AfD-Beobachtung durch Verfassungsschutz „Beste Argumente auf dem Silbertablett“

AfD-Politiker wollen mit einer verfassungsfeindlichen Bewegung zusammenarbeiten. Das alarmiert die Politik. Es sei höchste Zeit, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachte, fordern Innenexperten etablierter Parteien.

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Bald im Visier des Verfassungsschutzes? Wegen seiner Aktivitäten bei der „Patriotischen Plattform“ könnte der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider ein Fall für den deutschen Inlandsgeheimdienst werden. Quelle: dpa

Berlin Das öffentlich bekundete Bestreben des rechtsnationalen Flügels der Alternative für Deutschland (AfD), eng mit der sogenannten „Identitären Bewegung“ zusammenarbeiten zu wollen, obwohl die Gruppierung von mehreren Landes-Verfassungsschutzbehörden beobachtet wird, alarmiert die Politik.

„Ich fühle mich in meiner Ansicht bestätigt, dass es höchste Zeit wird, zumindest Teile der AfD durch den Verfassungsschutz beobachten zu lassen“, sagte der SPD-Innenexperte Burkhard Lischka dem Handelsblatt. „Im Grunde genommen müsste man fast dankbar sein: Die Patriotische Plattform in der AfD liefert selbst beste Argumente auf dem Silbertablett, die eine solche Beobachtung rechtfertigen würden.“

Sie zeige zum wiederholten Male ihr wahres Gesicht. „Als einflussreiche Strömung innerhalb der AfD bietet sie rechtsextremen Hetzern offen eine Plattform“, sagte Lischka weiter. „Ich hoffe, dass dies auch endlich die zuständigen Verfassungsschutzbehörden erkennen und entsprechend handeln.“

Ähnlich äußerte sich der FDP-Bundesvize Wolfgang Kubicki. „Der Versuch von Teilen der AfD, offensichtlich rassistisches Gedankengut hoffähig zu machen, wirft die Frage auf, ob dies nicht auch ein Fall für den Verfassungsschutz ist“, sagte er dem Handelsblatt. „Die AfD muss sich genau überlegen, ob sie „nur“ mit Ressentiments und Angst spielen oder ob sie sich offen gegen unsere freiheitliche Grundordnung stellen will.“

Hintergrund ist die Absicht der „Patriotischen Plattform“ in der AfD, den Schulterschluss mit der „Identitären Bewegung“ zu suchen. „Wir wünschen uns eine engere Zusammenarbeit zwischen Identitärer Bewegung und AfD, denn auch die AfD ist eine identitäre Bewegung und auch die Identitäre Bewegung ist eine Alternative für Deutschland“, heißt es in einer Mitteilung des Vorstands der  „Plattform“. Vorstandssprecher ist der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider, der auch schon bei einer Veranstaltung der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung als Redner aufgetreten ist. Dem Vorstand der Plattform gehört auch Dubravko Mandic an. Mandic ist auch Mitglied im AfD-Schiedsgericht des Landesverbands Baden-Württemberg.  Anfragen des Handelsblatts zu dem Vorgang ließ der AfD-Bundesvorstand unbeantwortet.


„Es wird kein friedliches Hinterland mehr für die Multikultis geben“

„Die Maske der besorgten Bürger rutscht der AfD immer weiter vom Gesicht“, kommentierte der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz den Vorgang. „Dahinter offenbart sich Rassismus und Verfassungsfeindlichkeit“, sagte von Notz dem Handelsblatt. Nachdem AfD-Mitglieder im Europaparlament die Nähe zum Lager des faschistischen Front National suchen, sollen die „Identitären“ offenbar ein „Bindeglied der AfD zur rechtsextremen FPÖ“ bilden. „Ob der Verfassungsschutz nun beobachtet oder nicht, wir müssen uns jedenfalls mit allen demokratischen Mitteln gegen diese Strukturen wehren und deutlich machen, wen und was man bekommt, wenn die AfD in Parlamente einzieht“, betonte der Grünen-Politiker.

Am vergangenen Samstag nahm Mandic gemeinsam mit Felix Koschkar, ebenfalls Vorstandsmitglied bei der „Patriotischen Plattform“, in Wien an einer Demonstration der „Identitären Bewegung Österreich“ unter dem Motto „Europa verteidigen – Für ein freies und starkes Europa der Zukunft!“ teil. In dem Demo-Aufruf betont die Gruppierung, dass es schon längst an der Zeit sei, sich zu wehren: „Aufgrund des derzeitigen Ansturms aus den Ländern des Nahen Ostens und Afrikas drohen die Europäer in ihren eigenen Ländern zur Minderheit zu werden.“

Die österreichischen „Identitären“ sorgten im April für Aufsehen, als Aktivisten der Gruppierung eine Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks „Die Schutzbefohlenen“ in der Universität Wien stürmten. Das Stück ist zum Großteil mit Flüchtlingen besetzt. Wie die Zeitung „Der Standard“ berichtet, haben sich bis zu 30 „Identitäre“ Zugang zur Bühne verschafft, Kunstblut verspritzt, ein Transparent entrollt und Flugblätter mit dem Titel „Multikulti tötet!“ ins Publikum geworfen.

Der Obmann der „Identitären“, Alexander Markovics, drohte danach mit weiteren Aktionen und erklärte: „Wir werden dafür sorgen, dass es kein friedliches Hinterland mehr für die Multikultis geben wird.“


Thüringer Verfassungsschutz erwägt Beobachtung

Die „Identitäre Bewegung“ ist eine rechtsextreme Strömung mit Wurzeln in Frankreich. In Deutschland trat sie im Oktober 2012 erstmals als Facebook-Gruppe in Erscheinung. Die „Identitären“ sprechen sich gegen „Überfremdung, Massenzuwanderung und Islamisierung“ aus und richten sich vor allem an junge Menschen. Während sie bis vor etwa einem Jahr noch vornehmlich im Internet aktiv waren, gehen sie inzwischen verstärkt mit Aktionen auf die Straße. Die Bewegung wird in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet.

Der Verfassungsschutz in Thüringen erwägt inzwischen auch eine Beobachtung. Derzeit werde die „Identitäre Bewegung“ noch als „Verdachtsfall“ geführt, sagte der Präsident der Behörde, Stephan Kramer, dem Handelsblatt. Im Rahmen der „Verdachtsfall-Bearbeitung“ werde aber geprüft, ob sich entsprechend der Vorgaben des  Thüringer Verfassungsschutzgesetzes Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten „verdichten lassen zu tatsächlichen Anhaltspunkten für ebensolche Bestrebungen und gegebenenfalls eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz geboten ist“.

Im Fall der AfD liegen dem Thüringer Amt für Verfassungsschutz, wie Kramer weiter sagte,  bislang keine für eine nachrichtendienstliche Beobachtung ausreichenden Anhaltspunkte vor. „Gleichwohl werden offen zugängliche Informationen, Medienberichte und Verlautbarungen der Partei aufmerksam verfolgt“, betonte der Verfassungsschutz-Präsident. „Auch Äußerungen einzelner Funktionäre der Partei werden darauf hin geprüft, ob sie der Gesamtorganisation zuzurechnen sind und wie sich die Parteiführung dazu positioniert.“ Hierunter fielen auch die Aktivitäten von AfD-Mitgliedern der „Patriotischen Plattform“ aus Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg.

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