Änderungen am Infektionsschutzgesetz Merkel: Bundeseinheitliche Notbremse „ist überfällig“

„Die Pandemiebekämpfung muss stringenter werden“, rechtfertigte Bundeskanzlerin Angela Merkel die zusätzliche Bundeskompetenz. Quelle: dpa

Das Bundeskabinett hat eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes auf den Weg gebracht. Welche Änderungen nun bald wahrscheinlich kommen und ab wann sie gelten.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die bundesweite Regelung der Corona-Notbremse mit dem starken Anstieg der Corona-Intensivpatienten gerechtfertigt. „Die bundeseinheitlich geltenden Notbremse ist überfällig. Denn die Lage ist ernst“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin nach der Verabschiedung des neuen Infektionsschutzgesetzes durch das Kabinett. Ärzte und Pfleger bräuchten die Hilfe der Politik. „Wir dürfen sie nicht im Stich lassen, wir müssen ihnen helfen“, fügte die Kanzlerin mit Blick auf die steigende Zahl an Corona-Intensivpatienten in Krankenhäusern hinzu.

„Wir setzen die Notbremse bundesweit um“, betonte die Kanzlerin. Ab jetzt seien zusätzliche Corona-Maßnahmen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 nicht mehr Auslegungssache, sondern sie griffen automatisch. Merkel appellierte an die Bundestagsfraktionen, nun einen schnellen Beschluss zu ermöglichen. Die bisherigen Bund-Länder-Beratungen reichten nicht mehr aus. „Die Pandemiebekämpfung muss stringenter werden“, rechtfertigte Merkel die zusätzliche Bundeskompetenz.

In Deutschland sollen künftig regional automatisch schärfere Corona-Schutzmaßnahmen wie eine nächtliche Ausgangssperre greifen, wenn die Zahl der neuen Corona-Fälle den Schwellenwert von 100 pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche überschreitet. Die Bundesregierung brachte am Dienstag eine Gesetzesänderung für eine bundesweit verbindliche „Notbremse“ auf den Weg. Der Reuters vorliegende Entwurf des Bundesgesundheits- und des Innenministeriums sieht auch vor, dass Schulen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 Fällen ihren Präsenzunterricht einstellen müssen. Per Verordnung aus dem Arbeitsministerium werden zudem Arbeitgeber verpflichtet, ihren Präsenzbeschäftigten mindestens einmal pro Woche einen Corona-Test anzubieten. Die bezahlten Kinderkrankentage werden nochmals erhöht auf nun 30 Tage.

Die bundesweite Regelung der Notbremse soll eine einheitliche Umsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen sicherstellen. Bisher werden sie per Verordnung von jedem Bundesland zum Teil unterschiedlich umgesetzt. Ab einer 100er-Inzidenz gilt regional nach einer bestimmten Frist automatisch eine Ausgangssperre von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr am Morgen. Private Zusammenkünfte werden auf einen Haushalt plus eine weitere Person begrenzt. Geschäfte, die nicht dem täglichen Bedarf dienen, müssen wieder schließen. Die Öffnung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen wie Theatern, Museen oder Zoos wird untersagt.

Die Gesetzesvorlage muss noch den Bundestag und den Bundesrat passieren. Allerdings ist die ausdrückliche Zustimmung der Länderkammer nicht erforderlich. Der Bundesrat könnte allenfalls Einspruch erheben. Mit der Verabschiedung im Bundestag wird in der Koalition erst nächste Woche gerechnet, da nicht erkennbar sei, dass die Opposition einer Verkürzung der Beratungsfrist zustimme.

Die Bundesregierung wird zudem mit der Gesetzesänderung ermächtigt, eigene Rechtsverordnungen für Gebote und Verbote ab einem Inzidenzschwellenwert von 100 zu erlassen – aber nur mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates. „Solche Rechtsverordnungen können insbesondere weitergehende Vorschriften und Maßnahmen des Infektionsschutzes, Präzisierungen, Erleichterungen oder Ausnahmen vorsehen sowie besondere Regelungen für Personen, bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 auszugehen ist oder die ein negatives Ergebnis eines Tests auf eine Infektion mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 vorlegen können“, heißt es in dem Entwurf. Die Gesetzesänderung insgesamt gilt nur für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Bundestag. Das ist derzeit der 30. Juni.

Testangebotspflicht für Arbeitgeber

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will die Betriebe in Deutschland verpflichten, ihren Präsenzbeschäftigten mindestens einmal pro Woche einen Corona-Test anzubieten. Das Kabinett nahm nach Angaben eines Regierungsvertreters die entsprechende Verordnung zur Kenntnis. Für Beschäftigte, bei denen tätigkeitsbedingt ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, sollen zwei Tests wöchentlich angeboten werden, wie Reuters bereits am Montag berichtet hatte. Die Verordnung soll fünf Tage nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Das wäre voraussichtlich kommende Woche. Zudem werden die bestehenden Corona-Schutzregeln im Arbeitsschutz bis zum 30. Juni verlängert. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber wo immer möglich das Arbeiten von zu Hause aus anbieten müssen.

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Zudem beschloss das Kabinett Regierungskreisen zufolge, die bezahlten Kinderkrankentage pro Elternteil von derzeit 20 auf 30 Tage zu erhöhen. Diese Kinderkrankentage können Eltern zur Betreuung der Kinder auch bei Schul- und Kitaschließungen in Anspruch nehmen.

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