Zum Besuch des Kanadischen Premiers Trudeau stärkt Beziehungen

Turbulente Zeiten in den USA fordern starke Beziehungen zwischen Europa und Kanada. Merkel und Trudeau stehen politisch auf einer Seite. Mit Trump müssen sie aber auch zusammenarbeiten. Ein Kommentar.

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Der kanadische Premierminister Justin Trudeau und Bundeskanzlerin Angela Merkel verstehen sich sichtlich. Quelle: dpa

Ottowa/Berlin Justin Trudeau absolvierte eine Wirbelwind-Tour. Zwei komplette Tage in Europa, drei Städte – Straßburg, Berlin, Hamburg. Es war eine intensive Arbeitsvisite des kanadischen Premierministers. Sein Besuch im Europäischen Parlament, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel und beim Matthiae-Mahl in Hamburg, sollte die transatlantischen Beziehungen zwischen Kanada, Deutschland und der Europäischen Union stärken. Das Ziel dieser Reise wurde erreicht. Für Kanadier wie Europäer haben diese Beziehungen in einer Phase der Unsicherheit aufgrund der Veränderungen in den USA einen sehr hohen Stellenwert.

Die erfahrene Kanzlerin, die als Stabilitätsfaktor in der Welt gilt, und der jüngere kanadische Regierungschef Trudeau setzen auf diese Freundschaft und Partnerschaft in bewegten Zeiten. Bereits zum vierten Mal sind sie nun schon zusammengetroffen. Bei seinem letzten Besuch in Ottawa als US-Vizepräsident hatte Joe Biden es im Dezember vorhergesagt: In den turbulenten Zeiten, die mit dem Amtsantritt von Donald Trump, dem Brexit und den Unsicherheiten über die Entwicklungen in Europa verbunden sind, werden Merkel und Trudeau eine Führungsrolle spielen müssen, wenn es um Offenheit der Gesellschaften und internationale Kooperation geht.

Insbesondere Justin Trudeaus Besuch in Berlin, sein „Thank you, Angela“ und sein Wunsch, an der Gedächtniskirche in Berlin zusammen mit der Kanzlerin Blumen im Gedenken an die Opfer des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz niederzulegen, zeigen, dass die Beziehungen zwischen den Politikern und zwischen Kanada, Deutschland und Europa mehr sind als ein von Notwendigkeiten bestimmtes Geschäft. Ein kleiner gemeinsamer Spaziergang durch das abendliche Berlin, ein Drink und ein entspanntes, informelles Essen in einem Restaurant – ein besseres Bild für gute freundschaftliche Beziehungen kann es kaum geben. Ottawa und Berlin harmonieren. Das gilt zunächst einmal für Angela Merkel und Justin Trudeau. Es wird aber auch Bestand haben nach der kommenden Bundestagswahl, unabhängig davon, welche der großen Parteien nach der kommenden Bundestagswahl die Regierung in Berlin führt. Nicht ganz so eindeutig ist es mit der EU angesichts der Wahlen in Frankreich und den Niederlanden, die Politiker an die Macht bringen könnte, mit denen die Kanadier noch weniger gemein haben als mit dem Trump.


Justin Trudeau - gegen Trump?

In Europa wird Justin Trudeau gerne als „Anti-Trump“ bezeichnet. Ob ihm, der im Interesse Kanadas eine gute Arbeitsbeziehung mit Trump pflegen muss, das Etikett „Anti-Trump“ gefällt oder nicht – Tatsache ist, dass er in vielem, was er sagt und tut, ein „Anti-Trump“ ist, auch wenn er seit seinem ersten Besuch bei Trump vor einer Woche die verstärkt Gemeinsamkeiten mit zwei Zielen des US-Präsidenten hervorhebt, die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine Politik für die Menschen, die sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Er ist gegen das Bauen von Mauern. Er setzt auf internationalen Handel, wie er jetzt im europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen CETA gefördert werden soll.

Gegen CETA gibt es weiter Bedenken in Europa, aber dass sie vom kanadischen und dem Europäischen Parlament mit jeweils überwältigenden Mehrheiten ratifiziert wurde, stellte die Reise unter einen guten Stern. Trudeau poltert und schimpft nicht. Er redet anders als Trump nicht den Zerfall der EU und des Euro herbei, sondern baut auf eine starke EU, was in Straßburg mit großer Genugtuung registriert wurden. Trudeaus Kanada nahm 40.000 Flüchtlinge aus Syrien auf, wofür Angela Merkel besonders dankbar ist, wird sie hier doch von vielen Partnern in Stich gelassen – nicht nur von Trump, der die Grenzen dicht macht.

Ob es um die Haltung zur Nato, zur Ukraine, zu Klimawandel oder die Kooperation in der G7 und der G20 geht, Merkel und Trudeau sind auf der gleichen Seite. Sie ergänzen sich gerade jetzt: Trudeau konnte die Kanzlerin über sein Treffen mit Trump informieren, während Merkel wie keine andere westliche Politikerin den russischen Präsidenten Wladimir Putin kennt. Beide Regierungschefs wissen aber auch, dass sie mit den USA und Donald Trump zusammenarbeiten müssen, in ihrem und ihrer Länder ureigensten Interesse.

Dass Trudeau als erster kanadischer Regierungschef im Europäischen Parlament sprach, ist eine sehr gute Botschaft, wie Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte. Auch der Blick in die Vergangenheit kann nicht schaden. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz wies darauf hin, dass kanadische Soldaten für die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus kämpften. Wenn Merkel die freundschaftliche Verbundenheit beider Länder und Gesellschaften lobt, Trudeau im Gegenzug Deutschland und Kanada als wahre Partner bezeichnet, dann sind das Formulierungen, die man in verschiedenen Spielarten auch bei früheren europäisch/deutsch-kanadischen Begegnungen gehört hat. Aber jetzt haben diese Bekenntnisse eine tiefere Bedeutung und größeres Gewicht. Verlässlichkeit ist ein wichtiges Merkmal dieser transatlantischen Partnerschaft.

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