340 Millionen Euro Dürrehilfen Ein Lehrstück für Lobbyisten

Ein Mähdrescher wirbelt Staub auf einem trockenen Feld auf. Quelle: Fotolia

Das Bauern-Subventionstheater gleicht bis ins Detail dem Ablauf im letzten Hitzejahr 2003. Und beweist damit nur eines: Eine erfolgreichere Interessenvertretung hat sonst keiner.

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Warum den Plan ändern, wenn er so wunderbar funktioniert? Das mögen sich die Strategen beim deutschen Bauernverband gedacht haben, als die Dürre in Deutschland ihren Lauf nahm. Irgendwann Anfang Juli, als abzusehen war, dass die Ernten dieses Mal wohl nicht nur Grund zur Freude sein würden. Und als sich abzeichnete, dass Deutschland in den kommenden Wochen nur noch übers Wetter diskutieren würde.

Als ihnen also klar wurde: Wenn wir es geschickt anstellen, gibt es hier viele Millionen an Subventionen zu holen. Sie haben sich vielleicht an die Ereignisse aus dem aus dem letzten Dürrejahr 2003 erinnert. Zumindest scheint es so, wenn man das politische Geschehen Revue passieren lässt, das seitdem seinen Lauf nahm.

Berlin, 16. Juli 2003: Bauernpräsident Gerd Sonnleitner fordert erstmals Sonderhilfen des Bundes, er rechnet vor, dass den Bauern Ernteausfälle von „rund einer Milliarde Euro“ drohten. 15 Jahre später wiederholt sich das Schauspiel, diesmal heißt der Bauernpräsident Joachim Rukwied. Und die erwarteten Ernteausfälle? Eine Milliarde Euro.

Geradezu subtil ist der Schritt, den das Lobbyisten-Lehrbuch danach vorsieht. Berlin, Ende Juli 2003: Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) stellt den Bauern Hilfe in Aussicht, mahnt aber an, zuerst wolle sie konkrete Erntedaten sehen. Fast wortgleich klang in den vergangenen Wochen Künasts Amtserbin Julia Klöckner, die bei jeder Gelegenheit bekräftigte, sie wolle zunächst „valide Zahlen und Daten sehen“, bevor sie über Hilfen entscheiden könne. Es wurde ihr als Ausweis besonderer Standhaftigkeit ausgelegt. Dabei hat Klöckner scheinbar nicht mehr getan, als die ihr vorgesehen Rolle im Subventionstheater zu spielen. Die vermeintlich harten Worte machen es schließlich umso leichter, die letztendlich gezahlten Millionen als politisch legitim zu verkaufen.

Und tatsächlich gelingt nun auch der letzte Akt: Die Bauern bekommen tatsächlich ihre Hilfe, die 150 bis 170 Millionen sind mehr als das doppelte dessen, was Sonnleitners Leute 2003 herausverhandeln konnte. Zudem umfassen Klöckners Zahlen diesmal nur die Hilfe des Bundes, zusammen mit den Programmen der Länder werden die Landwirte am Ende bis zu 340 Millionen Euro extra bekommen.

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Auf den ersten, von den Lobbyisten klug inszenierten Blick, rechtfertigt die Realität diese Zahlen dennoch: Nach den jetzt vorgelegten Zahlen fehlen bei der Weizen- und Rapsernte in diesem Jahr 30 Prozent im Vergleich mit den Ernten der vergangenen drei Jahre, 2003 waren es nur 13 Prozent. Die Millionen, die Klöckner jetzt rausrückt, lässt das beinahe angemessen erscheinen. Die Ministerin selbst spricht von einem „bedachten Vorgehen“.

Doch die Bauern hätten nicht die beste Lobby Berlins, wenn sie nicht auch bei dieser allzu naheliegenden Argumentation ganze Arbeit geleistet hätten. Denn wer genauer hinschaut, erkennt zwei gravierende Unterschiede. Das zeigt sich schon bei der Schadensberechnung selbst: Der gewählte Vergleichszeitraum von drei Jahren ergibt wohl nicht zufällig die maximale Schadenshöhe. Nach den Berechnungen des Bauernverbandes belaufen sich die Schäden im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren nur auf 26 Prozent, im naheliegenden Vergleich mit dem Vorjahr sind es gar nur 21 Prozent.

von Konrad Fischer, Simon Book, Christian Ramthun

Zudem hakt der Gesamtvergleich: Zwar trifft es zu, dass die Ernte in Relation zu den Durchschnittsernten der letzten Jahre um 30 Prozent niedriger ausfällt. Pro Hektar erreicht sie aber – nach Angaben des Bauernverbandes – genau das Niveau von 2003. Dass die Subventionen überhaupt das Niveau von 2003 übertreffen, müsste angesichts dessen eher als maßlos und nicht als angemessen gelten.

Vor allem aber belegt es, wie gut sich die Produktivität und damit auch die Rentabilität bäuerlicher Unternehmen in den vergangenen 15 Jahren insgesamt entwickelt hat – und stellt damit zusätzliche Subventionen eigentlich per se in Frage. Doch der Plan der Bauern-Lobby sieht wohl leider nicht vor, dass solche Argumente in der öffentlichen Debatte eine Rolle spielen. Man zitiere stattdessen lieber die Ministerin Klöckner: „Unser aller Interesse muss es doch sein, dass die junge Generation die Landwirtschaft in Deutschland noch weiter betreibt. Da geht es um ein Stück deutsche Kulturlandschaft, um ein Stück Deutschland.“ Und das heißt dann wohl auch: Sind wir nicht alle irgendwie Bauern-Lobbyisten?

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