Acht Wochen nach der Bundestagswahl Ampel-Parteien wollen Koalitionsvertrag vorstellen

Eine Ampel vor dem Reichstagsgebäude leuchtet in einer Langzeitbelichtung in allen drei Phasen, wobei sich der Straßenverkehr als Leuchtspuren abzeichnet. Quelle: dpa

Ein Rekordtempo haben SPD, Grüne und FDP nicht gerade hingelegt. Doch nun ist es soweit: Heute soll der Koalitionsvertrag öffentlich gemacht werden.

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Zwei Monate nach der Bundestagswahl stehen die Verhandlungen von SPD, Grünen und FDP über die Bildung einer Ampelregierung unmittelbar vor dem Abschluss. Die drei Parteien luden für diesen Mittwochnachmittag (15.00 Uhr) zu einer Pressekonferenz ein, bei der sie ihren Koalitionsvertrag vorstellen wollen. Dessen Details wurden bislang absolut vertraulich ausgehandelt. Am Vormittag kam die Hauptverhandlungsrunde der drei Parteien zu ihrer abschließenden Sitzung zusammen

Nach dem Zeitplan der drei Parteien soll der bisherige Finanzminister Olaf Scholz (SPD) in der Woche ab dem 6. Dezember im Bundestag zum Kanzler gewählt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundestagswahl am 26. September nicht wieder kandidiert hatte. Die Kanzlerin und ihre Ministerinnen und Minister von Union und SPD trafen sich am Mittwoch zu ihrer möglicherweise letzten Kabinettssitzung. Merkel erhielt von Scholz einen Blumenstrauß. Anschließend versammelte sich das Kabinett zu einem Gruppenfoto auf einer Treppe im Kanzleramt.

In der von SPD, Grünen und FDP geplanten neuen Bundesregierung unter einem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) können die Sozialdemokraten nach Angaben eines Insiders sieben Ministerposten besetzen. Darunter sei auch das neu geschaffene Ministerium für Bauen und Wohnen, sagte eine mit dem Ergebnis der Koalitionsverhandlungen vertraute Person am Mittwoch, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Das Finanzministerium werde von der FDP besetzt, womit der Weg frei sein dürfte für FDP-Chef Christian Lindner auf diesem Posten. Das Verkehrsministerium geht laut der "Bild"-Zeitung an die FDP. Minister solle Generalsekretär Volker Wissing werden, heißt es auf der "Bild"-Internetseite. Die Grünen erhielten das Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium sowie das Auswärtige Amt. Als Favoriten für diese Ministerposten gelten die beiden Grünen-Parteivorsitzenden, Robert Habeck und Annalena Baerbock.

Neben dem Kanzleramtschef kann die SPD demnach zudem die Ministerien für Inneres, Verteidigung, Gesundheit, Arbeit und Soziales sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit besetzen. Insgesamt sehe der Koalitionsvertrag siebzehn Ressorts vor und damit eines mehr als in der jetzigen Regierung. Ein eigenes Digitalministerium sei nicht geplant. Die drei Parteien wollen ihren Koalitionsvertrag am Nachmittag vorstellen.

Die Koalitionsverhandlungen hatten am 21. Oktober begonnen, nachdem die drei Ampelparteien zuvor in Sondierungen den Grundstein dafür gelegt hatten. Geführt wurden sie in einer Hauptverhandlungsrunde aus zuletzt je sieben hochrangigen Vertretern jeder Partei sowie in 22 Arbeitsgruppen. In diesen handelten die Fachpolitiker der Parteien die Details des Koalitionsvertrags aus.

Ein Koalitionsvertrag muss bei SPD und FDP jeweils durch Parteitage und bei den Grünen in einer Mitgliederbefragung gebilligt werden. Die rund 125.000 Grünen-Mitglieder sollen nach Parteiangaben ab diesem Donnerstag in einer digitalen Urabstimmung über den Vertrag befinden. Auch über das Personaltableau der Grünen, also etwa die Besetzung von Ministerämtern, sollen sie entscheiden – „zum ersten Mal in unserer Parteigeschichte“, wie Bundesgeschäftsführer Michael Kellner der Deutschen Presse-Agentur sagte.

„Jedes Mitglied kann mitbestimmen, ob Bündnis90/Die Grünen als Teil der ersten Ampelregierung im Bund erstmals seit 2005 wieder in eine Bundesregierung eintritt und ob es mit dieser Regierung einen Aufbruch beim Klimaschutz und dem sozialen Zusammenhalt in diesem Land gibt“, sagte Kellner.

In einem Sondierungspapier hatten SPD, Grüne und FDP bereits einige „Vorfestlegungen“ getroffen und dabei auch einige Streitthemen abgeräumt. Sie schrieben sich darin „eine umfassende Erneuerung unseres Landes“ und „einen Aufbruch“ für Deutschland auf die Fahnen, um die großen Herausforderungen wie Klimawandel, Digitalisierung, Sicherung des Wohlstands oder sozialen Zusammenhalt zu bewältigen.

Wohl mit Rücksicht auf die Wahlversprechen der FDP wurde vereinbart, dass keine neuen Substanzsteuern eingeführt und Steuern wie die Einkommen-, Unternehmens- oder Mehrwertsteuer nicht erhöht würden. Im ersten Jahr einer Ampelkoalition soll der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro pro Stunde erhöht werden. Dies war ein zentrales Wahlversprechen der SPD. Das Wahlalter für Bundestags- und Europawahlen soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Zur Einhaltung der Klimaschutzziele wurde in dem Papier auch festgelegt, den Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beschleunigen und möglichst auf 2030 vorzuziehen. Bisher ist der Kohleausstieg bis spätestens 2038 geplant. Ein generelles Tempolimit auf Autobahnen, wie von den Grünen gefordert, soll nicht kommen. Zum Thema Migration wurde vereinbart, Asylverfahren, die Verfahren zur Familienzusammenführung und die Rückführungen zu beschleunigen. Es sollen legale Zugangswege nach Deutschland geschaffen werden.

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