Abfindungen Schwächt das Machtkartell der Manager!

Der ehemalige VW-Vorstandschef Matthias Müller (2. v.r.) vor seiner Entmachtung bei der Bilanzpressekonferenz am 20. März.

Millionen-Abfindungen für geschasste Manager sind keine Folge entfesselter Märkte. Im Gegenteil: es liegt an ihrer Zersetzung durch Machtkartelle. Ludwig Erhard sähe wohl Handlungsbedarf.

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Matthias Müller ist als Lenker des VW-Konzerns gescheitert und wurde deswegen abgelöst. Doch finanziell macht das für ihn keinen großen Unterschied. Er kann nach Lage der Dinge entweder mit einer Abfindung von rund 20 Millionen Euro oder einer Fortzahlung seiner Bezüge bis Vertragsende (2020) in gleicher Höhe rechnen.

Die öffentliche Empörung ist immer wieder groß, wenn geschasste Topmanager trotz Scheiterns so gut wie keine Einbußen ihrer fürstlichen Entlohnung hinnehmen müssen. Und diese Empörung ist völlig angemessen. Niemand kann überzeugend rechtfertigen, dass ein Mann, dessen horrendes Gehalt durch unternehmerische Leistung und Verantwortung begründet wird, dieses auch erhält, wenn er nicht leistet, was von ihm erwartet wurde, und seiner Verantwortung eben nicht gerecht wurde. Das mag rechtlich unanfechtbar sein. Aber gerecht oder angemessen ist es nach allgemeinem Empfinden sicher nicht.

Der Schaden, den solche goldenen Vorstandsabschiede verursachen, geht dabei weit über die Finanzen der betreffenden Konzerne hinaus. Natürlich kann die VW-Kasse Müllers Versorgung ebenso gut verkraften, wie die Deutsche Bank die ihres gescheiterten Ex-Vorstandschefs John Cryan. Schaden nimmt aber die Wirtschaftsordnung als Ganze, indem in der Gesellschaft der Glauben verloren zu gehen droht, dass es in ihr halbwegs leistungsgerecht zugehe. Bezahlt werden die Müllers und Cryans also auch aus dem „sozialen Kapital“ der Gesellschaft, das diese zusammenhält.

Für viele Empörte ist klar, wer schuldig ist: die durch den „Neoliberalismus“ vermeintlich „entfesselten Märkte“, die der Staat daher endlich wieder an die Kandare nehmen müsste. Doch das ist ein Trugschluss. Das absurde Phänomen der vergoldeten Absetzungen unternehmerisch oder moralisch gescheiterter Topmanager und das völlig aus dem Ruder gelaufene Bonus-System, überhaupt die exorbitant gestiegenen Vergütungen in den Topetagen der Konzerne sind nicht, wie linke Kritiker klagen, eine Folge der Dominanz des Marktes und fehlender Durchgriffe staatlicher Regulierung. Die ungehemmten Exzesse sind im Gegenteil gerade dadurch zu erklären, dass es einen funktionierenden Arbeitsmarkt auf diesem Feld des höchsten Managements nicht gibt.

Zumindest reguliert er hier nicht, wie man im Idealfall annehmen sollte, die Vergütung. Das Angebot an Topmanagern ist sicher nicht so knapp, dass man ihre Gehaltsexplosion mit steigender Nachfrage bei sinkendem Personalangebot erklären könnte. Die Zahl der Top-Positionen ist mehr oder weniger gleichbleibend. Und die Hochschulen produzieren alljährlich Zigtausende junge Nachwuchsmanager.

Wirklich knapp sind dagegen zum Beispiel Erzieher und Altenpfleger. Wieso verdienen die eigentlich so wenig? Die Frage ist ganz sicher nicht mit Verweis auf den Markt zu beantworten. Eher zu beantworten ist sie mit: Macht.

Wenn in der CDU das vielbeschworene Vermächtnis von Ludwig Erhard noch irgendeine reale Bedeutung hätte, müssten dort angesichts der Topmanagement-Exzesse längst die Alarmglocken schrillen. Denn machtdurchsetzte Strukturen im Wirtschaftsleben zu zerschlagen und ihre Entstehung zu verhindern, war das zentrale Anliegen der ordoliberalen Vordenker der „sozialen Marktwirtschaft“.

In seinen eigenen Worten aus einer Rede von 1954: „Wir sprechen in Deutschland von sozialer Marktwirtschaft, weil wir es im Gegensatz zum Kapitalismus vergangener Tage und zum Liberalismus früherer Prägung – etwa dem „Manchester-Liberalismus“ – nicht mehr zulassen wollen, dass sich innerhalb der Wirtschaft Machtpositionen bilden. Wir lehnen vor allem Kartelle ab. Wir glauben, dass sich künstlich konstruierte Machtpositionen nicht mit der Vorstellung eines freien Wettbewerbs in Einklang bringen lassen.“

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