AfD-Chefin in der Schweiz Frauke Petry im Land der Träume

Minarette verbieten, Asylrecht verschärfen, Referenden gegen die EU: In der Schweiz hat die AfD erfolgreiche Gesinnungsgenossen – die rechtskonservative SVP ist die wählerstärkste Regierungspartei.

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Die Programme von AfD und SVP weisen zahlreiche Gemeinsamkeiten auf. Quelle: dpa

Interlaken Das Wohlfühlland der Alternative für Deutschland (AfD) liegt quasi gleich um die Ecke. Einmal durchs grün-schwarze Baden-Württemberg hindurch und schon ist man in der Schweiz. Die Eidgenossenschaft bietet Zuversicht, denn sie beweist: Eine Partei, die den Islam dämonisiert, ein Verbot von Minaretten durchsetzt, die EU verteufelt und die Reduzierung der Einwanderung erzwingt, kann zur wählerstärksten politischen Kraft werden und die Regierungspolitik am Kabinettstisch beeinflussen.

Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) hat das erst im vergangenen Herbst bei der Parlamentswahl mit einem Stimmenanteil von fast 30 Prozent erneut bewiesen. Sie stellt nun zwei der sieben Minister in der eidgenössischen Regierung – den für Finanzen und den für die Landesverteidigung.

Kein Wunder, dass die AfD bewundernd zur SVP aufblickt: „Als junge Partei verfolgen wir deren Erfolg und versuchen, uns daran zu orientieren“, sagte die AfD-Vorsitzende Frauke Petry kürzlich der Schweizer „Sonntagszeitung“.

Die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit. Am Samstag war Petry als Hauptrednerin der „Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz“ (AUNS) eingeladen. Die einflussreiche Vereinigung wird maßgeblich von der SVP getragen. Gründungspräsident der AUNS war 1986 der Milliardär Christoph Blocher, der bis heute als „Übervater“ maßgeblichen Einfluss auf die SVP ausübt.

In den Programmen und politischen Zielrichtungen beider Parteien gibt es – bei nachvollziehbaren Unterschieden, die sich daraus ergeben, dass die Schweiz anders als Deutschland nicht Mitglied von EU und Nato ist – deutliche Übereinstimmungen. Vom traditionellen Frauen- und Familienbild bis hin zur Abgrenzung von der EU sowie in nahezu allen Fragen der Einwanderungs- und Asylpolitik. Außerdem begeistert sich die AfD für das Schweizer Rentenmodell und das von den Eidgenossen häufig genutzte Instrument der Volksabstimmung.

Ähnlich sind sich die Parteien auch in der Schärfe und Übertreibung so mancher ihrer Argumentationen: Während AfD-Spitzen mit einem denkbaren Schießbefehl auf Flüchtlinge jonglierten, sorgte die SVP einst mit ausländerfeindlichen Abstimmungsparolen wie „Kosovaren schlitzen Schweizer auf“ für erhebliche politische Aufregung.


Versammlung wurde nach Drohungen verlegt

Ebenfalls ähnlich ist, wie die Linksaußen-Szene beider Länder auf die Rechtsaußen-Parteien reagiert. Nach der Ankündigung der Petry-Rede zum Thema „Demokratie und Kontroverse in Europa“ vor der diesjährigen AUNS-Mitgliederversammlung gab es Drohungen gegen das Hotel „National“ in Bern, wo das Treffen stattfinden sollte.

„Wir haben in Bern eine starke linksautonome Szene, die auch gewaltbereit ist“, erklärte AUNS-Geschäftsführer Werner Gartenmann. Um Bilder von Demonstrationen und gewalttätigen Übergriffen zu vermeiden wurde, die Versammlung mit Petry in das weit genug von der Schweizer Bundesstadt entfernte Freizeitgelände Jungfraupark bei Interlaken verlegt.

Dieses Ausweichen statt nach Polizeischutz zu rufen entspricht durchaus der Schweizer Art, Konfrontationen zu vermeiden und nach Konsenslösungen zu suchen. Sie erklärt – zumindest teilweise – auch, wieso die Schweiz ungeachtet des politischen Einflusses der SVP ein weltoffenes Land geblieben ist, das Asylsuchende aufnimmt und mit rund 25 Prozent an ihrer Acht-Millionen-Bevölkerung einen höheren Ausländeranteil als die meisten anderen Länder der Welt hat.

Der Grund dafür ist im einzigartigen politischen System der Schweiz zu suchen. Die Eidgenossenschaft ist eine sogenannte Konkordanzdemokratie. Möglichst viele politische Kräfte werden an der Regierung beteiligt, die stets eine Koalition ist. Die vier stärksten Parteien erhalten jeweils zwei oder einen der sieben Ministerposten.

Selbst ein noch so klarer Wahlsieg kann nicht dazu führen, dass nur eine Partei über die Hebel der Macht verfügt. Zudem gibt es keinen ständigen Regierungschef. Diese Aufgabe übernehmen die sieben Minister im jährlichen Wechsel zusätzlich. Über wichtige Fragen entscheidet zudem das Volk in alle drei Monate stattfindenden Referenden.

Dieses System ermöglicht, was in Deutschland derzeit völlig undenkbar erscheint: Sozialdemokraten, Christdemokraten und Liberale stellen seit Jahren gemeinsam mit Rechtskonservativen die Regierung. Mit dem erklärten Grundsatz: Gestritten wird am Kabinettstisch, regiert wird im Konsens.

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