Abfindungen Schwächt das Machtkartell der Manager!

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Topmanager haben das Risiko für sich abgeschafft

Topmanager haben nicht nur als Einzelne, sondern vor allem als soziale Gruppe, als informeller Interessenverein, in der real existierenden Wirtschafts- und Sozialordnung der Gegenwart eine von jeglichem Markt losgelöste Machtposition aufgebaut. Und man besitzt als kleine Klasse im Überfluss, was in der Gesamtgesellschaft im steten Abnehmen begriffen ist: „soziales Kapital“. Man kenn sich, man weiß, wie man zu denken, reden, handeln hat, wenn man dazu gehört. Wie wirksam diese weit über Netzwerkerei im engeren Sinne hinausgehenden Bindekräfte bei der Durchsetzung handfester Interessen sind, hat der Soziologe und Elitenforscher Michael Hartmann in jahrelanger Feldarbeit gezeigt.

Die Klasse der Topmanager ist zwar zahlenmäßig sehr klein, aber ihr kollektives Interesse ist gerade deswegen auch ohne formale Organisation einfach auf der Grundlage unausgesprochener Selbstverständlichkeiten höchst durchschlagsstark. Was sie über die Jahre für sich selbst geschaffen hat, ist eine machtdurchsetzte, kartellhafte Konstellation: Unternehmerisches Risiko für angestellte Topmanager ist weitgehend abgeschafft, weil sie selbst – wie jedes Kartell – die Preise diktiert. Sie kann das, weil die Definitionsmacht über die im Aktiengesetz genannte "übliche Vergütung" letztlich de facto fast ausschließlich bei Angehörigen dieser Klasse selbst liegt. Natürlich haben alle, die zu dieser Klasse gehören oder möglicherweise gehören werden, ein Interesse daran, dass dieses "üblich" exorbitant hoch liegt und dass die vorgeblich „leistungsbezogene“ Vergütung eine Art Rückfallbremse enthält. Bei ausbleibender Leistung oder sonstigem, etwa moralischem Versagen drohen kaum wirklich einschneidende Kürzungen. Wer einmal im Topmanagement angekommen ist, kann also siegen oder verlieren, der Rubel rollt für ihn persönlich in jedem Fall.

Kein Angehöriger dieser Klasse hat ein Eigeninteresse daran, dass geschasste Vorstände wie Matthias Müller, John Cryan oder Christine Hohmann-Dennhardt weniger Geld mitnehmen. Das gilt selbst, vielleicht sogar gerade für Volkswagen, wo ein Minister und ein Ministerpräsident als Vertreter des Großaktionärs Niedersachsen mit im Aufsichtsrat sitzen. Man könnte schließlich auch als Spitzenpolitiker selbst in die Lage kommen, dereinst einem Konzernvorstand anzugehören. Die Fälle mehren sich gerade in jüngerer Zeit bekanntlich.

Ludwig Erhard würde vermutlich die heute üblich gewordene Vergütungs- und Abfindungspraxis angestellter Topmanager als Indiz der Erosion der freien Marktwirtschaft sehen. Denn die bestehe, wie er in der schon zitierten Rede sagte, „nur so lange, wie der Wettbewerb als Motor lebendig ist und der Preis als Steuerungsmittel von niemandem angetastet wird. Wird aus diesem Gebäude ein Stein entfernt, dann wird das Prinzip der Marktwirtschaft beschädigt. Wo zugelassen wird, dass sich neue kollektive Formen des wirtschaftlichen Lebens bilden, findet der Abriss der freien Marktwirtschaft statt.“

Nicht nur für ordoliberale Fundamentalisten ist es angesichts der gesamtgesellschaftlichen Signalwirkung, die von Millionenabfindungen und abnormen Alterssicherungen für gescheiterte Topmanager ausgeht, legitim, staatliches Eingreifen zu fordern. Denn hier geht es nicht um einen Eingriff in den freien wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern im Gegenteil, um die Behebung einer durch ein Machtkartell entstandenen Verzerrung, die die gesellschaftliche Legitimation der Wirtschaftsordnung gefährdet.

von Dieter Schnaas, Simon Book, Max Haerder, Mona Fromm

Die konkrete Forderung, gerade aus dem linken Parteienspektrum, lautet meist: Deckelung der Vergütung und damit der an diese gekoppelten Abfindungen. Klüger und marktwirtschaftlicher und letztlich sozialer in Erhards Sinne wären staatliche Maßnahmen zur Entmachtung des Topmanagementkartells. Die Schaffung von tatsächlich unabhängigen Aufsichtsräten müsste das oberste Ziel sein. Also Aufsichtsräten, die nicht aus alten Seilschaften bestehen. Die alten Griechen von Athen und andere langlebige Demokratien kannten außerdem ein Mittel, um Vermachtung in Institutionen zu verhindern: Das Losverfahren. Ein Aufsichtsrat, in dem nicht ausschließlich gewählte Aktionärsvertreter und Betriebsräte sitzen, die selbst als Funktionäre meist Teil von Machtkartellen sind, sondern zufällig bestimmte Mitarbeiter und auch Kleinaktionäre wäre sehr viel weniger anfällig dafür, Millionenzahlungen für Vorstandsversager durchzuwinken.

Die Vergütungen und Abfindungen von Vorständen wären vermutlich sehr viel abhängiger vom Unternehmenserfolg und vor allem auch vom Unternehmensmisserfolg, wenn Menschen darüber mitentschieden, die keine Berührung mit der Lebenswelt der managenden Klasse haben – aber aus eigener Erfahrung wissen, was finanzielle Risiken bedeuten.

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