Abschaffung der Störerhaftung Deutschland kommt endlich im 21. Jahrhundert an

Eine überfällige, aber auch mutige Einigung: Die Bundesregierung hat sich zur Abschaffung der WLAN-Haftung durchgerungen. Nun ist der Weg frei für mehr Hotspots in Cafés, Restaurants und im Einzelhandel. Ein Kommentar.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Ein neues Gesetz soll Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber bringen. Quelle: dpa

Es ist ein großer Durchbruch, den SPD und Union am Mittwoch erzielt haben: Betreiber von öffentlichen WLAN-Netzen, etwa in Cafés, sollen künftig nicht mehr für ihre Nutzer haften. Monatelang hatte die Große Koalition um die entsprechende Änderung im Telemediengesetz gerungen.

Nun ist klar: Es wird kein Wenn und Aber bei Haftungsbefreiung geben. Unionspolitiker hatten lange Zeit darauf beharrt, dass Betreiber zumindest eine Seite vorschalten müssen, auf der Nutzer versichern, dass sie beim Surfen nichts Illegales vorhaben. Das Handelsblatt hatte in seiner Mittwochsausgabe über die Einigung bereits vorab exklusiv berichtet.

Die Einigung ist ein überfälliger Schritt. Damit ist endlich der Weg frei, dass Deutschland international bei der Zahl der offenen WLAN-Netze aufholt. Denn die bisherige Regelung in Deutschland ist international nahezu einzigartig. Demnach haften Betreiber öffentlicher kabelloser Internetzugänge dafür, wenn die Nutzer etwa illegal Musik downloaden. Diese sogenannte Störerhaftung wird als Grund dafür angesehen, dass Deutschland im internationalen Vergleich eine Hotspot-Wüste ist.

Die Einigung ist aber auch ein mutiger Schritt. Weil die Entscheidung für eine völlige Haftungsbefreiung der WLAN-Anbieter dem weit verbreiteten Bedürfnis entgegen tritt, für alles im Netz einen Verantwortlichen auszumachen. Wir können doch nicht alles so laufen lassen, so die Meinung vieler, gerade in der Politik. Jemand muss doch zur Rechenschaft gezogen werden können.


Realitäts-Check nicht bestanden

Dabei kann genau das eine Haftbarmachung der Internet-Anbieter ohnehin nicht leisten. Denn mal ehrlich – was kann denn der Wlan-Anbieter dafür, oder wie soll er es verhindern, dass sich einer in sein Café setzt, eine Limo trinkt und dabei nebenbei illegal Musik herunterlädt? Nach dem alten Gesetz wird er aber genau dafür verantwortlich gemacht.

Und auch der erste Gesetzesentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium konnte einem Realitäts-Check nicht standhalten. Wer wird schon davon abgehalten, einen Rechtsbruch zu begehen, nur weil er das vorher auf einer vorgeschalteten Seite versprochen hat? Und wie hätten Café-Betreiber guten Gewissens sicherstellen können, dass nur Berechtigte einen Zugang zu ihrem WLAN haben? Wie der Cyberangriff auf das IT-System des Bundestages im vergangenen Sommer gezeigt hat, können das noch nicht mal die hochprofessionellen IT-Experten des Bundes.

Ja, das Internet eignet sich hervorragend, um Illegales zu tun. Aber dagegen hilft nur eine bessere Schulung der zuständigen Behörden, die Rechtsverstöße aufspüren und verfolgen müssen. Die Verantwortung, Verbrechen im Internet zu verhindern, den WLAN-Betreibern im Café um die Ecke aufzuerlegen, wäre ein völlig falscher und unfairer Weg gewesen. Café-Betreiber hätten zurecht wie bisher gesagt, dass sie dann eben kein WLAN anbieten.

Die Bundesregierung ist mit der Einigung im 21. Jahrhundert angekommen. Sie lässt los, wo festhalten keinen Sinn mehr macht. Ein großer Fortschritt für ein modernes Deutschland.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%