Absage an Schwarz-Grün Grüne lehnen Koalition mit Union ab

Die schwarz-grünen Sondierungen sind gescheitert. Die Union wird am Mittwoch der SPD nach Angaben von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe neue Sondierungsgespräche vorschlagen.

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Die Grünen haben sich nach einer zweiten Sondierungsrunde mit der Union gegen eine Regierungsbildung mit CDU und CSU entschieden. Die inhaltlichen Differenzen hätten sich als zu groß erwiesen, um ein tragfähiges schwarz-grünes Bündnis für vier Jahre zu schmieden, sagten die Grünen-Chefs Claudia Roth und Cem Özdemir nach sechsstündigen gemeinsamen Beratungen mit CDU und CSU in der Nacht zu Mittwoch in Berlin.

Die Union hat nun nur noch die SPD als möglichen Koalitionspartner. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe kündigte an, die Sozialdemokraten zu einer dritten Sondierungsrunde einzuladen.

Die Grünen hatten nach den Diskussionen mit der Union eineinhalb Stunden beraten, ob sie die Gespräche beenden sollten. "Ich glaube, dass man hinter den Stand, der heute Abend erreicht wurde, auch nicht mehr ohne weiteres zurückfallen kann", sagte Özdemir. "Ich glaube, dass die Tür jetzt offen ist und sie wird auch nicht mehr so ohne weiteres zugehen." Die Frage erneuter Gespräche könnte sich etwa stellen, wenn Koalitionsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD scheitern sollten.

Auch die Generalsekretäre von CDU und CSU lobten demonstrativ die "gute, sachliche" Gesprächsatmosphäre. "Wir können feststellen, dass auch gerade von Grünen ein erheblicher Teil des Weges, der uns trennt, gemacht worden ist", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Zugleich schoben die Unionsvertreter die Verantwortung für das Scheitern der Gespräche aber den Grünen zu. "Es gab aus unserer Sicht keine unüberwindliche Gegensätze", betonte Gröhe. "Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Grünen außerstande sehen, ihren Gremien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu empfehlen." Dobrindt fügte hinzu: "Da wäre auch noch eine Möglichkeit gewesen, daraus auch eine gemeinsame Position zu entwickeln." Die CSU hatte sich vor wenigen Tagen noch zu einer klaren Präferenz für eine große Koalition bekannt.

Gröhe betonte, dass die Union Kompromissbereitschaft etwa in den Feldern der Flüchtlings- und Integrationspolitik, Tierschutz und Landwirtschaft gezeigt habe. Dies lobte auch Grünen-Chef Özdemir ausdrücklich. Die drei Parteien hatten zehn zentrale Felder ausgelotet. Dabei habe es aber kaum Annäherung in Bereichen wie Europa, Energie, Landwirtschaft oder beim Ausbau der Infrastruktur gegeben, hieß es bei den Grünen. Roth und Özdemir kritisierten etwa die Position der Union beim Klimaschutz und bei CO2-Emissions-Obergrenzen für Automobilhersteller.

Schwierige Gespräche zwischen SPD und Union

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Auch der Mindestlohn und die von den Grünen geforderte Bürgerversicherung blieben strittig. Dagegen hatten Union und Grüne offenbar Einigungsmöglichkeiten bei der Ausweitung der Lkw-Maut und einem Fracking-Verbot gesehen. Die Grünen hatten nach der Sondierung zunächst intern die Ergebnisse der Sondierung ausgewertet, bevor sie sich gegen Koalitionsgespräche mit der Union entschieden.

Der Union bleibt somit die SPD als möglicher Partner für ein Regierungsbündnis. Nach der Sondierung von Sozialdemokraten und Union hatte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Dienstag bei einer Telefonkonferenz der Parteiführung laut Teilnehmerkreisen eine Aussage vermieden, ob sich seine Partei und die CDU/CSU in der Nacht angenähert haben. Nach der nun wahrscheinlich gewordenen dritten Sondierung am Donnerstag will der CDU-Bundesvorstand entscheiden, ob er mit der SPD Koalitionsverhandlungen beginnen will. Die SPD-Spitze will ihre Position einem Parteikonvent am Sonntag vorstellen.

Die Streitpunkte zwischen CDU und SPD
Familien: Das gerade erst eingeführte Betreuungsgeld wollen die Sozialdemokraten abschaffen. Die CSU verteidigt es vehement, aber auch in der CDU wird die Familienleistung teilweise kritisch gesehen. Die Kinderbetreuung wollen alle ausbauen, die SPD will Kitagebühren schrittweise sogar ganz abschaffen. Das Ehegattensplitting will die SPD abschmelzen. Die Union plant einen Umbau zu einem Familiensplitting. Quelle: dpa
Mieten: Gegen drastische Mieterhöhungen schlagen Union und SPD Preisbremsen vor. Die SPD will bundesweit eine Erhöhungs-Obergrenze bei Wiedervermietungen von zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und Maklerkosten künftig dem Vermieter aufbürden. Die Union will den Ländern für Gebiete mit angespanntem Markt die Möglichkeit zu einem Limit geben. Quelle: dpa
Arbeit: Beim Mindestlohn scheinen die Gräben überwindbar. Im Wahlkampf warb SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück gemeinsam mit Katrin Göring-Eckhardt von den Grünen für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro. CDU und CSU setzen dagegen auf branchenbezogene Lohnuntergrenzen in erster Linie für Arbeitnehmer ohne Tarifbindung. Kompromisse wären aber vorstellbar, denn auch der CDU-Arbeitnehmerflügel will Dumpinglöhne stärker bekämpfen. Weiterer Streitpunkt ist die SPD-Forderung nach einer Frauenquote für Aufsichtsräte. Uneinigkeit besteht ebenso in der Bewertung von Leih- und Zeitarbeit sowie bei Werkverträgen. Quelle: dpa
Verkehr: Es ist ein brisantes Thema, das die CSU zur Bedingung einer Koalition erklärt hat: eine Pkw-Maut für Ausländer auf deutschen Autobahnen. Die Union ist selbst uneins darüber. Die SPD lehnt eine Pkw-Maut strikt ab. Quelle: dpa
Steuern: Die Union hat Steuererhöhungen am Wochenende kategorisch ausgeschlossen und will die Bürger bei der kalten Progression entlasten. Auch bei der von der SPD geforderten Vermögensteuer dürften CDU/CSU nicht mitziehen. Zumindest der Wirtschaftsflügel der Union fordert zudem Entlastungen beim Solidaritätszuschlag. Die SPD kritisiert solche Vorfestlegungen als „unseriös“. Sie will große Einkommen und Vermögen stärker belasten, um Schuldenabbau, Bildung und Infrastrukturausbau zu finanzieren. Dazu soll der Spitzensteuersatz auf 49 Prozent steigen, auch eine höhere Abgeltungsteuer für Kapitaleinkünfte ist geplant. Quelle: dpa
Rente: Im Ziel sind sich Union wie SPD einig: Wer Zeit seines Lebens gearbeitet, aber nur wenig verdient hat, soll im Rentenalter mindestens 850 Euro monatlich zum Leben haben und nicht zum Sozialamt gehen müssen. Einigen müssen sie sich über den Weg dahin. Für langjährig Versicherte fordern die Sozialdemokraten eine Solidarrente von mindestens 850 Euro. Die CDU diskutiert eine Lebensleistungsrente, die allerdings niedriger und regional unterschiedlich ausfallen dürfte. Außerdem will die Union Renten für ältere Mütter verbessern. Die Rente mit 67 hatten Union und SPD noch 2006 gemeinsam eingeführt. Inzwischen fordert die SPD deren Aussetzung, sollte der Anteil älterer Erwerbstätiger nicht deutlich steigen. Quelle: dpa
Energie: Offiziell bekennen sich Union und SPD zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Verminderung von Treibhausgasen. Allerdings setzte sich in der Union häufig der Wirtschaftsflügel durch, um Auflagen für die Industrie zu verhindern – aktuell beispielsweise bei EU-Abgasnormen für neue Autos. Die Förderung von Ökostrom will die Union zugunsten niedrigerer Strompreise stärker einschränken. Dem könnte auch die Kohlelobby in der SPD zustimmen. Quelle: dpa

In der zweiten Sondierung mit der SPD waren in der Nacht zu Dienstag erstmals Streitthemen wie Steuererhöhungen, Mindestlohn oder Wünsche der Länder angesprochen worden. SPD-Chef Gabriel betonte in der Telefonschalte des SPD-Bundesvorstands nach Angaben aus Parteikreisen, dass bei dem achtstündigen Treffen kaum Annäherungen erkennbar geworden seien. Der von der SPD als zentraler Punkt geforderte gesetzliche Mindestlohn sei mit der Union offenbar in irgendeiner Form machbar, ohne dass aber Details klar seien. Alles, was mit Finanzierungsfragen zusammenhänge - wie etwa Investitionen in Bildung und Infrastruktur -, sei dagegen offen. Die Entscheidung, wie es weitergehe, liege bei der Union.

In der Telefonschalte des CDU-Präsidiums wurde am Dienstag vor allem die Unbeweglichkeit der SPD bei der Forderung nach einem politisch festgelegten Mindestlohn von 8,50 Euro kritisiert, den die Union ablehnt. Dagegen sah man Annäherungen etwa in den Bereichen Europapolitik und Verkehrsinvestitionen. Strittiges Thema waren aus Sicht der Union auch die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, weil vor allem die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hohe Forderungen an den Bund gestellt habe.

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