Abenteuerliche Finanzpolsterbildung Die Intransparenz der IHK-Transparenzoffensive

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Beginn als Querulant

Gut, dass Geld da ist: Die Zentrale der IHK München wird gerade saniert. Quelle: dpa Picture-Alliance

Kai Boeddinghaus hat mal als einsamer Querulant begonnen, so ganz losgeworden ist er das Image bis heute nicht. Bei YouTube gibt es ein Video von ihm aus dem Kasseler Stadtrat, wo er, der parteiunabhängige Abgeordnete, sich so in Rage redet, dass er immer wieder von der Versammlungsleiterin ermahnt wird. Da jubeln die anderen Stadtverordneten. Auch sein Engagement gegen die Kammer ergab sich aus so einer Alle-gegen-einen-Situation. Anfang des vergangenen Jahrzehnts kursierte in Kassel die Idee, einen Flughafen zu bauen, Boeddinghaus hielt das gleich für einen abstrusen Plan. Der nächste Flughafen in Paderborn ist kaum eine Stunde Fahrt entfernt, das Drehkreuz Frankfurt in zwei Stunden erreicht. Er, Besitzer eines großen Reisebüros, glaubte, die Chancen eines solchen Airports ganz gut einschätzen zu können. Also schaltete er eine Anzeige gegen das Projekt. Und bekam Ärger mit der IHK. „Ich habe zwar immer meine Beiträge gezahlt, mich sonst aber nicht ein einziges Mal mit der IHK auseinandergesetzt“, sagt Boeddinghaus. Jetzt aber sollte ihm, dem Mitgliedsunternehmer, die Propaganda gegen den Flughafen verboten werden, der Vorwurf lautet auf „unlautere Werbung“. Am Telefon erfuhr er den Grund: Er sei schließlich Kammermitglied und die IHK ihrerseits für den Flughafen.

Doch die Kammer hatte sich einen schlechten Gegner ausgesucht. Denn vor einem Rechtsstreit scheut Boeddinghaus nie zurück. Einmal hat er einen Strafzettel vor seinem Büro kassiert, den er für ungerechtfertigt hielt. Da parkte er so lange an der gleichen Stelle, bis er nach 100 Knöllchen und drei Prozessen recht bekam, das Parkverbot wurde aufgehoben. Auch diesmal nimmt er den Kampf an. Und stößt auf einen interessanten Fakt: Die IHK Kassel befürwortet nicht nur den Flughafen, sie ist auch Anteilseigner. Das scheint Boeddinghaus eine unzulässige wirtschaftliche Betätigung, er fragt bei der IHK nach. Schnell erhält er eine Antwort: Die IHK halte die Anteile nur treuhänderisch für das Land, wolle ohnehin aussteigen. Auch in Sachen Werbung setzt er sich durch. Der seit knapp einem Jahr eröffnete Flughafen hat sich längst als Subventionsgrab erwiesen. Boeddinghaus sieht sich auf ganzer Linie im Recht, doch für ihn ist das nicht Ende, sondern Anfang eines seitdem andauernden Disputs mit dem Kammerwesen.

Boeddinghaus’ persönliche Protestgeschichte ist eine typische. Über die Finanzierung der Kammern ärgern sich viele, aktiv wird deshalb kaum einer. Erst wenn es um Politik geht, wird es für die Kammern wirklich gefährlich. Denn die IHKs nehmen für sich in Anspruch, das „Gesamtinteresse der Wirtschaft“ zu vertreten. Die Logik dahinter ist zunächst einleuchtend: „Die Vollversammlung ist die demokratisch gewählte Vertretung der Unternehmerschaft“, erläutert Thomas Brömmel, Bauunternehmer und Vollversammlungsmitglied aus Gladbeck im nördlichen Ruhrgebiet, „was dort eine Mehrheit findet, bildet somit die überwiegende Meinung der Wirtschaft ab.“

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