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Die Erbschaftsteuer-Reform ist ein unnötiger Kompromiss

Die künftige Erbschaftsteuer ist auf den ersten Blick okay. Beim genauen Hinsehen bräuchten wir sie aber nicht - wenn Unternehmer und Manager für ihr Handeln voll haften würden.

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Wolfgang Grupp Quelle: dapd

Niemand zahlt gern Steuern, vor allem wenn die Steuer auf bereits versteuerte Einnahmen erhoben wird, wie dies bei der Erbschaftsteuer der Fall ist. Über den jetzigen Kompromiss zu klagen, den der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat vereinbart hat, halte ich für nicht angebracht. Ob die Neuerungen verfassungsrechtlicher Grundsätze genügen, wird im Zweifelsfall das Bundesverfassungsgericht entscheiden, und wie hoch der bürokratische Aufwand tatsächlich ist, muss die Praxis zeigen.

Für mich steht jedoch vor allem fest: Wenn Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von der CDU und sein grüner baden-württembergischer Kollege Winfried Kretschmann hinter der Reform stehen, dann bin ich sicher, dass diese Reform von den Familienunternehmen getragen werden kann. Denn beide wissen sehr wohl, dass gerade in Baden-Württemberg und Bayern die Familienunternehmen die tragende Säule der Wirtschaft sind.

Nehmen wir folgendes Beispiel: Ein solides mittelgroßes Familienunternehmen macht 100 Millionen Euro Umsatz pro Jahr und erwirtschaftet unterm Strich einen Jahresgewinn von zehn Millionen Euro. Durch den nun beschlossenen Faktor von 13,75, mit dem der Gewinn multipliziert wird, ergibt sich ein angenommener Unternehmenswert von 137,5 Millionen Euro. Das ist der Wert des Unternehmens, den die Kinder nach dem Tod des Unternehmers für ihr Erbe ansetzen und auf den sie Erbschaftsteuer bezahlen müssen. Nach den nun vereinbarten Regeln ergibt sich daraus, grob gerechnet, ein Betrag von 35 Millionen Euro, den die Kinder künftig an Erbschaftsteuer maximal aufbringen müssen.

Zur Person

Das ist sicher sehr viel. Doch die Summe relativiert sich, wenn man bedenkt: Ein Erbe tritt in den meisten Fällen einmal in 30 bis 40 Jahren ein. In dieser Zeit sollte jeder ordentliche Kaufmann in der Lage sein, aus seinen Gewinnen, verdienten Abschreibungen, Rücklagen und stillen Reserven 3,5 Jahresgewinne, also ein Zehntel, zurückzulegen. Das muss bei ordentlicher Betriebsführung aufzubringen sein.

Wer diesen Zeitraum nicht nutzt, sondern das Geld lieber aus dem Unternehmen zieht oder es für private Zwecke ausgibt, kann dies natürlich gern tun. Er und seine künftigen Erben sollten dann aber nicht über diese tragbare Belastung klagen. Ohnehin ist wegen der Erbschaftsteuer noch kein Familienunternehmen untergegangen. Wenn mir jemand eine solche Firma mit zehn Millionen Euro Gewinn schenken wollte, würde ich sie mit dieser Verpflichtung gern übernehmen.

Trotzdem sollte man nach dem Kompromiss nicht einfach zur Tagesordnung gehen. Wenn wir wie früher zu Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg voll haftende Unternehmer hätten, gäbe es nämlich gar kein Verlangen nach einer Erbschaftsteuer.

Denn im Grunde ist die Forderung nach einer Erbschaft- wie nach einer Vermögenssteuer ein Reflex auf ein großes Manko in unserem Wirtschaftssystem: Heute haften kaum noch Unternehmer persönlich. Das heißt, zu viele Unternehmer und Manager kassieren bei gutem Geschäftsverlauf die Gewinne. Bei negativem Geschäftsverlauf überlassen sie aber nicht selten dem Steuerzahler die Konsequenzen und die Allgemeinheit zahlt für die Folgen von Arbeitslosigkeit und Jobverlust. Deshalb muss ich Verständnis dafür haben, dass der Ruf nach Erbschaft- oder Vermögenssteuer lauter wird.

Dieser Trend zur Nicht-Haftung kommt wie vieles andere Negative aus den USA. Wenn der Immobilienmogul Donald Trump viermal eine Milliardenpleite hingelegt und damit unzählige Gläubiger und Arbeitnehmer geschädigt hat und sich dann noch zur Präsidentschaft in den USA bewerben darf, brauchen wir uns nicht über Forderungen nach einer Erbschaft- und Vermögenssteuern auch hier zu Lande wundern.

Ich würde den Politikern in Deutschland empfehlen, dem persönlich haftenden Unternehmer zum Beispiel 50 Prozent Steuerrabatt einzuräumen. Dann trennt sich schnell die Spreu vom Weizen im Unternehmerlager. Und die ganze Diskussion über Erbschaft- oder Vermögenssteuer würde sich von selbst erübrigen.

Redaktion: Reinhold Böhmer

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