Zollunion EU will Zusammenarbeit mit Türkei vertiefen

Trotz der jüngsten Spannungen will die EU-Kommission mit der Türkei über eine Ausweitung der Zollunion verhandeln. Die Türkei hofft auf eine Verdopplung des Handels. Das EU-Parlament kritisiert das Vorhaben.

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Einer Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zufolge könnte eine erweiterte Zollunion zu einem Anstieg der türkischen Wirtschaftsleistung um 1,84 Prozent führen. Quelle: dpa

Brüssel Ungeachtet politischer Spannungen wollen die Europäische Union und die Türkei ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit vertiefen. Die EU-Kommission bat die Mitgliedsländer am Mittwoch um ein Mandat, mit der türkischen Regierung eine Ausweitung der seit 20 Jahren bestehenden Zollunion auszuhandeln. Die Modernisierung biete EU-Firmen Chancen im Bereich der Landwirtschaft, bei Dienstleistungen und bei der öffentlichen Auftragsvergabe, erklärte die Brüsseler Behörde. „Der Respekt von Demokratie und Grundrechten wird ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung sein“, hieß es in der Mitteilung.

Durch eine Vertiefung der Zollunion schätzt die EU mit einer Zunahme der Exporte Richtung Bosporus um 27 Milliarden Euro. Die Türkei könnte mehr Waren im Wert von fünf Milliarden Euro in die Staatengemeinschaft einführen. Die EU ist der größte Handelspartner der Türkei.

Die Entscheidung über die Zollunion ist umstritten. So fordern die Grünen im EU-Parlament angesichts der Lage der Menschenrechte in der Türkei nach dem Putschversuch im Juli, die Gespräche auszusetzen. Die große Mehrheit des EU-Parlaments hatte für ein Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche mit der Regierung in Ankara gestimmt.

Beim EU-Gipfel vorige Woche betonten die Staats- und Regierungschefs der EU, an der Zusammenarbeit mit der Türkei - auch beim Flüchtlingsabkommen - werde festgehalten.

Türkei hofft auf Verdopplung des Handels

Für die Türkei hat die Zollunion einen hohen Stellenwert. Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci äußerte zuletzt die Hoffnung, dass die Verhandlungen darüber in den ersten drei Monaten 2017 aufgenommen werden. Seiner Meinung nach ist die Zollunion für die Türkei sogar wichtiger als die erhoffte Visafreiheit für Türken bei Reisen in die EU. Der türkische Vize-Ministerpräsident Mehmet Simsek schätzte in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters im Sommer, dass eine Einigung den bilateralen Handel in Höhe von rund 150 Milliarden Euro pro Jahr „leicht“ verdoppeln und die Türkei neben den USA und China zum drittgrößten Handelspartner der EU machen könnte.

Einer Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung zufolge könnte eine erweiterte Zollunion zu einem Anstieg der türkischen Wirtschaftsleistung um 1,84 Prozent führen. Agrarexporte in die EU könnten um 95 und Exporte von Dienstleistungen sogar um 430 Prozent steigen. Auch eine Studie der Weltbank von 2014 spricht von „nicht ausgeschöpften Möglichkeiten“ bei der Zollunion zwischen EU und Türkei.

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