Achim Berg Bitkom-Chef warnt vor Gefahr, künstliche Intelligenz zu verhindern

Der Bitkom-Präsident spricht über die schwierige Umsetzung der neuen EU-Datenschutzregeln und die Folgen für den Standort Deutschland.

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„Nach wie vor gibt es viele Rechtsunsicherheiten, wie einzelne Vorgaben umzusetzen sind.“ Quelle: dpa

Berlin Ab 25. Mai 2018 gilt EU-weit die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Mit den Vorschriften wird die Verarbeitung personenbezogener Daten neu geregelt. Die Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, ihre internen Geschäftsabläufe entsprechend anzupassen. Wie herausfordernd das ist, schildert der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Achim Berg.

Herr Berg, wie kommen die Unternehmen mit der Umsetzung der DSGVO voran?
Nur eine Minderheit hat sich noch gar nicht mit der Datenschutz-Grundverordnung beschäftigt. Die allermeisten Unternehmen arbeiten an der Umsetzung der neuen Regeln. Viele von ihnen haben aber erst spät begriffen, wie umfangreich die Anpassungen sind und müssen über den Stichtag hinaus mehr Ressourcen für den Bereich Datenschutz aufwenden. Fakt ist, dass es die meisten Unternehmen bis zum Stichtag nicht schaffen, alle Neuerungen vollständig umzusetzen.“
Welche Erwartungen haben Sie an die Aufsichtsbehörden? Hoffen Sie auf Milde bei der Durchsetzung der neuen Regeln?
Aufsichtsbehörden haben einen Ermessensspielraum, wenn sie Datenschutzverstöße ahnden. Wichtig ist, dass sie diesen Spielraum bewusst und mit Augenmaß wahrnehmen. Denn nach wie vor gibt es viele Rechtsunsicherheiten, wie einzelne Vorgaben umzusetzen sind und wie streng sie von den Behörden ausgelegt werden.

Woran hakt es konkret?
Oft haben wir das Problem, dass die Aussagen der Behörden wenig mit den praktischen Abläufen in den Unternehmen zu tun haben. Hier müssten die Aufsichtsbehörden stärker in den Dialog mit der Wirtschaft gehen und offen sein für pragmatische Lösungen. Das würde den Datenschutz in der Breite verbessern.

Können Sie sich vorstellen, dass die Politik eventuell noch einmal nachjustiert bei den Auflagen?
Die DSGVO lässt der nationalen Politik nicht viel Spielraum. Die EU muss sicherlich genau beobachten, wie die Verordnung in den einzelnen Mitgliedsstaaten angewendet und durchgesetzt wird.

Und dann möglicherweise Korrekturen in Betracht ziehen?
Falls sich abzeichnet, dass hier mit unterschiedlichem Maß gemessen wird, muss sie handeln. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass sich die Vorgaben negativ auf digitale Innovationen in Europa auswirken, muss möglicherwiese nachjustiert werden.

Die neuen Vorschriften basieren auf dem Prinzip Datensparsamkeit. Ist das noch zeitgemäß?
Ein Beispiel: Aktuell blicken alle auf Künstliche Intelligenz (KI). KI ohne Daten ist wie ein Schwimmbad ohne Wasser. Wenn wir im Datenschutz überziehen, verhindern wir den Einsatz künstlicher Intelligenz.

Was genau ist das Problem?
Bislang haben wir keine wirklich funktionierende Balance zwischen dem Schutz von Privatsphäre und der Nutzung von Daten gefunden. Es sollen beispielsweise gleichzeitig die informationelle Selbstbestimmung und die Informationsfreiheit verbessert werden. Zwei Forderungen, die im Übrigen oft von denselben Personen oder Organisationen erhoben werden. Beides gleichzeitig geht aber nicht. Ich kann nicht unter der Maßgabe der informationellen Selbstbestimmung Privatsphäre hochgradig schützen und unter der Maßgabe der Informationsfreiheit jedem Einblick in die Bauanträge seines Nachbarn geben. Genau das ist derzeit aber der Fall.

Welche Folgen hat das?
Diese rechtlichen Unwuchten führen zu einer fast schon schizophrenen Situation. So verschenken wir nicht nur wirtschaftliche Potentiale, wir verschenken auch gesellschaftliche Chancen zum Beispiel in der medizinischen Forschung und der Verbesserung unserer Gesundheitsversorgung.

Wie kann eine Lösung aussehen?
Wir brauchen eine neue Datenpolitik. Sie muss das Recht des Einzelnen auf Datenschutz wirksam wahren und gleichzeitig nützliche innovative Anwendungen ermöglichen.

Herr Berg, vielen Dank für das Interview.

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