Zwei Jahre UN-Sicherheitsrat Deutschland verhält sich unauffällig gut

Nach zwei Jahren läuft die Zeit für Deutschland im mächtigsten UN-Gremium ab. Dabei haben sich die Deutschen im Sicherheitsrat als enthaltsamer Mitspieler präsentiert – nur einmal sind sie richtig ausgeschert.

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Seinen Platz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen muss Deutschland räumen. Quelle: dpa

New York Die Privilegien gelten nur noch ein paar Stunden. Zum Jahresende muss sich Deutschland nach zwei Jahren wieder aus dem UN-Sicherheitsrat verabschieden und ist dann wieder nur ein ganz normales Mitglied der Vereinten Nationen. Die Deutschen haben im Sicherheitsrat Spuren hinterlassen – wenn auch keine allzu tiefen.

Es war ein Durchmarsch, als im Oktober 2010 die neuen Mitglieder des Sicherheitsrates gewählt wurden. Deutschland bekam, knapp aber sofort, die nötige Mehrheit. Zwei Jahre durfte Botschafter Peter Wittig im mächtigsten UN-Gremium sitzen und im Auftrage Berlins über die UN-Politik mitentscheiden. Allerdings nur aus der zweiten Reihe. Denn die zehn nichtständigen haben längst nicht die Macht der fünf ständigen Mitglieder USA, China, Russland, Großbritannien und Frankreich, von denen jeder per Veto alles verhindern kann.

Dass man sich zumindest Frankreich und Großbritannien ebenbürtig fühlt, zeigten die Deutschen gern. Viel öfter stellten sie sich neben die beiden ständigen Ratsmitglieder als neben Portugal, das auch zwei Jahre im Rat saß. Als gute Europäer ließen London und Paris Berlin zwar mitspielen, aber da war doch ein Klassenunterschied.

Wittig und sein Chef Guido Westerwelle haben Spuren hinterlassen. Sie setzten die Klimapolitik auf die Tagesordnung, versuchten eine moderne Afghanistan-Politik und mühten sich um den Schutz von Kindern in Kriegen. Ehrenwerte Aufgaben, die jedoch von der Öffentlichkeit wenig beachtet wurden. Die Schlagzeilen waren Deutschland hingegen sicher, als es nicht mit den westlichen Partnern für die Luftschläge gegen Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi stimmte.

„Das war schon ungewöhnlich, dass es einen breiten Konsens gab mit den USA, Europa, selbst den arabischen Staaten – und ausgerechnet Deutschland ausschert“, sagt der Münsteraner Politikprofessor Sven Bernhard Gareis. „Berlin hätte ja keine Kampfflugzeuge schicken müssen, aus der Zustimmung wäre keine Verpflichtung zu militärischer Beteiligung erwachsen. Ich habe deshalb meine Zweifel, dass der Schritt klug war.“ Und er wirke nach: „Dem deutschen Wunsch nach einem ständigen Sitz hat das, sagen wir mal, nicht gerade geholfen.“


„Auftreten war ziemlich professionell“

Eine zweite Enthaltung stieß hingegen rundweg auf Zustimmung. In der Entscheidung der Vollversammlung über eine Aufwertung der palästinensischen Gebiete zum UN-Beobachterstaat konnte Berlin seine Solidarität mit Israel deutlich machen, weil es nicht dafür stimmte. Zugleich wurde Kritik an Israels Siedlungspolitik deutlich, weil Berlin auch nicht mit Nein votierte. „Vielleicht war das der weiseste Entschluss der ganzen turbulenten Woche“, sagte ein westlicher Diplomat später.

Gute, aber keine sehr guten Noten gibt es von Menschenrechtlern. „Deutschland war einer der offensten und konsequentesten Staaten im Rat, wenn es um Menschenrechte ging“, sagt Philippe Bolopion von Human Rights Watch. „Aber bei dem Einfluss, den die Deutschen mittlerweile haben, hätte es mehr für die Durchsetzung einer internationalen Strafjustiz tun können, gerade bei Libyen und Sudan.“

Bei der internationalen Presse kamen die Deutschen gut an. „Sie waren immer sehr offen - ganz im Gegensatz zu anderen Staaten“, sagt CNN-Korrespondent Richard Roth. „Wittig war wirklich sehr präsent und hilfreich. Das Auftreten der Deutschen war ziemlich professionell.“ Sein Kollege Wladimir Kikilo von Itar-Tass: „Die Deutschen waren sehr fleißig“, sagt der Russe. „Es gab erhebliche Differenzen zwischen ihnen und der russischen Position. Aber sie haben ihre Arbeit sehr professionell gemacht und waren immer respektvoll zu allen Partnern.“

Aber ist Deutschland einem Sitz im Sicherheitsrat nähergekommen? „Ich sage immer, dass ich das wohl in meiner aktiven Arbeitszeit nicht mehr erleben werde“, meint Politologe Gareis (50). „Denn eine Reform braucht neben der Zweidrittelmehrheit in der Vollversammlung auch die Ratifikation durch die fünf ständigen Ratsmitglieder. Und genau die haben kein großes Interesse, ihre Macht zu teilen.“

Will Berlin unbedingt mehr Macht? „Ich sehe diese Frage in strategischer Hinsicht unbeantwortet. Unsere ganze Außenpolitik ist eigentlich nicht darauf ausgerichtet, in der Weltpolitik ganz vorn mitzuspielen“, sagt Gareis. „In den UN ist Deutschland ein ordentliches und verlässliches Mitglied, aber kein Primus.“


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