Zweifel an Sanktionen Was tun gegen Putin?

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Sanfte Reaktion

Spielraum nach oben haben sich die Staats- und Regierungschefs bewahrt, indem sie stets relativ sanft auf die Aktionen der Gegenseite reagierten, nachdem russische Okkupanten die Krim besetzt hatten. Damals wurden erst einmal die Brüsseler Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und ein Assoziierungsabkommen mit Russland ausgesetzt. Präsident Putin ließ sich davon und von den gleichzeitigen, etwas weiter gehenden amerikanischen Sanktionen nicht beeindrucken. Moskau proklamierte Mitte März die Annexion der Krim, woraufhin die EU Einreiseverbote aussprach und das Vermögen russischer Politiker und Oligarchen einfror. Die Namensliste der davon Betroffenen wurde mittlerweile erweitert: Nach derzeitigem Stand gelten für 119 Personen und 23 Unternehmen mehr oder weniger weitreichende Restriktionen.

Putins Folterwerkzeuge im Sanktionskrieg

All das änderte nichts an der russischen Aggression in der Ukraine und an den zunehmend heftigeren Umtrieben der von Moskau gestützten Separatisten in der Ostukraine. Hunderte Passagiere eines Passagierflugzeugs auf dem Flug von Amsterdam nach Kuala Lumpur mussten sterben, bevor die EU im Juli effiziente Wirtschaftssanktionen verhängte, vor allem gegen die russische Finanzbranche. Privatleute und Unternehmen aus der EU dürfen seitdem keine Schuldtitel der bedeutenden russischen Banken Sberbank, VTB, Bank of Moscow, Gazprombank und Rosselchosbank mit einer Laufzeit von mehr als 90 Tagen erwerben. Inzwischen gilt dieses Verbot für Anleihen mit einer Laufzeit von mehr als 30 Tagen.

Außerdem ächtet die EU auch Anleihen der drei großen Energieunternehmen Rosneft, Transneft und der Ölsparte von Gazprom (bei der Erdgassparte sind die Europäer vorsichtig) sowie Papiere von drei großen russischen Rüstungsherstellern.

Oberflächlich Einig

All das dauerte so lange und wurde von den Vertretern der nationalen Regierungen bis ins letzte Detail verhandelt, weil sich die Europäer im Umgang mit Putin und seinem Expansionsdrang nur oberflächlich einig sind. Die Staats- und Regierungschefs hatten die Sanktionen Ende August beschlossen. In Kraft traten sie dann aber mit Verzögerung, und der scheidende Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigte gleich an, die Beschlüsse würden wenigstens teilweise aufgehoben, sollte der Waffenstillstand in der Ostukraine halten.

Nur so ließ sich ein Mitgliedstaat wie Finnland mit seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von Russland bei der Stange halten. Der finnische Ministerpräsident Alexander Stubb gehört zu den größten Kritikern der Sanktionen, weil sein Land unter einem möglichen russischen Gegenschlag am meisten zu leiden hätte. Ohne Gaslieferungen aus Russland wären die finnischen Reserven nach einem Monat aufgebraucht. Ähnlich sieht es in der Slowakei und in Bulgarien aus. In Finnland kommt die Angst vor einem russischen Überflugverbot für europäische Fluglinien dazu – und mit einer solchen ökonomischen Konterattacke hat der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew bereits gedroht. Doch Flüge nach Asien über Sibirien machen derzeit mehr als die Hälfte der Passagierkilometer von Finnair aus.

Zu den Sanktionsskeptikern in der EU zählen neben den ängstlichen Erdgaskunden aber auch die Italiener, weil Putin aus der südeuropäischen Entfernung weniger als Bedrohung wahrgenommen wird als in der direkten Nachbarschaft wie im Baltikum und in Polen.

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