Abstimmung über Große Koalition Die Entscheidung der SPD und ihre Konsequenzen

Koalitionsverhandlungen oder nicht? Darüber entscheidet am Sonntag der Parteitag der SPD in Bonn. Aber eigentlich geht es um sehr viel mehr. Für manche um alles. Über ein Votum mit weitreichenden Folgen.

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Wird die SPD ihren Vorsitzenden mit einer Zustimmung für eine Neuauflage der Großen Koalition unterstützen oder droht Schulz' Ende als Parteichef? Quelle: dpa

Berlin Ja oder Nein? Die SPD stimmt bei ihrem Parteitag in Bonn am Sonntag darüber ab, ob sie Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU aufnimmt oder nicht. Die Delegierten entscheiden aber auch über die Zukunft ihrer Partei – und über die von SPD-Chef Martin Schulz und Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Was würde ein Ja bedeuten...

... für die Regierungsbildung?

Es könnte dann ganz schnell gehen mit den Koalitionsverhandlungen. Die Spitzen von Union und SPD würden am Montag wohl zunächst organisatorische Dinge klären. Die eigentlichen Verhandlungen könnten Mitte der Woche starten. Merkel würde die Verhandlungen gerne bis Mitte Februar abschließen. Etwas sputen müssen sich die Partner ohnehin. Denn nach einer möglichen Einigung ist bei der SPD noch ein Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag geplant. Dieser Prozess dauert etwa drei Wochen. Sollte die interne Abstimmung Mitte Februar beginnen und positiv ausgehen, könnte in einer der beiden Sitzungswochen ab dem 12. März die Kanzlerwahl im Bundestag folgen. Die Regierung stünde dann vor Ostern.

... für Angela Merkel?

Die CDU-Chefin könnte erst mal aufatmen, wenn auch nur kurz. Nach dem Scheitern ihres ersten Sondierungs-Anlaufs mit FDP und Grünen und nach der monatelangen Hängepartie steht sie unter großem Druck, endlich eine Regierung auf die Beine zu stellen. Wirklich zurücklehnen könnte sich Merkel nach der Bonner SPD-Entscheidung ohnehin nicht. Schließlich steht in dem Fall der Mitgliederentscheid bei der SPD noch aus. Auch da könnten die Genossen noch Nein sagen zu einer GroKo.

... für Martin Schulz?

Der SPD-Chef wäre vorerst gerettet. Allerdings ist die Frage, wie viele Delegierte Ja sagen. Fällt die Mehrheit nur hauchdünn aus, ginge Schulz geschwächt in die Koalitionsverhandlungen. Falls sich Union und SPD am Ende einig werden, muss Schulz auch entscheiden, ob er in ein neues GroKo-Kabinett unter Merkel einsteigt. Das hatte er nach der Bundestagswahl kategorisch ausgeschlossen. Noch einen Wortbruch – es wäre nicht der erste – könnten ihm einige Genossen und Wähler übelnehmen. Andererseits hätte er in einer GroKo einen schlechten Stand ohne Platz am Kabinettstisch.

... für die SPD?

Die innere Zerrissenheit, die sich in den vergangenen Wochen gezeigt hat, wäre nicht plötzlich verschwunden. Parteiaustritte flammender GroKo-Gegner wären denkbar. Es wäre nicht ganz leicht, die Partei einigermaßen zu einen, auf vier Jahre Schwarz-Rot einzuschwören – und nebenbei noch die große Erneuerung anzugehen, die sich die SPD nach dem Desaster bei der Bundestagswahl so dringend verordnet hat.

Was würde ein Nein bedeuten...

...für die Regierungsbildung?

Es gibt drei Möglichkeiten, wie es dann weitergehen kann: 1. Merkel bildet eine Minderheitsregierung und sucht sich für jede Einzelentscheidung Unterstützung bei den Oppositionsfraktionen. Bisher hat sie das ausgeschlossen, bei einem Scheitern der GroKo werden die Karten aber neu gemischt. 2. Es gibt einen zweiten Anlauf zu einer Jamaika-Koalition. Die Grünen wären dafür sicher zu haben, die FDP eher nicht. 3. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier leitet den komplizierten Prozess zu einer Neuwahl ein.

...für Angela Merkel?

Die Kanzlerin würde sich zunächst in der Rolle der Krisenmanagerin sehen. Sie hat immer betont, dass sie auf eine stabile Regierung setzt. Wenn der Weg zurück zu Jamaika-Gesprächen verbaut ist, muss sie sich dennoch über eine Minderheitsregierung Gedanken machen. Andernfalls bliebe nur eine Neuwahl, bei der es gut sein kann, dass Merkel auf eine weitere Kanzlerkandidatur verzichtet. Schon vor der letzten Wahl hatte sie sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht.

...für Martin Schulz?

Er ist dann als SPD-Chef kaum noch zu halten. Schulz hat die Kehrtwende zu Sondierungsgesprächen mit der Union und das 28-seitige Ergebnispapier zu verantworten. Bei einem Nein des Parteitags dazu dürfte der ohnehin schon stark bröckelnde Rückhalt für ihn in der SPD in sich zusammenfallen. Nur zehn Monate nach seinem Rekordergebnis von 100 Prozent bei der Wahl zum Parteivorsitzenden könnte seine Zeit an der SPD-Spitze damit beendet sein.

...für die SPD?

Es würde Chaos bedeuten. Schon jetzt wird darüber spekuliert, ob ein Schulz-Rücktritt ausreichen würde. Auch Fraktionschefin Andrea Nahles könnte hinschmeißen. Führende Sozialdemokraten halten sogar den Rückzug der gesamten Parteispitze für denkbar – all jener also, die für Koalitionsverhandlungen geworben haben. Da sich eine Mehrheit der Wähler wünscht, dass die große Koalition gelingt, dürfte die SPD auch in den Umfragen weiter verlieren. Schon vor dem Parteitag ist sie bei Forsa auf einen Tiefstwert von 18 Prozent abgesackt, im ZDF-„Politbarometer“ auf 20 Prozent. Käme es zu einer Neuwahl, drohen die Sozialdemokraten von der Position der zweitstärksten Kraft verdrängt zu werden – von der AfD.

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