Zunehmende Beschränkungen im Netz Warum China zum Internet-Entwicklungsland wird

Chinas VPN-Sperre verschlimmert die Zensur. Quelle: Illustration

Am Sonntag eröffnet China die Weltinternetkonferenz. Das Land will zum digitalen Vorreiter werden. Gleichzeitig schottet es sich immer stärker ab. Eine Gefahr für deutsche Unternehmen.

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Präsident Xi soll per Videonachricht eine Rede halten. Apple-Chef Tim Cook könnte sogar einfliegen. Eine hochkarätige Besetzung ist für die so genannte Weltinternetkonferenz geplant, die an diesem Sonntag im ostchinesischen Wuzhen startet. Als Land mit den meisten Internetnutzern ist China eigentlich ein guter Ort für die zweitätige Konferenz, die die Regeln für das globale Internet setzen will. Mit Onlinehändler Alibaba und Messengerbetreiber Tencent hat es globale Giganten hervorgebracht, die inzwischen auch im Ausland zu Vorbildern geworden sind.

Aber trotz diesjähriger Starbesetzung könnte es mit der digitalen Vorreiterrolle Chinas bald vorbei sein. Xi Jinping wird über die Chancen des Internets sprechen. Tim Cook will mit seinem Gastauftritt seinen Zugang zum größten Smartphone-Markt der Welt sichern. Das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die chinesische Regierung in Sachen Internet gerade zurück ins digitale Steinzeitalter katapultiert. Denn im chinesischen Internet ist nur noch erlaubt, was Peking gefällt. Innovation ist nur noch da möglich, wo sie den Interessen des autokratischen Staats dient. Für deutsche Unternehmen ist das ein besonderes Problem.

Das chinesische Internet ist heute abgeschottete denn je. Die Dimension der digitalen Kontrolle wurde diese Woche wieder besonders deutlich. In sozialen Medien war es zu massiven Protesten gegen die Regierung gekommen, weil die Pekinger Behörden seit Monaten gegen Menschen vorgehen, die keine Aufenthaltsgenehmigung für die Hauptstadt haben. In China herrscht keine Freizügigkeit. Man braucht für jeden Wohnortwechsel eine Genehmigung. Betroffen sind vor allem zehntausende Arbeiter, die häufig im Niedriglohnsektor beschäftigt sind. „Diduan renkou“ heißt das auf Chinesisch: die von ganz unten. Die Behörden zwingen die Menschen innerhalb weniger Stunden ihre Wohnungen zu räumen und reißen diese dann ab.

Die neuen starken Männer in China

Anstatt die Zwangsräumungen zu unterstützen, wie die Regierung scheinbar gehofft hatte, waren viele Pekinger empört über das brutale Vorgehen und machten ihrer Wut in den sozialen Netzwerken Luft. Innerhalb kürzester Zeit wurden daraufhin Schlagwörter wie „Unterschicht“, „Bevölkerung“ und „Peking“ in den sozialen Medien zensiert. Ein offener Brief mit der Forderung, die Räumungen sofort zu stoppen, wurde gelöscht. 100 Intellektuelle hatten diesen unterschrieben.

Er war anfangs breitflächig geteilt worden. Rund 28 auf 10.000 Kommentare verschwanden in den vergangenen Tagen aus dem Netz, wie die Untersuchung einer Hongkonger Universität zeigte. Dabei schöpfte die Regierung nicht einmal alle ihre Möglichkeiten aus. Kurz nachdem der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo im Sommer in chinesischer Gefangenschaft gestorben war, hatten die Behörden auch innerhalb privater Chats Nachrichten blockiert und gelöscht.

Die Zensur in sozialen Medien ist aber nur ein Teil des digitalen Überwachungsstaats. Gleichzeitig werden immer mehr ausländische Internetseiten gesperrt oder ihre Ladegeschwindigkeit verlangsamt, wie eine Untersuchung der Beratungsfirma CDNetworks zeigt. Während in China die Internetseiten innerhalb von Sekunden laden, dauern sie laut CDNetworks im Schnitt 33 Sekunden. Trotz guter Infrastruktur liegt China so laut einer Untersuchung des britischen Vergleichsportals cable.co weltweit bei der Internetgeschwindigkeit auf Platz 134.

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