Abschiebungen Deutsche Gerichte müssen Foltergefahr berücksichtigen – auch in der Türkei

Deutsche Gerichte müssen sich auch bei Abschiebungen verurteilter Terrorunterstützer über die Menschenrechtslage im Herkunftsland erkundigen Das gelte auch für die Türkei, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden.

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Ein verurteilter Helfer der Extremistenmiliz IS hatte Sorge, in der Türkei Opfer von Folter zu werden. Gegen seine Abschiebung ging er den Rechtsweg und legte schließlich Verfassungsbeschwerde ein – mit Erfolg. Quelle: dpa

Karlsruhe Deutsche Gerichte müssen vor der Abschiebung von verurteilten Unterstützern terroristischer Vereinigungen in die Türkei die Gefahr von Folter ausschließen. In einer am Dienstag veröffentlichten Entscheidung stoppte das Bundesverfassungsgericht die Abschiebung eines Unterstützers der Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS). Vor einer Abschiebung müssten die Gerichte gegebenenfalls von der Türkei Zusicherungen einholen, die Folter und unmenschliche Behandlung ausschlössen. ( AZ: 2 BvR 2259/17)

Mit der Entscheidung hat die Verfassungsbeschwerde eines in Deutschland geborenen Türken Erfolg. Er war 2015 in Deutschland wegen Unterstützung der als terroristisch eingestuften syrischen Vereinigung Dschunud al-Scham zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Außerdem hatte er er über Mittelsmänner Geld auf ein IS-Konto überwiesen, nachdem er zuvor unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei einer Bank einen Kredit von 25.000 Euro aufgenommen hatte. 2016 drohte ihm die Ausländerbehörde die Abschiebung in die Türkei an.

Der Betroffene wandte ein, dass in der Türkei ein Strafverfahren gegen ihn anhängig sei wegen Unterstützung einer islamistischen Terrororganisation. Er legte einen Bericht von Amnesty International vor, wonach die Türkei in einem ähnlichen Fall einen Unterstützer gefoltert habe. Das Verwaltungsgericht Gießen lehnte den Eilantrag ab, da in der Türkei nur PKK-Mitgliedern und Anhängern der Gülen-Bewegung Folter drohe.

Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde des Betroffenen hatte nun Erfolg. Nach dem von Amnesty verfassten Schreiben gebe es ernsthafte Anhaltspunkte für eine Foltergefahr, befanden die obersten deutschen Richter. Diese müsse nun vom Verwaltungsgericht Gießen überprüft werden. Die Karlsruher Verfassungsrichter entschieden allerdings nicht darüber, ob islamistische Terrorverdächtige generell in der Türkei mit Folter zu rechnen hätten.

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