Seit Monaten streiten Bund und Länder über das Wann, Wie und Wo des 49-Euro-Monatstickets für Busse und Bahnen im Regionalverkehr. Am Freitag erzielten sie einen Durchbruch – zumindest in wesentlichen Fragen: So soll das bundesweite Abo für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zum 1. Mai kommen. Verkaufsstart des sogenannten Deutschlandtickets ist demnach der 3. April. Trotzdem bleiben einige Streitpunkte weiter offen. Und scheitern könnte das ganze Vorhaben auch noch. Ein Überblick.
Das Ticket
Das 49-Euro-Monatsticket für den ÖPNV gilt als Nachfolge-Angebot für das im vergangenen Sommer ausgelaufene 9-Euro-Ticket. Mit ihm können Inhaber bundesweit Busse und Bahnen des Regionalverkehrs benutzen - für 49 Euro im Monat. Das Angebot soll vor allem die unübersichtliche Angebotsstruktur der zahlreichen Verkehrsverbünde in Deutschland vereinfachen und mehr Menschen in den ÖPNV bringen. Das Ticket ist jeweils für einen Monat gültig und wird automatisch verlängert, wenn der Inhaber nicht rechtzeitig kündigt.
Die Einigung
Nach monatelangem Streit haben sich Bund und Länder auf der Sitzung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe geeinigt. „Das, was viele sich wünschen, wird zum 1. Mai Realität“, sagte der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne), im Anschluss. Es seien in diesen Fragen nicht nur Fortschritte erzielt, „sondern über die wirklich wichtigen Punkte eine endgültige Verständigung erreicht“ worden, betonte der Minister.
Entschieden haben beide Seiten auch über das sogenannte Jobticket: Demnach haben Arbeitgeber die Möglichkeit, ihren Beschäftigten das 49-Euro-Ticket als Jobticket bereitzustellen. Wenn sie dabei einen Abschlag von mindestens 25 Prozent gewähren, geben Bund und Länder einen weiteren Abschlag von fünf Prozent dazu. Arbeitnehmer könnten auf diese Weise das Ticket also für mindestens 30 Prozent weniger erhalten. Die Länder und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) sehen darin ein wichtiges Mittel, noch mehr Fahrgäste für den ÖPNV zu gewinnen. Schon jetzt gebe es mehrere Millionen Inhaberinnen und Inhaber eines Jobtickets, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff kürzlich.
Einigung gab es auch über ein bürokratisches Detail: Der neue Tarif wird zunächst nicht – wie sonst üblich – von den regional zuständigen Behörden genehmigt, sondern einheitlich über den Bundesgesetzgeber. Damit drohen keine schwarzen Flecken bei der Gültigkeit, weil hier und dort noch eine Tarifgenehmigung aussteht.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nannte die Einigung am Freitagnachmittag ein „gutes Signal für all die Menschen, die dringend auf die Einführung des Tickets warten“. Auch Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) äußerte sich zufrieden. „Es ist gut, dass man einen großen Schritt weitergekommen ist“, teilte er mit. „Die restlichen Fragen sollten so schnell wie möglich abgearbeitet werden, damit der 1. Mail als Starttermin auf jeden Fall klappt.“
Daran könnte es noch scheitern
Weil der Bund die Verkehrsunternehmen für ihre Umsatzeinbußen durch das 49-Euro-Ticket mit Milliardensummen kompensiert, berührt das Vorhaben beihilferechtliche Fragen auf EU-Ebene. Der Bund steht derzeit mit der Kommission im Austausch, die dem ganzen noch zustimmen muss. Bleibt das grüne Licht aus Brüssel aus, dürfte das das vorläufige Ende für das 49-Euro-Ticket bedeuten.
Einfach, aber teurer: Was kann das geplante Nahverkehrsticket?
Ob sich die Monatskarte für 49 Euro für Stammkunden rechnet, hängt von Ort und Fahrtstrecke ab. Wer nur innerhalb seiner eigenen Stadt unterwegs ist, den erwartet ein mehr oder weniger großer Rabatt. In Frankfurt kostet das Abo in der günstigsten Variante rund 77 Euro, in Berlin um die 63 Euro und in Paderborn nur etwa 55 Euro.
Klarer ist die Sache für Menschen, die aus dem Umland in Innenstädte pendeln. Für sie lohnt sich das geplante Angebot in den allermeisten Fällen. Denn bisher galt bei den Tarifen: Je weiter, desto teurer. Wer etwa die 50 Kilometer zwischen Lüneburg und Hamburg pendelt, zahlt im Abo mindestens rund 187 Euro im Monat. Kommt der Einheitspreis, dann gilt: Je weiter, desto größer die Ersparnis.
