Berichte US-Flugzeuganschlag war von langer Hand geplant

Nach Medienberichten ist das vereitelte Flugzeug-Attentat des Nigerianers Abdulmutallab in den USA von langer Hand im Jemen geplant worden. Schon lange vor dem Anschlag fantasierte der Täter vom "Dschihad". Der nationale Sicherheitsberater Nigerias warf unterdessen dem Geheimdienst seines Landes Versagen vor.

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HB WASHINGTON/LONDON/AMSTERDAM. Nach einem Bericht der "New York Times" vom Mittwoch hatte die US-Regierung vor Weihnachten Hinweise aus dem Jemen, wonach dortige El-Kaida-Terroristen einen "nigerianischen Jungen" erwähnten, der für einen Anschlag vorbereitet werde. Zwar wurde kein Name genannt, doch wäre es möglich gewesen, ihn mit dem 23-jährigen Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab in Verbindung zu bringen. Zuvor hatte der TV-Sender ABC unter Berufung auf Regierungsquellen berichtet, dass zwei von vermutlich vier Drahtziehern Ex-Häftlinge aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo sein sollen. Abdulmutallab hatte am ersten Weihnachtsfeiertag einen Airbus auf dem Weg von Amsterdam nach Detroit zur Explosion bringen wollen.

Nach Angaben des US-Außenministeriums hatten die Antiterror-Behörden der USA am 20. November Information über Abdulmutallab erhalten - einen Tag, nachdem dessen Vater die US-Botschaft in Nigeria vor den extremen religiösen Ansichten seines Sohnes gewarnt hatte. Der Mann habe seinen Sohn nicht als Terroristen bezeichnet "und schon gar nicht" von einem geplanten Anschlag berichtet, verteidigte ein Gewährsmann aus Geheimdienstkreisen das Vorgehen der Behörden.

Die CIA erklärte inzwischen, man habe mit der Botschaft zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass Abdulmutallahs Name in die Datenbank verdächtiger Personen aufgenommen werde. Dabei sei es auch um mögliche Verbindungen des Verdächtigen zu Extremisten in Jemen gegangen. Diese Information sei auch an das Nationale Antiterrorzentrum weitergeleitet worden. "Wir haben von ihm (dem Verdächtigen) im November erfahren, als sein Vater zur US-Botschaft in Nigeria gekommen ist und um Hilfe bat, ihn zu finden", sagte CIA-Sprecher George Little. "Bis dahin hatten wir seinen Namen nicht."

Doch wie nun bekannt wurde, fantasierte der Nigerianer Abdulmutallab schon lange vor seinem versuchten Anschlag auf das US-Passagierflugzeug vom "Heiligen Krieg" ("Dschihad"). Beiträge für ein islamisches Internetforum zeigen zudem, wie er sich von einem einsamen jugendlichen Fußballfan in einen fanatischen Extremisten wandelte, wie britische Medien am Mittwoch berichteten.

"Ich möchte über meine Fantasien nicht zu sehr ins Detail gehen, aber im Wesentlichen sind es Dschihad-Fantasien", zitierten Zeitungen Internet-Einträge, die der heutige 23-Jährige unter dem Namen Farouk1986 im Februar 2005 online gestellt haben soll. "Ich stelle mir vor, wie der große Dschihad stattfindet, wie die Muslime siegen (so Allah will) und die Welt beherrschen und wieder das größte Reich schaffen."

In früheren Einträgen erschien Abdulmutallab dagegen noch als normaler Jugendlicher, der sich einsam fühlt, Fußball liebt und die Mannschaft von Liverpool unterstützt. "Ich befinde mich in einer Situation, in der ich keinen Freund habe. Ich kann mit niemanden sprechen, mich mit niemanden beraten, keiner unterstützt mich und ich bin deprimiert und einsam. Ich weiß nicht, was ich machen soll", schrieb er demnach, als er noch in Togo zur Schule ging.

