Zoff um Rechtsstaatlichkeit Polen gibt im Streit mit EU-Kommission nicht nach

Im Streit um das polnische Verfassungsgericht bleibt Polen stur. Das Problem sei gelöst, sagt die Regierung und scheint Forderungen der EU-Kommission nicht nachzukommen. Brüssel könnte nun schärfere Maßnahmen ergreifen.

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Vor gut einem Jahr hat die EU-Kommission ein Prüfverfahren gegen Polen eingeleitet, weil sie die Rechtsstaatlichkeit in dem Mitgliedsland in Gefahr sieht. Quelle: dpa

Warschau Polen lenkt im Streit mit der EU-Kommission über die Unabhängigkeit seines Verfassungsgerichts nicht ein. Es gebe keine Grundlage für die Behauptung, in Polen sei die Rechtsstaatlichkeit bedroht, teilte das Außenministerium am Montag in Warschau mit. Aus polnischer Sicht sei das Problem mit der Wahl der neuen Gerichtsvorsitzenden sowie Nachbesserungen der Justizreform im Dezember gelöst worden. Die demokratische Ordnung aufrechtzuerhalten sei Warschaus oberstes Ziel, wehrte sich die nationalkonservative Regierung gegen Vorwürfe Brüssels. Die EU-Kommission wollte die Äußerungen aus Warschau auf Anfrage zunächst nicht kommentieren.

Sie hatte vor gut einem Jahr ein Prüfverfahren gegen Polen eingeleitet, weil sie die Rechtsstaatlichkeit in dem Mitgliedsland in Gefahr sieht. Reformen der Regierungspartei PiS hätten das Verfassungsgericht als Kontrollorgan eingeschränkt, argumentierte die Brüsseler Behörde und forderte Korrekturen. Sie setzte im Dezember erneut eine Frist, die am Dienstag abläuft.

Ein erstes Ultimatum war bereits im Oktober erfolglos verstrichen. Damals wies Warschau Forderungen Brüssels als „ungerechtfertigt“ zurück. Auch jetzt sah sich Polen insbesondere durch Kritik von Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans, der Sorge um Polens Demokratie geäußert hatte, zu unrecht attackiert. Mit seinen politisch motivierten Äußerungen habe er Polen angeprangert, warf das Außenministerium ihm vor. Dies sei ein eindeutiger Verstoß gegen Prinzipien von Objektivität, Subsidiarität und Respekt vor der Souveränität. „Wir appellieren an den Vizevorsitzenden der Europäischen Kommission damit aufzuhören“, forderte die polnische Regierung.

Um den Konflikt zu entschärfen, hatte die Partei Recht und Gerechtigkeit PiS das umstrittene Gesetz zwar mehrfach nachgebessert, war bei entscheidenden Forderungen Brüssels aber uneinsichtig geblieben. So wollen die Nationalkonservativen nicht von der nachträglichen Wahl dreier Verfassungsrichter abrücken, mit denen sie Kandidaten der Vorgängerregierung ersetzten. In einem Urteil in eigener Sache hatte das Tribunal die Wahl der Juristen für verfassungswidrig erklärt. Die PiS will diese Entscheidung aber nicht anerkennen – ein weiterer Kritikpunkt Brüssels.

Aus Protest hatte Polens bisheriger Gerichtsvorsitzender Andrzej Rzeplinski die sogenannten „Doppelgänger-Richter“ nicht urteilen lassen. Doch nach dem Ende seiner Amtszeit im Dezember ließ die neue Gerichtsvorsitzende Julia Przylebska die Juristen ins Amt. Sie war 2015 durch Stimmen der PiS in das Gericht gewählt worden, Kritiker werfen ihr Regierungsnähe vor. Zudem sei Przylebskas Wahl zur Vorsitzenden durch Reformen der PiS begünstigt worden, heißt es. Dies warf bei der EU-Kommission weitere Fragen auf.

Sie gab Polens Nationalkonservativen bis zum 21. Februar Zeit, die Justizreform zu ändern. Da die PiS sich weiter uneinsichtig zeigt, könnte Brüssel nun die Anwendung von Artikel 7 der EU-Verträge vorschlagen. Dieser sieht vor, dass bei einer „schwerwiegenden und anhaltenden Verletzung“ der im EU-Vertrag verankerten Werte einem Mitgliedsland in letzter Konsequenz auch die Stimmrechte entzogen werden können.

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