagogisch von zehn Tagen Vorsorge zu sprechen“, sagte sie.

In Schweden gibt es seit Langem einen Notversorgungsplan der Regierung. In ihm wird empfohlen, dass man sich Vorräte für drei Tage anlegt. Zu der Notfallversorgung zählen Petroleumlampen, eine Petroleumheizung, Schlafsäcke und warme Kleidung, Kerzen, ein Erste-Hilfe-Verbandskasten, ein Radio, Bargeld und Lebensmittel, die in Zimmertemperatur gelagert werden können. Dazu zählen Reis, Nudeln, Nüsse und Schokolade.

„Hat man sehr viel Platz, kann man sich Vorräte auch für zehn Tage oder zwei Monate zulegen“, sagt MSB-Sprecherin Andersson. „Das muss jeder selbst entscheiden“. Sie betont, dass jeder selbst für die Notversorgung in Krisenfällen verantwortlich ist. Um das zu verdeutlichen, plant MSB im kommenden Frühjahr eine landesweite Kampagne, um die Bevölkerung über die individuellen Möglichkeiten einer Notfallvorsorge zu informieren.
In Dänemark und Finnland haben die Vorschläge von de Maizère nur geringes Echo hervorgerufen.

In dänischen Medien wurde hauptsächlich über die vielen Tweeds auf Twitter berichtet, die sich über die Hamsterkauf-Empfehlung lustig machten. In beiden Ländern gibt es ähnlich wie in Schweden Vorschläge, wie man sich auf Notsituationen vorbereiten kann.

Helmut Steuer, Stockholm


Russland: Behörden sorgen fürs Überleben

Russland

Der Funkanschluss gehört bis heute zum festen Inventar der meisten russischen Wohnungen. In Behörden und staatlichen Einrichtungen ist er ohnehin Pflicht. Der Empfang ist zwar auf drei staatliche Radiosender begrenzt, die sich auch nicht verstellen lassen, doch dafür funktioniert der Anschluss unabhängig von Internet und Satellitenempfang und sogar – dank eines separaten Netzes – bei Stromausfall.

Der russische Katastrophenschutz – immerhin ein eigenes Ministerium mit fast einer halben Million Mitarbeitern, darunter auch Militäreinheiten – misst dem Funkanschluss im Fall von Notstandsverkündungen essentielle Bedeutung bei und wacht daher in den Amtsstuben streng auf dessen Funktionsfähigkeit. Aber natürlich verfügt die Behörde auch über modernere Kommunikationswege, wie eine eigene Webseite, um im Notfall die Bürger zu unterrichten, was zu tun ist.

Denn Notfallpläne wie in Deutschland gibt es natürlich auch in Russland. Vorräte an Lebensmitteln und Materialien müssen aber nicht die Bürger, sondern die Behörden anlegen. Die Anzahl und der Standort der Lager wird geheim gehalten. In Krisenzeiten ist dann der Katastrophenschutz für Ausgabe und Verteilung verantwortlich. Er überwacht auch den Erhalt der zumeist noch aus Sowjetzeiten stammenden Bunker. Allein in Moskau gibt es offiziell rund 250, immerhin elf davon sollen selbst bei einem Atomschlag sicher sein. Im Notfall gilt im übrigen das gesamte Moskauer U-Bahnnetz als mögliche Zufluchtsstelle.

André Ballin, Moskau


Spanien: Spott für Deutschland

Spanien

Spanien führt die Debatte über das Burkini-Verbot deutlich intensiver als über den deutschen Notfallplan. Zwar berichten alle Zeitungen darüber, es gibt aber kaum Kommentare oder Witze darüber.

Eine Ausnahme bildet die Regionalzeitung „La Voz de Galicia“. Sie fragt ironisch, ob Deutschland etwas von einer Gefahr wisse, die allen anderen unbekannt sei. „Bereitet sich das Herz von Europa auf einen terroristischen Anschlag großen Ausmaßes vor oder nähert sich eine natürliche oder nukleare Katastrophe, von der wir nichts wissen? Plant irgendeine Weltmacht, in Deutschland einzumarschieren? Stehen wir kurz vor einem weiteren großen Krieg? Die Lage scheint ernst.“

Die angesehene Online-Zeitung El Confidencial geht analytischer vor und ist überzeugt, dass dem umfangreichen Katalog deutscher Maßnahmen auch politisches Kalkül zugrunde liegt. „Die Angriffe von Dschihadisten Ende Juli, die beide von Asylbewerbern, einem Syrer und einem Afghanen, verübt worden sind, stellen Merkels Politik der offenen Grenzen in Frage“, erklärt die Zeitung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verliere in Umfragen an Zustimmung und die rechtsradikale AfD lege zu. Ähnlich wie in Frankreich rücke auch die deutsche Regierung nun nach rechts, um keine Stimmen zu verlieren. „Vor dem Hintergrund muss man Vorschläge wie das Verbot der kompletten Verschleierung oder die Reform der ärztlichen Schweigepflicht sehen, die quantitativ nur wenig helfen, die nationale Sicherheit zu erhöhen.“

Sandra Louven, Madrid

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