Nachdem er sein Maschinenbau-Studium in London begann, wurden seine Ansichten des einstigen Fußball-Fans offensichtlich radikaler: "Lasst uns unsere Ehre und Religion retten, lasst uns auf Fußball verzichten und Sportarten treiben, die dem Islam förderlich sind." Zudem kritisierte er das Hören von Musik und warf seinen Eltern vor, Fleisch zu essen, das nicht von Muslims geschlachtet wurde. In anderen Internet-Einträgen schreibt er vom Kampf mit seinen sexuellen Wünschen. "Wenn ich einsam bin, erwacht der natürliche sexuelle Trieb und ich ringe darum, ihn zu kontrollieren (...)."

Unterdessen berichtete der "Daily Telegraph", dass Abdulmutallab während seines Studiums in London zwischen 2005 und 2008 Kontakt zu einem muslimischen Extremisten hatte, der unter Beobachtung des britischen Geheimdienstes stand. Der Nigerianer selbst sei aber nicht beobachtet worden. Bislang waren die Behörden davon ausgegangen, dass der Geheimdienst erst auf Abdulmutallab aufmerksam geworden war, als ihm wegen falscher Angaben ein neuerliches Studentenvisum für Großbritannien verweigert worden war.

Wie die "Times" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, könnte der Nigerianer während seines Studiums vom Terrornetzwerk El Kaida angeworben worden sein.

Der nationale Sicherheitsberater Nigerias, Abdul Sarki Mukhtar, warf dem Geheimdienst seines Landes im Zusammenhang mit dem gescheiterten Flugzeuganschlag Versagen vor. Abdulmutallab hatte einem Bericht der nigerianischen Zeitung "The Guardian" zufolge möglicherweise Mitwisser in seiner nigerianischen Heimat. Derzeit werde gegen die Söhne zweier ehemaliger Richter ermittelt.

Die Geheimdienstbehörde NIA habe über einen Bericht über Abdulmutallab verfügt, nachdem dessen Vater sich aus Sorge über die zunehmende Radikalisierung seines Sohnes an einen Geheimdienstoffizier gewandt, kritisierte Mukhtar in einem Schreiben an den Direktor der NIA. Dieser Bericht sei jedoch nicht den verschiedenen anderen Sicherheitsbehörden bekanntgemacht worden. Abdulmutallabs Vater, einer der prominentesten Banker Nigerias, hat sich demnach nicht nur an ausländische Sicherheitsbehörden gewandt, nachdem sein Sohn im Jemen untergetaucht war und alle Kontakte zur Familie abgebrochen hatte.

Der gescheiterte Anschlag auf ein US-Verkehrsflugzeug lenkt nun den Blick der Weltöffentlichkeit auf den Jemen.Das Land ist auf der arabischen Halbinsel seit geraumer Zeit schon als neue Hochburg der in Afghanistan und Pakistan militärisch unter Druck geratenen Al-Kaida im Visier der US-Geheimdienste. Die US-Nachrichtendienste sind besorgt über die wachsende Stärke der Extremistenorganisation, und Präsident Barack Obama hat nach Angaben von Regierungsvertretern in aller Stille die Unterstützung für den Jemen verstärkt.

Unterdessen lobte die niederländische Königin Beatrix den "mutigen Einsatz" des Holländers Jasper Schuringa gegen den Flugzeugbomber von Detroit. Die Monarchin habe dem 32-jährigen Amsterdamer Werbefilmer ihre hohe Wertschätzung ausrichten lassen, erklärte am Mittwoch ein Sprecher des Königshauses.

Schuringa hatte sich am ersten Weihnachtstag in der US-Passagiermaschine mit nahezu 300 Menschen an Bord auf den 23-jährigen Abdulmutallab geworfen, als dieser versuchte die Bombe zu zünden. Er trug damit dazu bei, den Absturz des Flugzeugs zu verhindern. Vor der Königin hatte bereits die niederländische Regierung das mutige Eingreifen Schuringas gewürdigt, der in den Niederlanden, den USA und anderen Ländern als Held gefeiert wurde. Im Internet richteten Fans eigens Websites für ihn ein.

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