Abrams-Panzer US-Rüstungspläne für Europa sind nicht der Grund für Scholz' Panzer-Zögern

250 Abrams-Panzer hat die polnische Regierung in den USA gekauft.  Quelle: imago images

Die mangelhafte Kommunikation der Bundesregierung befeuert Gerüchte. Aktuelles Beispiel: Angebliche Pläne der US-Panzerlobby für Europa. Ein Kommentar. 

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Boris Pistorius wusste offenbar von nichts. Als ARD-Moderatorin Anne Will den neuen Verteidigungsminister am Sonntagabend auf Berichte über einen Streit zwischen seinem US-Amtskollegen und dem Chef des Kanzleramts ansprach, konnte Pistorius im Grunde nur ausweichen. „Zweitrangig“ seien solche Fragen, sagte der Minister. 

Dabei bleibt vieles unklar: Warum verzögert Bundeskanzler Olaf Scholz die Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern an die Ukraine? Und welche Rolle spielt die US-amerikanische Verweigerung, eigene Abrams-Panzer nach Europa zu schicken, für diese Entscheidung? Wenn schon der Verteidigungsminister keine rechte Antwort auf diese Fragen weiß, ebnet die Regierung damit zwangsläufig schädlichen Gerüchten den Boden. Wenn sich diese dann auch noch mit Scheinlogiken in der öffentlichen Debatte festsetzen, liegt das auch an fehlerhafter Krisenkommunikation. 

Ein prominentes Beispiel vom Wochenende: Scholz zögere, weil er die Expansion US-amerikanischer Rüster in Europa befürchte. Wenn die Leos erst einmal an der Ukraine-Front kämpften, so die Logik, brauche der leer gefegte europäische Panzer-Markt irgendwoher Ersatz. Einen Nachschub, den die seit Jahren klein gesparte deutsche Rüstungsindustrie kaum gewährleisten könne. Auftritt: USA, die mit ihren Abrams nur zu gerne einspringen würden.

Ein Verdrängungskampf und wirtschaftliches Eigeninteresse unter dem Deckmantel militärischer Hilfe? Man möchte seufzen, wenn es nicht viel ernster wäre. Keine Frage: Die US-Regierung verfolgt natürlich auch die Interessen ihrer Industrie. Es sind aber nicht irgendwelche geheimen Pläne, die den europäischen Rüstungsmarkt aktuell bedrohen. Und schon gar nicht die Lieferung von Restbeständen an Leopard-2-Panzern an die Ukraine. 

Erstens profitieren nicht die USA davon, dass europäische Partner ihre landgestützten Systeme zunehmend im Ausland einkaufen. Mittlerweile sei vor allem Südkorea “der größte nicht-europäische Lieferant für bodenbasierte Waffensysteme außerhalb Europas“, wie der Rüstungsexperte Matthias Wachter vom Bundesverband der Deutschen Industrie schreibt. Polen verhandelt zwar auch mit den USA, stellt seine Streitkräfte aber primär auf koreanische K2-Panzer um. In deutschen Rüstungskreisen heißt es als Grund dafür, dass die polnische Regierung eben nicht abhängig sein wolle von den Vereinigten Staaten, auch wenn sie dort bereits Abrams-Panzer eingekauft hat. Auch die Balten, Finnen und Norweger setzen dementsprechend auf Haubitzen aus Korea.

So viele Leopard-2-Panzer haben die europäischen Nato-Staaten

Außerdem vertauscht das Abrams-Gerücht Ursache und Wirkung. Staaten wie Polen setzen zunehmend auf nicht-deutsche Produkte, weil sie von den Exportregeln der Bundesregierung für Rüstungsgüter genervt sind. In Finnland herrscht aktuell etwa eine laute Debatte darüber, ob man in Zukunft überhaupt noch deutsche Panzer kaufen wolle, wenn man im Ernstfall nicht einmal frei über diese verfügen könne. Es sind in dieser Lesart nicht die Auslieferungen der Panzer an die Ukraine, die europäische Partner an Made in Germany zweifeln lassen. Es sind die potenziellen politischen Probleme, die mit Bestellungen hierzulande einherzugehen scheinen.

Gegen die Abrams-These spricht auch, dass der Export von Leopard 2 das Geschäft der deutschen Rüster ankurbeln würde, anstatt den Markt „leer zu fegen“. Denn wer Panzer liefert, liefert auch die Logistik, regelt die Ausbildung und kümmert sich um die Instandhaltung. Anders ausgedrückt: Wer exportiert, muss seine Produktion ausbauen. Und umgekehrt: Wo keine Abrams-Panzer in die Ukraine gehen, entsteht dafür auch keine europäische Logistik. Entsteht also auch kein Markt für US-Produkte.

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Am Gerücht ist also wohl wenig dran. Und die Bundesregierung könnte ohne Probleme dagegen halten, wenn sie ihre Entscheidungswege klarer benennen würde. Stattdessen beruft sie sich auf die immer gleichen Floskeln möglicher Eskalation. Beschwört das Keine-Alleingänge-Mantra, obwohl niemand einen Alleingang verlangt. Oder starrt auf Umfragen, deren Ausgang sie selbst mitbestimmen könnte.

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