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570.000 Jobs gefährdet Simulation: Mindestlohn vernichtet Arbeitsplätze in Ostdeutschland

2015 kommt der Mindestlohn in Deutschland. Laut der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft sind dadurch in Ostdeutschland knapp 600.000 Jobs gefährdet.

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In welchen Branchen Mindestlöhne bereits fällig sind
FleischindustrieDie Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) fordert einen bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro für die deutsche Fleischindustrie. In der Branche arbeiten rund 80.000 Arbeitnehmer. Die Bezahlung der Mitarbeiter in der Branche ist bisher über einzelne Haus- oder regionale Tarife geregelt, die nur rund 27. 000 Beschäftigte erfasst. Nach Gewerkschaftsangaben wiesen die Arbeitgeber die Forderung zurück. Dies sei zwar für den Westen möglich, kurzfristig jedoch nicht für die ostdeutschen Bundesländer. Nach mehreren Stunden vertagten die Tarifparteien die Gespräche auf den 17. Dezember. Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns in Deutschland ist auch Ziel der SPD in ihren Koalitionsverhandlungen mit der CDU/CSU. Quelle: dpa
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) warnt vor einem flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde. Die Politik solle mit einer niedrigeren Lohnuntergrenze - beispielsweise bei sieben Euro - beginnen und sich langsam steigern. Insgesamt würden bei einem Mindestlohn von 8,50 Euro 17 Prozent der Arbeitnehmer einen höheren Stundenlohn erhalten - die Lohnsumme würde jedoch nur um drei Prozent steigen, so das DIW. Schließlich gebe es viele Niedriglöhner, deren Partner gut verdienen. Das Plus werde dann von der Steuer gefressen. Auch Arbeitslose, die sich etwas dazu verdienen, hätten nichts vom höheren Lohn, da dieser mit den Sozialleistungen verrechnet werde. Der Mindestlohn von 8,50 Euro hätte dagegen zur Konsequenz, dass mehr Unternehmen auf Minijobs als auf Festangestellte setzen und letztlich die Preise bei den sogenannten konsumnahen Dienstleistungen steigen. Frisöre, Kleinst- und Gastronomiebetriebe würden die höheren Lohnkosten an die Kunden weitergeben. Quelle: dpa
In der Friseurbranche wird es ab August 2015 einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn von 8,50 Euro geben. Dem Tarifvertrag wollen laut Angaben von Landesverbänden und der Gewerkschaft Verdi auch mehrere Friseurketten betreten. Bis Ende Juni soll der Vertrag von allen Seiten unterschrieben sein. Der flächendeckende Mindestlohn werde von August 2013 an in drei Stufen eingeführt. Der Osten startet mit 6,50 Euro Stundenlohn, der Westen mit 7,50 Euro. Diese verschiedenen Stufen waren nötig, weil bislang regional sehr unterschiedliche Tarifverträge existierten. In den neuen Bundesländern gab es zum Teil Ecklöhne von nur knapp mehr als drei Euro pro Stunde, wie Verdi-Verhandlungsführerin Ute Kittel sagte. Quelle: dpa
In welchen Branchen Mindestlöhne bereits fällig sindDie Zeitarbeit führt als elfte Branche in Deutschland ab dem 1. Januar 2012 Mindestlöhne ein. Festgelegt ist, dass dann bis zum 31.Oktober 7,89 Euro in Westdeutschland und 7,01 Euro in Ostdeutschland gezahlt werden müssen. Zwischen dem 1. November 2012 und dem 31. Oktober 2013 wird die Lohnuntergrenze dann auf 8,19 Euro in Westdeutschland und 7,50 Euro in Ostdeutschland angehoben. Quelle: Hans-Böckler-Stiftung Quelle: dpa
Im Wach- und Sicherheitsgewerbe gilt seit dem 1. Juni 2011 ein Mindestlohn von 6,53 Euro. Anders als in den meisten Branchen ist der Tarif hier deutschlandweit einheitlich. Zum 1. Januar 2013 sollen die Stundenlöhne steigen, die Beschäftigten können dann mit einem Tarif zwischen 7,50 Euro und 8,90 Euro rechnen. Foto: dpa   Quelle: Hans-Böckler-Stiftung
Wäschereien müssen ihren Beschäftigten im Osten 6,75 Euro die Stunde zahlen. Im Westen liegt der Mindestlohn über einen Euro höher, hier bekommen Angestellte mindestens 7,80 Euro. Quelle: dpa
Reinigungskräfte bekommen für den Innendienst einen Stundenlohn von sieben Euro (Ostdeutschland) und 8,55 Euro (Westdeutschland). Genau 2,78 Euro mehr pro Stunde… Foto: dpa

Zwischen 250.000 und 570.000 Arbeitsplätze werden nach neuen Berechnungen durch den gesetzlichen Mindestlohn ab 1. Januar 2015 in Deutschland wegfallen. Das zeigt zumindest eine aktuelle Simulationsstudie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).

Im Bereich der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung könnten demnach in Ostdeutschland bis zu elfmal mehr Stellen wegfallen als in Westdeutschland. Die höchsten Arbeitsplatzverluste zeichnen sich den Forschern zufolge in Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und in Sachsen-Anhalt ab, mit Beschäftigungseinbußen von zum Teil über vier Prozent.
Brandenburg sei aufgrund seiner Nähe zu Berlin etwas besser gestellt als die anderen ostdeutschen Bundesländer; Berlin nehme eine Mittelstellung zwischen alten und neuen Bundesländern ein. In den alten Bundesländern finden sich die höchsten Beschäftigungsverluste laut INSM in Schleswig-Holstein. Die geringsten Verluste werden für die südlichen Bundesländer sowie das Saarland vorhergesagt.

Besonders hoch sind die prognostizierten Beschäftigungsverluste bei den geringfügig Beschäftigten. Im Osten Deutschlands werde voraussichtlich fast jeder vierte dieser Jobs wegfallen. Laut der Studie sind 24,9 Prozent der geringfügig Beschäftigten in Sachsen-Anhalt betroffen und 21,8 Prozent in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.

Die Wahrscheinlichkeit eines Jobverlusts hängt – neben regionalen Merkmalen – vor allem von individuellen Qualifikationen ab: "Bei den Hochschulabsolventen gibt es kaum einen Unterschied in der Betroffenheit zwischen Ost- und Westdeutschland, sie liegt für die Gesamtbeschäftigung je nach Modell nur zwischen 0,1 und 0,2 Prozent bei Vollzeitbeschäftigten", so die Mindestlohnexperten Ronnie Schöb und Andreas Knabe von der Freie Universität Berlin beziehungsweise der Universität Magdeburg.

Bei Personen ohne Berufsabschluss seien die erwarteten Beschäftigungsverluste im Osten allerdings deutlich höher als im Westen. "In Westdeutschland drohen 3 Prozent der Arbeitsplätze dieser Qualifikationsgruppe verloren zu gehen, in Ostdeutschland sogar 7,4 Prozent", sagt Schöb.

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