




Das Angebot klang gut. Es kam von einer Flüchtlingsbetreuerin aus dem bayrischen Penzberg. Sie war für einen 38-jährigen Pakistani zuständig, der seit März 2015 in Deutschland weilt und sich zuerst in Gießen und dann zuletzt in der Kleinstadt südlich von München aufhielt. Die Betreuerin schickte uns eine E-Mail, in der sie uns mitteilte, dass der Pakistani gut nähen könne und er gern bei uns arbeiten wollte. Sie sei auf unsere Anzeige im Internet aufmerksam geworden, in der wir ständig Mitarbeiter in unserer Konfektionsabteilung suchen.
Wir waren sofort interessiert. Daraufhin stellte sich der Pakistani bei uns am Firmensitz in Burladingen auf der Schwäbischen Alb vor. Der Mann machte einen guten Eindruck. Er war in Begleitung eines Bekannten aus dem benachbarten Reutlingen erschienen, bei dem er, wie er versicherte, wohnen könne. Wir bestätigten ihm schriftlich, dass wir ihn sofort einstellen würden.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Der pakistanische Flüchtling arbeitet bis heute nicht bei uns. Stattdessen entwickelte sich seine Bewerbung zu einer endlosen Odyssee, bei der sich die Ämter gegenseitig ausbremsten und sich als unfähig erwiesen, die erforderlichen Schritte in die Wege zu leiten.
Hier die unglaubliche Chronologie der Ereignisse:
Donnerstag, 10. September 2015: Der uns avisierte Pakistani hat sich auf die rund 250 Kilometer lange Reise von Penzberg nach Burladingen gemacht und stellt sich bei Trigema vor. Wir werden uns einig und wollen ihn als Näher beschäftigen.
Donnerstag, 17. September 2015: Bei Trigema geht eine E-Mail der Flüchtlingsbetreuerin in Penzberg ein, die für den Pakistani zuständig ist. Im Anhang der E-Mail befindet sich ein Antragsformular, in dem wir die angebotene Stelle beschreiben sollen. Wir füllen das Formular sofort aus und schicken es umgehend an die Betreuerin. Diese bestätigt uns den Eingang des Antrags nebst Stellenbeschreibung und informiert uns, dass sie die Unterlagen sofort an das zuständige Landratsamt im benachbarten Weilheim weitergeleitet habe.
Status und Schutz von Flüchtlingen in Deutschland
Immer mehr Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele von ihnen dürfen nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl aus unterschiedlichen rechtlichen Gründen bleiben. Dabei reicht die Spannbreite vom Asylstatus bis zu einer befristen Duldung mit drohender Abschiebung.
Flüchtlinge, die in ihrem Heimatländern politisch verfolgt werden, haben laut Artikel 16 a des Grundgesetzes Anspruch auf Asyl. Hierfür gibt es allerdings zahlreiche Schranken, die Ablehnungsquote bei Asylanträgen liegt bei 98 Prozent. Schutz und Bleiberecht etwa wegen religiöser Verfolgung oder der sexuellen Orientierung wird auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt. Für die Praxis spielt die genaue rechtliche Grundlage allerdings keine Rolle: Anerkannte Asylberechtigte erhalten gleichermaßen eine Aufenthaltserlaubnis, die nach drei Jahren überprüft wird. Auch bei den staatlichen Unterstützungsleistungen, etwa Arbeitslosengeld II oder Kindergeld, gibt es keine Unterschiede.
Sogenannten subsidiären, also nachrangigen, Schutz erhalten Flüchtlinge, die zwar keinen Anspruch auf Asyl haben, in ihrer Heimat aber ernsthaft bedroht werden, etwa durch Bürgerkrieg oder Folter. Sie sind als „international Schutzberechtigte“ vor einer Abschiebung erst einmal sicher und erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für zunächst ein Jahr. Die Erlaubnis wird verlängert, wenn sich die Situation im Heimatland nicht geändert hat.
Eine Duldung erhält, wer etwa nach einem gescheiterten Asylantrag zur Ausreise verpflichtet ist, aber vorerst nicht abgeschoben werden kann. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn kein Pass vorliegt oder es keine Flugverbindung in eine Bürgerkriegsregion gibt. Fällt dieses sogenannte Hindernis weg, droht dem Betroffenen akut die Abschiebung. Zu den Hindernissen für eine Abschiebung zählt unter anderem auch der Schutz von Ehe und Familie. Beispielweise kann ein Ausländer, der hier mit einer Deutschen ein Kind hat, nicht ohne weiteres abgeschoben werden.
Donnerstag, 24. September 2015: Nachdem wir eine Woche keine Antwort bekommen haben, ruft der Leiter unserer Lohnbuchhaltung beim Landratsamt in Weilheim an, um sich nach dem Stand der Angelegenheit zu erkundigen. Die dortige Sachbearbeiterin erklärt ihm, sie habe unseren Antrag nebst Stellenbeschreibung nicht erhalten. Sie wolle aber noch einmal bei ihren Kollegen nachfragen, da sie gerade aus dem Urlaub gekommen sei.
Freitag, 25. September 2015: Der Leiter unserer Lohnbuchhaltung ruft noch einmal beim Landratsamt Weilheim an, um zu erfahren, was die Nachforschungen der Sachbearbeiterin ergeben haben. Und tatsächlich, unser Antrag sei eingegangen, sagt sie. Allerdings müsse sie unseren Antrag an das Regierungspräsidium in Tübingen weiterleiten, in dem Burladingen, der Firmensitz von Trigema, liege.