85.548 Steuerzahler unter 18 Kinder und Jugendliche zahlen 163 Millionen Euro Einkommensteuer

Am meisten erhält der Staat von Kindern und Jugendlichen mit Einkommenssteuern in der Kategorie „Nichtselbständige Arbeit“: knapp 289.000 Fälle mit 978 Millionen Euro Einkünften. Quelle: imago images

Noch nicht volljährig, aber schon kräftig steuerpflichtig: Unter-18-Jährige zahlen in Deutschland schon ordentlich Steuern – und längst nicht alle sind Kinder reicher Eltern.

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Kurz nach der Geburt bekommt jedes Baby Post vom Bundeszentralamt für Steuern. Das Schreiben beginnt mit der Anrede „Sehr geehrte Dame, sehr geehrter Herr“. Nun gut, es ist ein Standardschreiben und die Digitalisierung ist offenbar noch nicht so weit fortgeschritten, dass man „Lieber Felix“ oder „Liebe Anna“ schreibt. Man schreibt auch nicht „Herzlich Willkommen auf dieser Welt!“ Sondern fällt gleich mit der Tür ins Haus, damit das Baby von Anfang an weiß, was in diesem Staat besonders wichtig ist: „Das Bundeszentralamt für Steuern hat Ihnen (sic!) die Identifikationsnummer xy xyx xyx xcx zugeteilt.“ Für steuerliche Zwecke und ein Leben lang gültig.

Doch nach diesem Brief kümmert sich die Finanzbehörde erst einmal viele Jahre nicht mehr um den Nachwuchs. Abgesehen natürlich von dem Fall, dass die Kinder und Jugendlichen steuerpflichtige Einkünfte beziehen.

Dass dies gar nicht so selten der Fall ist, hat nun das Bundesfinanzministerium auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ermittelt: 85.548 Bürger unter 18 Jahren haben 163 Millionen Euro Steuern gezahlt. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2016, was wegen der Abgabefristen und der Bearbeitungszeiten in den Finanzämtern das aktuellste verfügbare Jahr ist.

Um die Anfrage beantworten zu können, hat das Bundesfinanzministerium erst einmal das Statistische Bundesamt um eine „Sonderauswertung“ gebeten. Über minderjährige Steuerzahler ist offenbar nicht viel bekannt. Vielleicht sind die Beamten selbst überrascht, dass junge Leute Geld verdienen. Kritischer sieht das der FDP-Abgeordnete Matthias Seestern-Pauly aus dem Kreis Osnabrück, der die Anfrage an die Regierung initiiert hat: Dass allein für seine Anfrage die Bundesregierung eine Sonderauswertung durchführen lassen musste, entlarve „das Desinteresse und ihre Ahnungslosigkeit“.

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von Niklas Hoyer

Für den Abgeordneten Seestern-Pauly ist nun auch klar: „Die beeindruckende Dynamik der Jugendlichen gibt es nicht wegen, sondern trotz der Politik der Bundesregierung.“ Denn die Sonderauswertung hat ergeben, dass es sich bei den Steuern zahlenden Kindern und Jugendlichen keinesfalls nur um den Nachwuchs reicher Eltern handelt, denen Daddy und Mommy frühzeitig ein paar fette Aktienpakte oder Firmenanteile herüberreichen. Die gibt es natürlich auch, wie die Lohn- und Einkommensteuerstatistik zeigt: Gut 16.000 Steuerzahler der Altersklasse U18 meldeten 71 Millionen Euro Einkünfte überwiegend aus Kapitalvermögen und zahlten darauf insgesamt 4,8 Millionen Steuern. Aus Vermietung und Verpachtung gab es 3422 Fälle mit gut 42 Millionen Euro Einkünften und 11,5 Millionen Euro Steuern. Soweit die Kinder und Teenager, denen das Geld möglicherweise in den Schoss gefallen ist.

Die größte Gruppe befindet sich jedoch in der Kategorie mit der überwiegenden Einkunftsart „Nichtselbständige Arbeit“: knapp 289.000 Fälle mit 978 Millionen Euro Einkünften; davon zahlten 81.000 am Ende 14,7 Millionen Euro. Den größten Batzen holte sich der Fiskus derweil in der Kategorie „Gewerbebetrieb“, zu denen auch Start-ups zählen: 3040 Jungunternehmer meldeten Einkünfte im Höhe von 477 Millionen Euro, wobei lediglich 1260 Jungspunde satte 130 Millionen Euro an den Fiskus überwiesen.



Dafür gibt es ein dickes Lob vom FDP-Bundestagsabgeordneten Seestern-Pauly: „Hunderttausende Jugendliche reichen Steuerklärungen ein. Sie sind fleißig, kreativ und zeigen bemerkenswerten unternehmerischen Geist.“ Sie würden täglich den Willen zeigen, etwas zu bewegen und nur darauf warten, ihr Potenzial entfesseln zu können. Soweit das Lob. Den Tadel verteilt der Freidemokrat an die Bundesregierung: „Sie lässt die jungen Macher von Morgen im Regen stehen.“ Warum? Weil auf seine Frage „Welche Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschafts- und Finanzkompetenz von Kindern und Jugendlichen hat die Bundesregierung aus welchen Gründen seit dem Jahr 2018 ergriffen?“ diese daraufhin antwortet: „Die Bundesregierung hat keine Maßnahmen im Sinne der Fragestellung ergriffen.“ Schließlich gehöre die ökonomische Bildung zum Bildungsauftrag der allgemeinbildenden Schulen in Deutschland, für die nach der grundgesetzlich geregelten Kompetenzverteilung die Länder zuständig sind. Wenigstens hier ist die Regierung klar im Bilde.

Wer nun nicht gleich im zarten Kindes- und Jugendalter einen ordentlichen Beitrag für die Staatsfinanzen leistet, der sei getröstet: Die Steueridentifikationsnummer, die das Bundeszentralamt für Steuern jedem Neugeboren zugeschickt, ist „lebenslang gültig“.

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