Viele haben sich daran gewöhnt: allmorgendlich Stau, Nervenprobe auf Einfallstraßen der Großstadt. Ein neues, dauerhaft günstiges Ticket für Busse und Bahnen könnte da manche ins Grübeln bringen - und vielleicht zum Umstieg bewegen. Jedoch: Bus- und Bahnfahren ist in den meisten Fällen schon jetzt günstiger als ein eigenes Auto. Denn dieses schlägt jeden Monat mit mehreren hundert Euro zu Buche. Viele fahren trotzdem Auto, der Preis ist für sie nicht das Hauptargument.
Das 9-Euro-Ticket hat sich vor allem an touristischen Zielen bemerkbar gemacht. Viele nutzten die Gelegenheit für günstige Ausflüge. Das dürfte sich bei einer Nachfolgelösung für 49 Euro ändern. Denn für gelegentliche Tagesausflüge, gerade mit mehreren Reisenden, sind häufig die bestehenden Länder-Tickets der Bahn oder das bundesweiten Quer-durchs-Land-Ticket günstiger.
Wenn in der Nähe selten Busse oder Züge halten, bringt auch die günstigste Fahrkarte nicht viel - so wie in vielen Dörfern. An mehr als jeder dritten Haltestelle in Deutschland kann man nach Berechnungen der Bahn-Tochter Ioki nicht mal einmal pro Stunde in die eine oder die andere Richtung fahren. Auch der Autofahrerclub ADAC mahnt an, weiterhin Lücken im öffentlichen Angebot zu schließen.
Es müsse nicht nur Geld für günstigere Fahrkarten geben, sondern auch für mehr Busse und Bahnen, heißt es beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Andernfalls müssen im kommenden Jahr umfassend Leistungen abbestellt werden, da diese mit den vorhandenen Mitteln nicht mehr finanziert werden können“, ergänzt der Bundesverband Schienennahverkehr.
„Es fehlt die Familienkomponente“, kritisiert Karl-Peter Naumann, der Ehrenvorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn. Denn eine kostenfreie Kindermitnahme wie beim Vorbild 9-Euro-Ticket ist bisher jedenfalls nicht angekündigt. Das werde manche davon abhalten, auf Bus und Bahn umzusteigen. „Für den Autofahrer macht es bei den Kosten aber keinen Unterschied, ob er seine Kinder mitnimmt.“
Eine gute Stunde fährt der ICE morgens von Berlin nach Wolfsburg, eine Verbindung, die auch Berufspendler nutzen. Wollten sie das neue Ticket nutzen, müssten sie mehr als drei Stunden in Nahverkehrszügen verbringen - keine gute Alternative. Das gleiche gilt für Fernreisen durch Deutschland, sofern man nicht sehr viel Zeit hat. Doch wer viel Zeit hat, kann sich auch rechtzeitig Sparpreis-Tickets für den Fernverkehr ab 17,90 Euro sichern und mit dem ICE fahren.
Das digitale Ticket
Ungeklärt ist dem VMK-Vorsitzenden Krischer zufolge noch die Frage, in welcher Form das Ticket an die Abonnentinnen und Abonnenten gelangt. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) fordert eine ausschließlich digitale Lösung. Denkbar wäre etwa ein QR-Code in der App oder eine Chipkarte, auf der die Daten digital gespeichert sind. Doch nicht alle Verkehrsverbünde können diese digitalen Möglichkeiten anbieten. Der VDV und auch die Länder hatten deshalb gefordert, zumindest für eine Übergangslösung auch noch Papiertickets zuzulassen.
Bund und Länder einigten sich am Freitag darauf, dass es diese Papierlösung übergangsweise bis Ende des Jahres nur für die Verbünde geben soll, die zumindest grundsätzlich technisch in der Lage sind, auch Chipkarten auszugeben und dafür nur etwas Zeit brauchen. Voraussetzung: Auch das Papierformat muss digital auslesbar sein, etwa über einen QR-Code. Doch was ist mit den Verbünden, die gar keine digitalen Möglichkeiten haben? Krischer zufolge blieb diese Frage offen.
Spätestens in einigen Wochen kommen Bund und Länder wieder zusammen auf der Verkehrsministerkonferenz. Gut denkbar, dass das Thema auch dann wieder eine Rolle spielen wird.
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