
Der Rückhalt in der Bevölkerung für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA schwindet deutlich. Nachdem im Oktober noch 48 Prozent der Bundesbürger die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) gut fanden, sind es aktuell nur noch 39 Prozent. Das geht aus einer Emnid-Umfrage für die Verbraucher-Organisation Foodwatch hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Mit 800 Millionen Verbrauchern soll der größte Wirtschaftsraum der Welt entstehen.
Europäische Bürgerinitiative
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Europäische Bürgerinitiative (EBI) eingeführt. Sie soll den Bürgern politische Teilhabe innerhalb der Europäischen Union ermöglichen. Durch die EBI können die Unionsbürger die Europäische Kommission zwingen, sich mit einem Thema zu befassen. Konkrete Beschlüsse können die Bürger nicht fordern.
Die Bürgerinitiative kann nur auf die Bereiche angewendet werden, die der Europäischen Kommission gemäß EU- und AEU-Vertrag zugewiesen sind. Die Europäische Kommission vertritt die Ansicht, Europäische Bürgerinitiativen dürften keine Vertragsreformen fordern.
Die Initiatoren müssen innerhalb eines Jahres insgesamt eine Million gültige Unterstützungsbekundungen in einem Viertel aller EU-Staaten sammeln. Derzeit entspricht das sieben Staaten.
Durch den Wegfall von Zöllen und Handelshemmnissen sollen auf beiden Seiten des Atlantiks neue Jobs und mehr Wachstum generiert werden. 40 Prozent der befragten Bürger sind gegen das Abkommen, rund 20 Prozent sagten, sie wüssten bisher zu wenig darüber, um sich ein Urteil zu bilden. Bisher haben acht Verhandlungsrunden stattgefunden, es ist noch unklar, wann ein Abschluss erreicht werden kann. Am Montag finden in Berlin zwei Kongresse zu TTIP und dem Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) statt, das als Blaupause für TTIP gilt. Zunächst gibt es ein Wirtschaftsforum des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Industrie- und Handelskammertages mit EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, US-Botschafter John Emerson und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Am Nachmittag folgt eine SPD-Konferenz mit Bürgeranhörungen.
Die Freihandelsabkommen
Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen wie unterschiedlichen Standards und Normen das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde. Kritiker sehen durch beide Abkommen unter anderem demokratische Grundprinzipien ausgehöhlt.
TTIP ist ein sich in der Verhandlung befindendes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA. Seit Juli 2013 verhandeln Vertreter beider Regierungen geheim – auch die nationalen Parlamente der EU erhalten keine detaillierten Informationen.
In dem Abkommen geht es um Marktzugänge durch den Abbau von Zöllen. Zudem sollen globale Regeln entwickelt werden – etwa zur Vereinheitlichung von Berufszugängen innerhalb der Handelszone. Auch Gesundheitsstandards und Umweltstandards sollen angeglichen werden.
Als Blaupause für das Abkommen gilt CETA.
Während die SPD-Linke wegen möglicher Schutzklauseln für Konzerne und dem möglichen Gang vor private Schiedsgerichte beide Abkommen bisher ablehnt, halten es die SPD-Anhänger laut der Umfrage mehrheitlich (51 Prozent) für vernünftig. Ein Drittel von ihnen bewertet es als schlechte Sache. Befürchtet wird von Kritikern unter anderem, dass Gesetze von Konzernen vor Schiedsgerichten ausgehebelt und Verbraucher- und Umweltstandards aufgeweicht werden könnten. Gabriel hat mit seinen sozialdemokratischen EU-Amtskollegen die Schaffung eines Handelsgerichtshofs als Alternative zu privaten Schiedsgerichten ins Spiel gebracht. Zudem sollen Gesetzesänderungen und damit womöglich verbundene Gewinneinbrüche in Nationalstaaten keinen Klagegrund darstellen.
Die Grünen werfen dem SPD-Chef vor, sich mit seinem Ja zu den Handelsabkommen über Bedenken der Bürger und der eigenen Partei hinwegzusetzen. „Sigmar Gabriel muss das Herumgeirre endlich beenden, will er nicht endgültig zum 'Genossen der Bosse' mutieren“, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Deutschen Presse-Agentur.
Im Lager der Union sieht es ähnlich aus wie bei der SPD - 48 Prozent der CDU/CSU-Unterstützer sind dafür, 34 Prozent dagegen. FDP-Anhänger stehen mit 51 Prozent hinter TTIP, während die Ablehnung im Lager der Grünen (47 Prozent), Linken (81 Prozent) und AfD (57 Prozent) groß ist. Besonders sensibel reagieren die Bürger, falls TTIP den Spielraum und die Gesetzeshoheit von Bundestag und EU aushebeln sollte. Das lehnen fast zwei Drittel ab (64 Prozent). Die Deutschen zählen neben Österreichern und Luxemburgern zu den schärfsten Kritikern von TTIP. Insgesamt sind laut einer kürzlich vorgestellten Umfrage im Auftrag der EU-Kommission aber 58 Prozent der Bürger in den 28 EU-Staaten für TTIP. Zuvor soll als erster Schritt das Ceta-Abkommen mit Kanada bis Ende des Jahres von den Staats- und Regierungschefs der EU beschlossen werden und dann 2016 von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden.