1000 Meter Distanz zu Wohnhäusern Windkraft-Freunde sehen in der Abstandsregel eine „Überlebensfrage“

Peter Altmaier mit Windrädern im Hintergrund Quelle: imago images

Zahlreiche Energieminister der Länder und Verbände üben massive Kritik an den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums zum Ausbau der Windenergie an Land. Ihre Warnung: Berlin erreiche das Gegenteil.

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Ein Paragraf aus dem geplanten Kohleausstiegsgesetz des Bundeswirtschaftsministers sorgt für massive Kritik aus mehreren Bundesländern. Der darin festgehaltene Plan Peter Altmaiers (CDU), den Abstand von Windkraftanlagen zu Wohnbebauung künftig auf 1000 Metern festzuschreiben, halten einige seiner Kollegen für ein fatales Signal an eine ohnehin schon darbende Branche. Gerade erst hatte das Unternehmen Enercon angekündigt, 3000 Stellen abbauen zu müssen. Erinnerungen an das Sterben der deutschen Solarindustrie werden nun wach.

„Windkraftausbau ist Klimaschutz, wir brauchen mehr Windräder statt weniger“, sagt Jens Kerstan, der Hamburger Energiesenator. „Die umstrittene Abstandsregelung gefährdet bestehende Windräder und ist ein Bremsklotz für den weiteren Ausbau an Land. Die Regel muss aus dem Gesetz gestrichen werden.“ Seit 2017 seien in der Branche bereits 36.000 Jobs wegefallen, für Zehntausende weitere Arbeitsplätze drohe das Aus. Es stelle sich die „Überlebensfrage“.

Ähnlich deutlich äußert sich auch Kerstans Parteifreund, Energieminister Franz Untersteller aus Baden-Württemberg: „Das darf nicht so stehen bleiben. Die Bundesregierung erklärt die Windkraft praktisch für ungewollt, wirtschafts- und energiepolitisch schadet diese Regelung dem Standort Deutschland“, sagt Untersteller. „Am besten und zu wünschen wäre es, wenn die Bundesregierung noch zur Vernunft kommt. Ansonsten setze ich darauf, dass es in der Länderkammer und im parlamentarischen Verfahren gelingt, das Schlimmste abzuwenden.“

Klare Worte auch von der sächsisch-anhaltinischen Energieministerin Claudia Dalbert: „Ich halte nichts von starren Abstandsregelungen“, sagt sie. Der Vorschlag im Kohleausstiegsgesetz sei „das Ende des Ausbaus der Windenergie an Land“.
So ein breiter Sturm der Entrüstung ist selten. In dieser Woche bekam Altmaier außerdem Post von sechs Verbänden (darunter BDI, BDEW, DGB und VKU), die in einem offenen Brief eindringlich warnten: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien auf 65 Prozent der Stromerzeugung bis 2030 könne so nicht gelingen. Und damit noch nicht genug.

Aus der Niedersächsischen Regierung heißt es, möglichst solle es erst „gar nicht zu einer pauschalen Abstandregelung kommen“. Dies sei das „falsche Signal für die Windenergiebranche, für die Energiewende und für den Klimaschutz“. Thüringens Energieministerium unterstreicht, die Regelung „trägt nicht zu einer guten Balance von Ausbau und Akzeptanz bei, sondern geht zu Lasten des Ausbaus, ohne die Akzeptanz zu stärken“. Und nach Schätzungen des Fachressorts in Rheinland-Pfalz müsse mit einem Verlust von 20 bis 50 Prozent der bundesweit verfügbaren Flächen für den Ausbau von Windkraftanlagen gerechnet werden. Ähnliche Zahlen nennen die Verbände.

Zwar ist in dem umstrittenen Bundesgesetz eine Abweichungsklausel für Länder und Kommunen eingeplant, so dass vor Ort andere Abstände festgelegt werden könnten. Das trägt jedoch nicht zur Beruhigung bei. Alleinfalls von „Schadensbegrenzung“ ist die Rede.

Selbst in Bundesländern, die bereits eine eigene und gleichlautende Abstandsregel von 1000 Metern beschlossen haben, wie etwa in Brandenburg, stößt der Altmaier-Plan auf starke Vorbehalte. „Die im Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes vorgenommene Definition signifikanter Bebauung von lediglich fünf Wohngebäuden ist jedoch eine unnötige, weitere Einschränkung“, heißt es aus dem Potsdamer Wirtschaftsministerium. Die Folge: Auch in Brandenburg könnte sich „das Potenzial dringend benötigter Windeignungsflächen empfindlich reduzieren“. Dabei hatte das Land nichts zuletzt mit dem Verweis auf den hohen Ökostromanteil gerade erst seinen Tesla-Coup gelandet.

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